
(Rom) „Euthanasie in den Niederlanden: Autonomie und Mitleid abwägen“ ist nicht der Titel eines Dossiers von linken oder liberalradikalen Kräften, sondern einer Tagung, die von der Päpstlichen Akademie für das Leben in Zusammenarbeit mit der Medical Association vom 16.–17. November im Vatikan stattfinden wird. Die Ausrichtung der Tagung sei eine „Schande“, so Benedetta Frigerio.
„Im Zeichen des ‚Dialogs‘ und eines ‚Geistes der Offenheit und des Respekts‘“, so Nuova Bussola Quotidiana, öffnet der Vatikan „ganz sanft“ und leise die Tür zur Euthanasie.
Einen Hinweis auf die Wahrheit über das Leben findet man in den Tagungsunterlagen nicht. Dafür aber eine Gleichstellung von Christentum, Judentum und Islam, die alle auf einer Stufe gestellt werden.
Benedetta Frigerio dazu:
„Leider darf das gar nicht verwundern, seit die Kirche ihre eigene Lehre in das zweite Glied zurückgestellt hat. Der Schritt in Frage zu stellen, was offensichtlich ist (und daher nicht diskutabel), ist dann nicht mehr weit.“

Die Titel der Vorträge der eingeladenen Ärzte und Theologen und insgesamt die Tagungsunterlagen lassen „keine Spur“ von einer Verurteilung der Euthanasie erkennen, ebensowenig eine Verteidigung des Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. „Erst recht findet sich keine Erklärung, warum die Euthanasie immer und moralisch inakzeptabel ist“, so Frigerio, die auf den Katechismus der Katholischen Kirche verweist. Man wolle den „Verfechtern des bestellten Todes“ offenbar nicht zu nahe treten, weshalb „nicht zuviel schützende Barrieren errichtet werden sollen“. Wer wegen mangelnder Schutzbarrieren mit dem Leben bezahlt, habe eben Pech gehabt.
Die Tagung wird vom umtriebigen Kurienerzbischof Vincenzo Paglia eröffnet, einer jener Kurienvertreter, die erst mit dem derzeitigen Pontifikat auf umstrittene Weise „aufgeblüht“ sind. Paglia wurde von Papst Franziskus im August 2016 zum neuen Vorsitzenden der Akademie für das Leben ernannt. Eine Ernennung, die für die Lebensrechtsbewegung ein Alarmsignal war. Doch gekommen ist es noch schlimmer als geahnt.
Paglia baute im päpstlichen Auftrag die von Johannes Paul II., als Gegengewicht zur „Kultur des Todes“, errichtete Akademie völlig um. Um lästige Verfechter der „nicht verhandelbaren Grundsätze“ (Benedikt XVI.) loszuwerden, wurden alle Akademiemitglieder entlassen, obwohl sie auf Lebenszeit ernannt worden waren. Die Akademie erhielt ein neues Statut und neue Mitglieder, darunter einige sehr umstrittene, und hat – so Erzbischof Paglia – ihren Aufgabenbereich auf den alles überragenden Bereich der „Humanökologie“ erweitert.
Die Crème de la crème der neuen Gesichter im Vatikan:
Euthanasie-Verfechter aus den Niederlanden
Zu den Referenten der bevorstehenden Tagung gehört René Héman, der Vorsitzende der Königlich-Niederländischen Ärztevereinigung KNMG, dem offiziellen Ärztedachverband der Niederlande. Héman sprach sich im vergangenen März für die Gründung von „Lebensendekliniken“ aus. Zudem verlangt er, daß Ärzte, die aus Gewissensgründen eine Beteiligung an der Euthanasie ablehnen, verpflichtet werden, den „Patienten“ andere Ärzte zu nennen, die bereit sind, zu töten. Die Problematik einer solchen Mitwirkung an einer inakzeptablen Tat will er nicht gelten lassen. Gegenüber einem Menschen, dem beim Selbstmord geholfen werden oder der getötet werden soll (passive und aktive Sterbehilfe), habe ein Arzt eine „moralische und professionelle Verpflichtung“ so Héman. In wenigen Tagen darf er im Vatikan referieren.
