Zur Lage der Kirche – Frage 19

Vom rechten Umgang mit dem Reichtum


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Fra­ge: Was wür­de das auf die deutsch­spra­chi­gen Län­der bezo­gen kon­kret bedeuten?

Ant­wort: Für die mei­sten Men­schen inner­halb wie außer­halb der Kir­che ist in den DACH-Län­dern der nicht ganz unbe­rech­tig­te Ein­druck ent­stan­den, daß im Lau­fe der letz­ten Jahr­zehn­te die Kir­che mehr und mehr zu einer Art mul­ti­na­tio­na­lem Groß­kon­zern mutiert ist, der es haupt­säch­lich um Gewinn­ma­xi­mie­rung geht, wäh­rend ihre eigent­li­che Auf­ga­be zuneh­mend in den Hin­ter­grund rück­te. Das Geld der Kir­che wird, so der kor­rek­te Ein­druck, nicht in erster Linie für die Ver­brei­tung des katho­li­schen Glau­bens in all sei­nen Facet­ten aus­ge­ge­ben, son­dern irgend­wie belie­big, zum rei­nen Selbst­er­halt und im letz­ten reich­lich will­kür­lich. Es ist sozu­sa­gen nicht mehr zweck­ge­bun­den, und man schafft sich Posten, um durch sie bezahlt zu wer­den, nicht um den katho­li­schen Glau­ben zu för­dern und zu ver­brei­ten. Die Kir­che wäre also an nichts ärmer, wenn es man­che (meist sehr gut) bezahl­te Stel­le nicht gäbe. Das Pro­blem ist dabei nicht, daß die Kir­che Geld hat, wobei das nur sehr par­ti­ell stimmt, denn inner­halb der (zumin­dest in den deutsch­spra­chi­gen Län­dern) rei­chen Kir­che wer­den die Kon­ten dann doch wie­der sehr genau und scharf getrennt, sodaß es tat­säch­lich auch in der Kir­che man­chen Ordens­ge­mein­schaf­ten oder auch ande­ren Gemein­schaf­ten, Pfar­rei­en und Ein­zel­per­so­nen wirk­lich sogar am Aller­nö­tig­sten man­gelt, und inner­halb der Kir­che die Rei­chen oft­mals die Armen sich nicht ein­mal von dem ernäh­ren las­sen, was bei ihren aus­la­den­den Ban­ket­ten vom Tische fällt, um im Bild des Evan­ge­li­ums zu blei­ben. Was von man­chen Kle­ri­kern und Kir­chen­funk­tio­nä­ren an der angeb­lich so bösen Wirt­schafts­welt immer beklagt wird, fin­det sich min­de­stens eben­so scharf in der Kir­che selbst wie­der, und so beob­ach­ten wir, daß sich in der Kir­che all­mäh­lich das­sel­be Ungleich­ge­wicht ent­wickelt, wie wir es inner­halb der Welt­staa­ten fin­den: Die Rei­chen schaf­fen sich durch Ein­satz ihrer finan­zi­el­len Res­sour­cen noch mehr Reich­tum, der dann wie­der­um mehr Reich­tum ein­bringt, und für die Ärme­ren bleibt dann sozu­sa­gen nichts mehr übrig, weil sie es sich erst gar nicht lei­sten kön­nen, gewinn­brin­gend zu inve­stie­ren, und von einem Tag zum ande­ren wirt­schaf­ten müs­sen, um irgend­wie über die Run­den zu kom­men. Davon sind in man­chen Regio­nen der Schweiz bei­spiels­wei­se ganz kon­kret klei­ne Pfar­rei­en betrof­fen, die kaum mehr über­le­ben kön­nen, wäh­rend die mitt­le­ren (anstatt der klei­nen) sub­ven­tio­niert wer­den, die dadurch von mit­tel­stän­di­schen zu rei­chen Pfar­rei­en wer­den, und die gro­ßen und rei­chen Pfar­rei­en am Ende das Jah­res das Pro­blem haben, wie sie noch genug Geld für die ein­zel­nen Bud­get­po­sten aus­ge­ben kön­nen, damit das Bud­get für das kom­men­de Jahr wie­der stimmt und nicht run­ter­ge­setzt wird. Dann macht man irgend­ei­nen Unsinn mit dem Geld, nur um es aus­zu­ge­ben. Die ganz Rei­chen und die ganz Armen sind da oft wirk­lich sehr nahe neben­ein­an­der, aber das kirch­li­che Finanz­sy­stem, das sich heraus­ent­wickelt hat, ist der­ma­ßen starr und steif, daß ein ver­nünf­ti­ges Wirt­schaf­ten erstaun­lich unmög­lich erscheint. Wenn man sieht, wo und wofür unbe­grenzt Geld da ist und wo nichts, muß man sich schon manch­mal die Fra­ge nach der Bös­ar­tig­keit eines Finanz­sy­stems stel­len, auch inner­halb der Kirche.

