(Buenos Aires) Zwei Tage nach dem Amtsende als Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien, beginnen sich neue Aufgaben für Msgr. Victor Manuel Fernandez abzuzeichnen. Der umstrittene Ghostwriter des Papstes soll Indiskretionen zufolge neuer Erzbischof von La Plata werden. Eine weitere Ernennung, der nicht die sprichwörtliche „Spitze“ fehlt. In La Plata versichert man hartnäckig, daß die Glocken der Kathedrale als einzige im ganzen Land am 13. März 2013 nicht geläutet haben, als in Rom die Wahl von Papst Franziskus bekanntgegeben wurde.
Am 25. April erfolgte an der Universität die Amtsübergabe an den neuen Rektor. Anfang Mai ist der offizielle Festakt mit Angelobung vorgesehen. Manche stellten sich in den vergangenen Tagen mit einigem Bangen die Frage, welches Amt Papst Franziskus dem scheidenden Rektor Msgr. Fernandez übertragen wird.
Victor Manuel Fernandez, genannt „Tucho“, ist ein Protegé von Papst Franziskus und dessen Ghostwriter schon aus der Zeit, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war.
Argentinische Medien sehen die Zukunft von Fernandez an der Spitze des Erzbistums La Plata, das nach Buenos Aires in der argentinischen Hierarchie an zweiter Stelle steht. La Plata ist jedoch weit mehr: Es ist der Hauptsitz von Bergoglios Gegenspieler in Argentinien.
Die Tageszeitung El Día titelte am Markustag:
„Es gibt bereits einen Kandidaten für die Nachfolge von Msgr. Aguer als Erzbischof von La Plata. Der derzeitige Erzbischof tritt im Mai in den Ruhestand, und der dem Papst nahestehende Víctor Manuel Fernández wird bereits genannt“.
Schon im Februar war von einigen argentinischen Medien vorsichtig in diese Richtung spekuliert worden. El Día ist in der Sache durchaus ernst zu nehmen. Erzbischof Aguer schreibt dort eine regelmäßige Kolumne. Die Zeitung dürfte gut unterrichtet sein. Jedenfalls deutet der Bericht an, daß der amtierende Erzbischof nicht mit einer Verlängerung im Amt rechnet. Diesbezüglich ist Franziskus allerdings unberechenbar. In Personalfragen entscheidet er im Alleingang und nach seinen ganz eigenen Regeln.
Die Personalentscheidung am Rio de la Plata würde zwei Fliegen auf einen Streich erlegen. Der päpstliche Augapfel Fernandez, um den es zuletzt etwas ruhiger geworden war, würde einen weiteren Karrieresprung machen. Zugleich würde der wichtigste und vielleicht letzte noch verbliebene, nicht-bergoglianische Widerstandsposten im argentinischen Episkopat beseitigt.
Tabula rasa in Argentinien
Bekanntlich ist Papst Franziskus nachtragend. Das demonstrierte er am Beispiel von Victor Manuel Fernandez, indem er in Rom jene degradierte, entließ oder überging, die sich 2009 dessen Ernennung zum Rektor widersetzt hatten.
Franziskus demonstrierte es noch auf andere Weise. Als er zum Papst gewählt wurde, ging er konsequent und zügig gegen seine früheren Kritiker im argentinischen Episkopat, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war, vor. Emeritierungen von Bischöfen mit gleichzeitiger Ernennung von Bergoglianern zu Nachfolgern erfolgten in rascher Abfolge. Ein besonderer Fall ist Erzbischof José Luis Mollaghan, der von Benedikt XVI. ernannter Metropolit von Rosario und einer der namhaftesten Bischöfe des Landes. Er wurde 2014 in den Vatikan wegbefördert, was einer Verbannung aus Argentinien gleichkam. In Rom wartete lediglich ein Phantom-Amt auf ihn.
Den Grund nannte Elisabetta Piqué, die Papst-Freundin und Biographin in ihrem Buch „Franziskus, Leben und Revolution“. Erzbischof Mollaghan wird darin – zusammen mit einem weiteren Metropoliten – an erster Stelle unter den Bergoglio-Gegenspielern genannt. Der andere Erzbischof, den Piqué in ihrem im Oktober 2013 veröffentlichten Buch erwähnt, ist der noch amtierende Erzbischof von La Plata, Msgr. Hector Ruben Aguer.