Schweizer Planned Parenthood-Vorsitzende

Nach ihm wird Yvonne Gilli das Wort ergreifen und über „Sterbehilfe in der Schweiz: Praxis und Herausforderungen“ sprechen. Gilli ist Mitglied er Grünen Partei der Schweiz. Für die Grünen saß sie bis 2015 im Schweizerischen Nationalrat. Gilli, selbst Gynäkologin, ist militante Abtreibungsbefürworterin. Sie ist so überzeugt, daß sie Vorsitzende des Schweizer Ablegers des weltgrößten Abtreibungskonzerns Planned Parenthood ist, der sich in der Eidgenossenschaft Sexuelle Gesundheit Schweiz (ehemals PLANeS) nennt. Gillis ist Chefin des maßgeblichen Stiftungsrates. Damit geht Planned Parenthood nun direkt im Vatikan ein und aus.
Bereits im Frühjahr war dem ersten Planned Parenthood-Vertreter der rote Teppich ausgerollt worden. John Townsend war Referent der Tagung „Biologisches Aussterben. Wie die natürliche Umwelt, von der wir abhängen, zu retten ist“, die von den Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften gemeinsam veranstaltet worden waren. Eingeladen war Townsend als Vize-Präsident des Population Council, dessen Zielsetzung und Projekte eng mit der International Planned Parenthood Federation (IPPF) verbunden sind, zu deren Führungsebene Townsend ebenso gehört. Vor zehn Monaten ging es nur indirekt um das Thema Lebensrecht des Menschen, nun wird es schon konkreter.
Ist der nächste „logische“ Schritt, daß Planned Parenthood-Vertreter im Vatikan über die Vorzüge der Abtreibung sprechen werden?
Nicht Entscheidungsfähige bevormunden
Am Nachmittag folgt eine Diskussionsrunde, deren Titel die Euthanasie wie etwas inzwischen schon Selbstverständliches ankündigt. Im Anschluß daran spricht Volker Lipp von der Universität Göttingen über „Euthanasie und Sterbehilfe“. Lipp ist der Überzeugung, daß für Personen, die nicht entscheidungsfähig sind, etwas Wachkomapatienten, notfalls der Vormund oder Sachwalter zu entscheiden habe. Von freiem Willen und Entscheidung des direkt Betroffenen also keine Rede. Daher verwundert es nicht, daß Lipp auch dafür ist, Wachkomapatienten verhungern und verdursten zu lassen, wie es im Fall Eluana Englaro geschehen ist.
Terminale Sedierung zur Beschleunigung des Todes
Den Auftakt zum zweiten Tagungstag macht Heidi Stensmyren, Vorsitzende der Schwedischen Ärztevereinigung. Sie ist gegen die Euthanasie, tritt aber für die terminale Sedierung ein, die die Herbeiführung des Todes „beschleunigen kann“. Terminale Sedierung reduziert das Bewußtsein der Betroffenen oder schaltet es komplett aus. Daher wird kontrovers diskutiert, ob sie nicht schon um eine Form der aktiven, passiven oder indirekten Sterbehilfe handelt.
Abwägung und Kompromiß

Die Ausrichtung der Tagung werde definitiv sichtbar, so Frigerio, durch den nächsten Referenten: Stefano Semplici von des Internationalen Ausschusses für Bioethik der UNESCO (International Bioethics Committee, IBC). Er wird über die „Notwendigkeit einer Abwägung zwischen den Gegensätzen“ (pro oder contra Euthanasie) sprechen. Dem Thema liegt Hegels Grundsatz von These, Antithese und Synthese zugrunde. „Ein Mißverständnis“, so Frigerio, da „die Wahrheit nicht aus einem Widerspruch entstehen kann“. Semplici vertrat in der Vergangenheit die Meinung, das geltende Abtreibungsrecht in den westlichen Staaten sei ein „guter Kompromiß“.
