
Das Erzbistum La Plata, die zweitwichtigste Diözese Argentiniens, brachte es innerhalb weniger Jahre auf drei emeritierte Oberhirten. Nun wurde nach sechs Monaten der Sedisvakanz von Papst Franziskus ein neuer, vierter lebender und künftig regierender Erzbischof ernannt. Dabei wäre der älteste noch bei bester Gesundheit und mahnte vor wenigen Tagen in Richtung Buenos Aires und Santa Marta, daß die Progressiven in die Jahre gekommen seien und „die Jungen zur Tradition zurückkehren wollen“.
1 Erzbischof Hector Rubén Aguer
La Plata hatte geordnete Verhältnisse und innere Stabilität. Von 2000 bis 2018 wurde das Erzbistum von Msgr. Hector Rubén Aguer geleitet, dem innerargentinischen Gegenspieler von Jorge Mario Bergoglio, dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires. Beide Prälaten waren in den 90er Jahren Weihbischöfe von Antonio Kardinal Quarracino, der von 1990 bis 1998 das Erzbistum Buenos Aires leitete. Zuvor war Quarracino, der 1991 in den Kardinalsstand erhoben wurde, Erzbischof von La Plata gewesen.
Quarracino bevorzugte aus bis heute nicht bekannten Gründen nicht Aguer, sondern Bergoglio als seinen Nachfolger. Dieser wurde, um die Nachfolge sicherzustellen, 1997 zu Quarracinos Erzbischofs-Koadjutor mit Nachfolgerecht ernannt. Aguer hingegen wurde 1998 Koadjutor mit Nachfolgerecht des Erzbischofs von La Plata. Von dort aus führte er in den folgenden Jahren die nicht-bergoglianische Minderheit im argentinischen Episkopat an, doch Bergoglio hatte als Erzbischof von Buenos Aires immer die Nase vorne: Bergoglio war Primas von Argentinien, wurde Kardinal, konnte als solcher am Konklave teilnehmen und wurde schließlich zum Papst gewählt.
Während Franziskus nach seiner Wahl mit der Aguer-Fraktion im argentinischen Episkopat schnell und radikal aufräumte, beließ er Aguer selbst zumindest bis zu dessen 75. Lebensjahr im Amt. Allerdings auch keinen Tag länger.

Um seinen historischen Rivalen seine Macht spüren zu lassen, emeritierte er ihn 2018 nicht nur, sondern ernannte einen Nachfolger, der für Aguer in jeder Hinsicht eine Ohrfeige war, nämlich Victor Manuel Fernández, genannt „Tucho“, der seit Ende der 90er Jahre der Redenschreiber und engste Berater Bergoglios ist.
Ob emeritiert oder nicht: Msgr. Aguer erhebt seine Stimme, immer mit deutlichen Worten, für das Lebensrecht ungeborener Kinder, gegen die „Kultur der Unzucht“ und indem er das von Franziskus unterstützte progressive Tabu Angelelli bricht.
2 Erzbischof Victor Manuel „Tucho“ Fernández
Tucho Fernández, der Theologe des „mystischen Orgasmus“ und der „Kunst des Küssens“, sollte als Erzbischof in La Plata aber nur „zwischengeparkt“ werden. Franziskus hatte ihn bereits 2017 als Wunschnachfolger von Kardinal Gerhard Müller vorgesehen, dann den gewagten Schritt aber doch nicht gewagt. Immerhin war es Kardinal Müller selbst, der als Glaubenspräfekt erst 2016 den Hauptberater von Franziskus als „häretisch“ bezeichnet hatte.
Hauptgrund für den Rückzieher sei gewesen, wie es dann hieß, daß Fernández keine Erfahrung als Oberhirte hatte. Er war Titularerzbischof, weil Franziskus ihm diese Würde zuerkannt hatte, um allen Kritikern, die „Tucho“ vorwarfen, ein theologisches Leichtgewicht zu sein, unmißverständlich zu signalisieren, daß er hinter seinem Schützling steht. Vor allem aber, was weit glaubwürdiger ist, sei Franziskus von seiner Idee abgerückt, weil sein Vorgänger Benedikt XVI. noch lebte und der Übergang von einem theologischen Großkaliber wie Kardinal Müller zu eklatant und daher riskant für Franziskus eingeschätzt worden war.