Das Pro­blem ist also nicht, daß es in der Kir­che Reich­tum gibt, son­dern viel eher sind es drei ande­re Pro­ble­me in die­sem Zusam­men­hang, die gro­ße Sor­ge machen: Wie kommt man zu die­sem Reich­tum? Wie setzt man ihn ein? Wie wird er verteilt?

Zum ersten ist zu sagen, daß die deut­sche und schwei­ze­ri­sche Kir­chen­steu­er bzw. der Kir­chen­bei­trag in Öster­reich sich unterm Strich nega­tiv auf das Glau­bens- und Kir­chen­ver­ständ­nis aus­ge­wirkt haben: Wer zahlt, ist katho­lisch, wer nicht zahlt, ist nicht Glied der katho­li­schen Kir­che und daher exkom­mu­ni­ziert. So wird das letzt­lich auch in der Pra­xis gehand­habt, jeden­falls dort, wo man die Vor­ga­ben genau ein­hält. Auch der Brief, den man nach einem Kir­chen­aus­tritt vie­ler­orts zuge­schickt bekommt, sug­ge­riert genau die­ses, obwohl es im Jahr 2006 durch den Hei­li­gen Stuhl selbst fest­ge­stellt wur­de, daß dem nicht so ist. Doch dies wur­de auf diö­ze­saner Ebe­ne nie umgesetzt.

Dem durch­schnitt­li­chen Ver­ständ­nis nach füh­len sich die Katho­li­ken nicht als Glie­der der Kir­che, son­dern als deren Mit­glie­der, ähn­lich einem Ver­ein. Das ist fatal und zu kor­ri­gie­ren, denn durch die Zah­lung des jähr­li­chen Bei­tra­ges fühlt man sich „berech­tigt“, gewis­se „Dienst­lei­stun­gen“ bei Bedarf in Anspruch zu neh­men, wie etwa Begräb­nis­se, Fir­mun­gen und Tau­fen, die Über­nah­me des Paten­am­tes sowie den auto­ma­ti­schen und bedin­gungs­lo­sen Zugang zur Hl. Kom­mu­ni­on. In Wirk­lich­keit ist man aber katho­lisch, wenn man getauft ist und den unver­kürz­ten und unver­än­der­ten katho­li­schen Glau­ben hat – unab­hän­gig von etwa­igen finan­zi­el­len Lei­stun­gen. An die­sem grund­sätz­li­chen Fehl­ver­ständ­nis hat das Kir­chen­steu­er­sy­stem auch mit Schuld, neben man­geln­der kate­che­ti­scher Unterweisung.

Es ist nicht logisch und auch nicht der kirch­li­chen Leh­re ent­spre­chend, daß jemand bei­spiels­wei­se ein katho­li­sches Begräb­nis erhält, der zwar jähr­lich sei­nen Bei­trag bezahlt hat, aber nicht gläu­big war und wesent­li­che Tei­le der katho­li­schen Leh­re abge­lehnt hat, wäh­rend jemand, der aus der Kir­che aus­ge­tre­ten ist, aber die katho­li­schen Glau­bens­wahr­hei­ten ange­nom­men hat und am kirch­li­chen Leben stets teil­nimmt, etwa durch den sonn­täg­li­chen Kirch­gang, Rosen­kranz betet, und sonst „gut katho­lisch“ ist, weder Pate wer­den kann noch zu kirch­li­chen Ämtern zuge­las­sen wird, geschwei­ge denn Anspruch auf eine katho­li­sche Bestat­tung hat.

Hier ist eine unge­rech­te Schief­la­ge, die nicht nur dem katho­li­schen Selbst­ver­ständ­nis wider­spricht, son­dern tat­säch­lich den Ein­druck erweckt, die Kir­che hand­le gewinn­ori­en­tiert wie ein Groß­kon­zern: Was zählt, ist allein das Geld, so scheint es und viel­fach ist es wohl auch tat­säch­lich so.

Was das zwei­te Pro­blem anbe­langt, so ist dazu zu sagen, daß vie­le Bis­tü­mer es über Jahr­zehn­te hin­weg, sozu­sa­gen in den „fet­ten Jah­ren“, ver­ab­säumt haben, das Geld gewinn­brin­gend so anzu­le­gen, daß es auch auf mit­tel- und län­ger­fri­sti­ge Sicht selbst wie­der Gewinn abwirft. Anstatt des­sen hat man gera­de in Deutsch­land und Öster­reich rie­si­ge Ver­wal­tungs­ap­pa­ra­te auf­ge­baut, unzäh­li­ge über­flüs­si­ge Initia­ti­ven und oft mehr als frag­wür­di­ge Aktio­nen finan­ziert und viel zu vie­le Ange­stell­te ein­ge­stellt. Man­ches davon war wohl durch­aus sinn­voll oder not­wen­dig, aber sehr vie­les eben auch nicht. Etli­ches davon hat dem Glau­bens­le­ben der Bevöl­ke­rung ent­we­der nichts gebracht, oder ihm sogar gescha­det. Wie vie­le Insti­tu­tio­nen und kirch­li­che Ange­stell­te ver­brei­ten eine ande­re Leh­re als die der katho­li­schen Kir­che, und wie vie­le Kir­chen hat man um teu­res Geld teils wirk­lich ver­un­stal­tet, um nur eini­ge Bei­spie­le zu benennen.