Der Fall Vincent Lambert
Über die „terminale Sedierung“ wird auch die Französin Anne de La Tour sprechen, die Vorsitzende der SFAP, der französischen Sektion der European Association for Palliative Care (EAPC). La Tour verteidigte 2015 die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichthofes, daß die Ärzte den Wachkoma-Patienten Vincent Lambert verhungern und verdursten lassen dürfen. Dies will die Ehefrau Lamberts, während seine Eltern und Geschwister das verhindern wollen. Ginge es nach den Richtern, hätte die Kultur des Todes wie im Fall Engluaro bereits über das Leben gesiegt.
Autor eines Gesetzentwurfes für aktive Sterbehilfe
Ein weiterer Referent ist Ralf Jox. Er spricht über „Lebensende und öffentliche Debatte in einer demokratischen Gesellschaft. Jox ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Jahren spricht sich Jox dafür aus, „Hilfe bei Selbsttötung zuzulassen“. 2014 arbeitete Jox mit drei Kollegen einen Gesetzentwurf aus, des es Ärzten erlauben sollte, „Menschen bei der Selbsttötung zu helfen“, so damals SwissInfo. Wörtlich meint Jox: „Jeder, der ernsthaft das Leben schützen will, muß Regeln für einen verantwortungsbewußten Sterbehilfe“ zustimmen.
Vatikan öffnet diabolischen Positionen die Tür
In wenigen Tagen versammeln sich fast ausnahmslos Referenten, die Positionen im Widerspruch zur katholischen Lehre vertreten, doch alle wurden vom Vatikan offiziell eingeladen. Frigerio spricht von „diabolischen Positionen“, denen die Tür geöffnet und daß „große Verwirrung gestiftet wird“ zu Grundsätzen, „die kompromißlos zu verteidigen wären“. „Was für ein Schmerz und ein Leiden ist es, was für eine Schande, das Antlitz der Wahrheit so entstellt und relativiert zu sehen durch die Kirche selbst, die inzwischen bereit ist, den Menschen für ein Linsengericht der Verwirrung und der Gewalt der Mächtigen auszuliefern, um einen falschen Frieden zu gewinnen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/Mil/Sexuelle Gesundheit Schweiz/Christianheadlines.com (Screenshots)
Diese Tagung ist ein unübersehbares Signal für die Abkehr der Kirche, wenn man sie in diesem Zustand noch als eine solche bezeichnen kann, von dem 5. Gebot. Und sicher wird man in der üblichen Weise die Tagung damit rechtfertigen, dass eine „breite, offene Diskussion“ notwendig sei und man sich nur der gesellschaftlichen und der medizinischen Praxis stelle. Die Entwicklung hin zur Relativierung des 5. Gebots kommt nicht überraschend, wenn man einmal die anthropozentrische Kehrtwende, eine Frucht des letzten Konzils, und zum anderen die Argumentation aus der Kirche selbst zur Euthanasie in der letzten Zeit näher betrachtet. Dank dieser Kehrtwende hat die Kirche unter Bergoglio im Konsens mit der Politik die Rettung des Planeten zu ihrem prioritären Anliegen gemacht. So folgt die Kirche den meinungsbildenden Klimaexperten, dass der Mensch der große Feind des Planeten ist, sodass Geburtenkontrolle in jeder Form ihre Zustimmung finden wird und in der Praxis schon an vielen Orten findet. Von Kardinal Marx wurde kürzlich in einer “kritischen Stellungnahme“ zur Euthanasie in Pflegeinrichtungen eines katholischen Ordens in Belgien nicht mit dem 5. Gebot argumentiert, sondern mit dem möglichen Missbrauch und den negativen Begleiterscheinungen der Euthanasie wie z.B. der, dass ältere Menschen sich angesichts der Euthanasiegesetzgebung gedrängt fühlen könnten, den Erwartungen ihrer Umgebung zu entsprechen und Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, d.h. sich töten zu lassen. Mit anderen Worten, so muss man wohl schlussfolgern, würden diese negativen Folgen der Euthanasie entfallen, so könnte die Euthanasie, wie es dann immer heißen würde, nur für bestimmte Sonderfälle eine Lösung sein.
Hier in der Niederlanden ist Euthanasie jetzt ziemlich normal. Wenn man das nicht will ist man eine Ausnahme. Und auch die Geistlichkeit tut nicht genuegend dagegen. Man will hier keine alte und kranke Leute, weil zu teuer.