So bekam Fernández das Erzbistum La Plata und Franziskus konnte mit dieser B‑Variante immerhin seinem argentinischen Erzrivalen Aguer noch eins auswischen. Fernández schlug dann schnell eine Schneise in das Bistum, wie sie grüne Klima-Fanatiker durch gesunde Wälder schlagen für den Bau von ökonomisch wie ökologisch zweifelhaften Windrädern. So verbot er die Zelebration im überlieferten Ritus in seinem Bistum lange vor Traditionis custodes. Tucho Fernández wußte eben schon, was Santa Marta vorbereitete. Sein Vorgänger Aguer zögerte nicht, dies als „beklagenswerten Rückschlag“ zu tadeln.

Dann war es soweit. Schon im Vorjahr hatte man in Santa Marta aufmerksam registriert, daß die Kräfte Benedikts XVI. rapide nachließen und von ihm kein Widerstand mehr zu befürchten war. In Santa Marta war man tatsächlich jahrelang besorgt, daß Benedikt, wenn nicht aus Eigeninitiative, so doch von anderen an die Spitze einer anti-bergoglianischen Bewegung gesetzt werden könnte.
Im Juni 2022 wagte Franziskus dann den Schritt und ernannte seinen Augapfel Tucho Fernández zum neuen Glaubenspräfekten der katholischen Kirche, obwohl Benedikt noch lebte. Daß damit ein personeller Tiefpunkt an der Spitze der Glaubenskongregation erreicht wurde, darin ist man sich richtungsübergreifend in der Kirche erstaunlich einig. Auf der progressiven Seite finden das einige gar nicht so schlecht, da man Bergoglios „List“ bewundert, das bestimmten Kreisen zutiefst verhaßte Amt auf solche Weise zu demontieren, ohne es abzuschaffen.
3 Erzbischof Gabriel Antonio Mestre
Für La Plata bedeutete das, daß das Erzbistum bereits zwei emeritierte Erzbischöfe hatte und ein neuer Erzbischof gesucht werden mußte. Diese Aufgabe, für die es das Bischofsdikasterium und die Nuntien gibt, übernimmt Franziskus gerne in Eigenregie, insbesondere in seinem Argentinien.
Da der Wechsel von Fernández von langer Hand vorbereitet war, erfolgte auch die Ernennung eines Nachfolgers für La Plata zügig. Vier Wochen nach Tuchos Beförderung, ernannte Franziskus Msgr. Gabriel Antonio Mestre, den Bischof von Mar del Plata, zum neuen Erzbischof. Doch nach nur acht Monaten mußte Mestre das Feld wieder räumen und seinen Rücktritt einreichen. Katholisches.info schrieb damals:
„Die Hintergründe offenbaren nicht nur in mehrerlei Hinsicht ein fatales Durcheinander, sondern auch Formen von Selbstüberschätzung und Versagen.“
Bergoglios eigenwillige Kandidatenauswahl rächte sich, denn Mestre war bis zu seiner Ernennung nur für sein „Wasserapostolat“ bekannt geworden, das sich darin äußerte, daß er sich gerne braungebrannt, mit entblößtem Oberkörper und in Badehose an den Badestränden nicht nur seiner Diözese ablichten hatte lassen. Die bergoglianische Presse beschönigte diese episkopale Körperkultur als ganz von Franziskus durchdrungene Pastoral unter den Armen und an den Rändern. „Diese wußten nun zumindest, daß ihr Bischof schwimmen kann“, so Katholisches.info im Mai 2024. Bei seiner Amtseinführung versuchte Mestre mit dem besonders „geistreichen“ theologischen Bonmot zu punkten, indem er erklärte, Jesus sei „der erste Feminist“ gewesen.

Der argentinische Blogger Caminante Wanderer, bestens mit den Verhältnissen in der Heimat des Papstes vertraut, kommentierte die Personalpolitik von Franziskus so:
„Die Ernannten sind immer Leute, denen es an den Mindestvoraussetzungen der Klugheit, der Weisheit, der Leitung und der Frömmigkeit fehlt. Und das Ergebnis kann nur Chaos sein: Aus nichts kann nichts entstehen.“
Die Probleme, die sich schnell zeigten, hatten nicht nur, aber vor allem mit seiner früheren Diözese Mar del Plata zu tun, wo Mestre weiterhin hineinzuregieren versuchte. Am 27. Mai 2024 nahm Franziskus Mestres Rücktritt an, zu dem ihn der Papst persönlich gedrängt hatte. Das Erzbistum La Plata hatte also bereits drei emeritierte Erzbischöfe, von denen nur einer in seinen Äußerungen verläßlich und solide auf dem Boden der katholischen Glaubenslehre steht.