Vie­les scheint es nur zum rei­nen Selbst­er­halt zu geben, und so man­che Bro­schü­re und Akti­on erweckt den star­ken Ein­druck, mehr eine Recht­fer­ti­gung der eige­nen Exi­stenz zu sein als eine wirk­li­che Not­wen­dig­keit oder ein Gewinn für die All­ge­mein­heit. Für alles Mög­li­che und Unmög­li­che gibt es heu­te ein Büro oder eine Kom­mis­si­on, aber der Glau­be schwin­det zuse­hends in der Bevöl­ke­rung. Oft zahlt man für etwas, das nicht nur kei­nen Nut­zen hat, son­dern gar Scha­den ver­ur­sacht. Das muß einen zum Nach­den­ken anre­gen, und vor allem auch zu Korrekturen.

Jetzt, da die Geld­mit­tel lang­sam sin­ken wer­den, steht man vor dem Pro­blem: Wie erhält man das alles? Wie kann man die zahl­rei­chen Ange­stell­ten wei­ter­hin bezah­len – vor allem wenn man bedenkt, daß vie­le Stel­len eigent­lich gar nicht nötig sind und waren? Die Kir­che ist immer­hin der zweit­größ­te Arbeit­ge­ber nach dem Staat. Nach einer Pha­se des Auf­baus, wäh­rend dem man das Geld teils unbe­dacht aus­gab und man sich Lasten auf­bau­te, die man nun nicht mehr zu tra­gen imstan­de ist, wird es unwei­ger­lich zu Ein­spa­run­gen und Abbau­maß­nah­men kom­men müs­sen. Nur zeich­net sich bereits ab, daß man auch hier wie­der an der fal­schen Stel­le den Rot­stift ansetzt. Die Coro­na­kri­se hat jeden­falls bereits gezeigt, daß man sich ein viel zu ver­wund­ba­res System auf­ge­baut hat, das schnell ein­stür­zen kann. Hät­te man das Geld ver­nünf­ti­ger ange­legt, hät­te man wohl klei­ne­re kirch­li­che Appa­ra­te, dafür wären sie sta­bi­ler und abgesichert.

In der Schweiz ist das ein wenig anders, weil das Geld nicht an die Bis­tü­mer geht, aber auch dort sind über die Kirch­ge­mein­den und die Lan­des­kir­che vie­le Gel­der in unnüt­ze Pro­jek­te geflos­sen, die teils wirk­lich mas­siv gegen den katho­li­schen Glau­ben arbeiten.

Der drit­te Punkt ist bereits etwas ange­klun­gen: Beson­ders klei­ne und jun­ge Orden oder ande­re Gemein­schaf­ten müs­sen teils hart um ihr Über­le­ben kämp­fen, weil sie nicht von der sat­ten Kir­chen­steu­er pro­fi­tie­ren. Wäh­rend die Mut­ter Kir­che oft den „frem­den Kin­dern“ sehr groß­zü­gi­ge Geschen­ke und Zuwen­dun­gen macht, beson­ders wenn sie poli­tisch in das Bild pas­sen oder es einen Eigen­nutz gibt (bei­spiels­wei­se die kräf­ti­ge Mit­fi­nan­zie­rung der poli­tisch, diplo­ma­tisch wie huma­ni­tär mehr als frag­wür­di­gen Orga­ni­sa­ti­on Sea-Eye bzw. des Kaufs des Schif­fes Sea-Watch), gehen die „eige­nen Kin­der“ oft­mals leer aus und sehen kei­ne Brot­kru­me aus dem rei­chen Über­fluß, der eben lie­ber woan­ders hin­geht. Es gäbe sehr vie­le wirk­lich gute Initia­ti­ven und Ideen, die voll­kom­men im Glau­ben der Kir­che ver­an­kert sind und einen Auf­schwung ver­hei­ßen, die jedoch nie­mals zu einer Ver­wirk­li­chung gekom­men sind, weil die Geld­mit­tel dazu angeb­lich nicht da waren und von kirch­li­cher Sei­te auch kei­ne Unter­stüt­zung kam. Da ist wirk­lich eine gro­ße Unge­rech­tig­keit in der Ver­tei­lung des Reich­tums auch inner­halb der Kir­che zu orten.

Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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