Da Rom keine Gründe für die Emeritierung nannte, gab es zahlreiche Spekulationen, auch über Zusammenhänge mit Konflikten in der Nachbardiözese. Denn parallel hatte Franziskus auch mit seinen Bischofsernennungen für das Bistum Mar del Plata, ein Suffraganbistum der Erzdiözese La Plata, Schiffbruch erlitten, und das gleich zweifach. Im November 2023 ernannte er Msgr. José María Baliña, Weihbischof von Buenos Aires, zum Nachfolger Mestres als Bischof von Mar del Plata. Keine drei Wochen später, noch vor der Inthronisation, wurden im Bistum ältere Mißbrauchsvorwürfe laut, und Baliña, der sich nicht die Finger verbrennen wollte, suchte lieber das Weite. Er bat um Entbindung und kehrte nach Buenos Aires zurück. Franziskus ernannte darauf den Claretiner Gustavo Manuel Larrazábal, Weihbischof von San Juan de Cuyo, zum Bischof von Mar del Plata, doch auch er warf nach nur einem Monat und noch vor der Amtseinführung das Handtuch. Beide sind seither wieder als Weihbischöfe in ihren früheren Diözesen tätig.
Im Hintergrund soll Mestre die genannten Bischofsernennungen hintertrieben haben, weil er seinen bisherigen Generalvikar als Wunschnachfolger installieren wollte. Als diese Zusammenhänge zu offensichtlich wurden – und Franziskus bekanntlich eines gar nicht mag, daß andere sich in seine Sachen einmischen – zog der Papst schließlich die Reißleine und setzte Mestre ab.
4 Erzbischof Gustavo Oscar Carrara
Während Mar del Plata seit 16 Monaten keinen Bischof mehr hat, ernannte Franziskus gestern den vierten lebenden Erzbischof für die Erzdiözese La Plata: Msgr. Gustavo Oscar Carrara wird demnächst den Bischofsstuhl einnehmen.
Der 51jährige Prälat gilt als „ganzer“ Bergoglianer. Er wurde 1998 von Bergoglio zum Priester geweiht. Unter ihm war er Diözesanjugendseelsorger und Dekan des Priesterrats von Buenos Aires. Franziskus ernannte ihn 2017 zum Weihbischof von Buenos Aires. Victor Manuel Fernández war sein Ko-Konsekrator bei der Bischofsweihe. Seit 2012, also noch von Erzbischof Bergoglio eingesetzt, war Carrara bis jetzt Bischofsvikar für die Villas, die durch ungeregelte Ansiedlung seit der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre, vor allem aber seit den 70er Jahren entstandenen Armenviertel von Buenos Aires, die im Denken Jorge Mario Bergoglios eine besondere, verklärte Rolle spielen.

Erst in der vergangenen Woche war Carrara bei der Herbstvollversammlung der Argentinischen Bischofskonferenz als Vorsitzender der Caritas-Kommission, der begehrtesten, da finanziell bestausgestatteten und medial prestigeträchtigsten Kommission, installiert worden. Dabei hatte die Mehrheit überraschend einen unbekannten patagonischen Bischof gewählt. Katholisches.info berichtete. Die sogenannten Villeros-Bischöfe waren entsetzt, daß ihnen diese Machtposition entglitt, und übten so massiven „synodalen“ Druck aus, bis der Patagonier zurücktrat und der Villeros-Bischof Carrara durchgesetzt werden konnte. Wie war das noch mit Seilschaften und Lobbys? Mit der Ernennung Carraras zum neuen Erzbischof von La Plata bekräftigte Franziskus, daß er dieses „mafiöse“ Vorgehen unterstützt. Carrara ist ganz ein Kandidat nach dem Geschmack des regierenden Papstes.
Die Sedisvakanz und das Durcheinander der letzten Monate dürften in La Plata nun ein Ende haben. Zumindest das. Dabei könnte Msgr. Aguer, der bei bester Gesundheit ist, das Erzbistum noch heute leiten, und man hätte sich die ganzen Konsequenzen seiner Emeritierung erspart. Doch dafür standen in Santa Marta tiefsitzende Abneigungen im Weg, und man versteht warum: Erst vor wenigen Tagen legte Erzbischof Aguer auf der Nachrichtenseite Adoracíon y Liberación eine Analyse der aktuellen Entwicklung vor, die inzwischen von weiteren Medien veröffentlicht wurde. Darin weist er den Episkopat und auch Santa Marta sehr differenziert, aber mit deutlicher Botschaft darauf hin, daß „die Progressiven“ in die Jahre gekommen sind, während „die Jungen zur Tradition zurückkehren wollen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana/MiL/Erzdiözese La PlataVaticanNews (Screenshots)