Mollaghan und Aguer warfen dem seinerzeitigen Erzbischof von Buenos Aires und Primas von Argentinien vor, die katholische Glaubenslehre nicht ausreichend zu verteidigen, zu gewagte, überzogene oder unangemessene pastorale Gesten zu setzen und gegenüber der damaligen peronistischen Regierung des Ehepaars Kirchner zu nachgiebig zu sein.
Als der Kurs Benedikt XVI. und der Kurs Bergoglio kollidierten
Der Konflikt entbrannte gleich im Jahr der Wahl von Papst Benedikt XVI. Mit der Hilfe des damaligen Apostolischen Nuntius in Argentinien, Msgr. Adriano Bernardini, ging der deutsche Papst daran, durch Bischofsernennungen eine Kurskorrektur in der Kirche Argentiniens einzuleiten. Diese Absicht kreuzte sich aber mit dem Kurs von Kardinal Bergoglio, der bei Personalfragen ein entscheidendes Wort mitreden wollte.
Zu den Neuernannten von Benedikt XVI. gehörte auch Erzbischof Mollaghan. Die progressiven Bischöfe des Landes wurden hingegen nervös und wandten sich an Bergoglio. Die Folge war ein Dauerkonflikt mit dem damaligen Apostolischen Nuntius. Die Ernennung von Erzbischof Mollaghan war, laut InfoCatolica, nämlich unter Umgehung des Dreiervorschlags von Bergoglio erfolgt, der als Erzbischof von Buenos Aires für ganz Argentinien eine intensive Personalpolitik betrieb.
Ein Beispiel, um den Konflikt zu verdeutlichen: Während Bergoglio 2012 den von Rom abgemahnten galicischen Theologen Andrés Torres Queiruga, dem die Glaubenskongregation vorwarf, die Auferstehung Jesu Christi zu leugnen, weiterhin in seiner Diözese ungehindert sprechen ließ, verhängte Mallaghan für sein Erzbistum ein Auftrittsverbot.
Selbst zum Papst geworden, machte sich Bergoglio ans Werk, die durch Benedikt XVI. versuchte Kurskorrektur wieder rückgängig zu machen.
Der Bergoglianer Sergio Rubin bestätigte es im Sommer 2017:
„Es fand eine beispiellose Rücktrittswelle von Ortsbischöfen statt, seit Franziskus Papst ist.“
Zu den Rücktritten gehören auch Bergoglianer, die über Skandale strauchelten. Einen von ihm ernannten Bischof mußte Franziskus aus Argentinien abziehen. Obwohl er unter Beweis gestellt hatte, mit Geld nicht umgehen zu können, gab ihm Franziskus im Vatikan eine hochrangige Stelle in der Finanzverwaltung.
Bereits nach der Wegbeförderung Mallaghans schrieb im Mai 2014 der Vatikanist Sandro Magister über die Situation unter Argentiniens Metropoliten:
„Erzbischof Mollaghan wurde nun von Papst Franziskus versenkt. Nur Erzbischof Aguer von La Plata befindet sich noch an seinem Platz.“
Erzbischof Aguer, Bergoglios argentinischer Gegenspieler
Und das gilt noch heute. Im Mai wird Msgr. Aguer allerdings 75. Das kirchenrechtlich vorgeschrieben Rücktrittgesuch soll er bereits in Rom abgeliefert haben. Warum aber konnte der Hauptgegenspieler so lange im Amt bleiben? Die Antwort dürfte in einigen verblüffenden Parallelen in den Biographien der beiden Hierarchen zu finden sein, die zugleich den Richtungskampf dokumentieren.
Bergoglio und der sechseinhalb Jahre jüngere Aguer wurden in Buenos Aires geboren. Der eine wurde Jesuit, der andere Weltpriester. Im Gegensatz zu Bergoglio promovierte Aguer und wurde, neben seiner Pfarrseelsorge, Professor der Moraltheologie an der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien. Das war lange vor „Tucho“ Fernandez‘ Rektorat. Während dieser Zeit trug Bergoglio in der Gesellschaft Jesu jenen innerjesuitischen Streit aus, der im fernen Rom offenbar nicht ganz richtig interpretiert wurde.
An dieser Stelle beginnen die Parallelen. Im Frühjahr 1992 wurden sowohl Aguer (im Februar) als auch Bergoglio (im Mai) zu Weihbischöfen von Antonio Kardinal Quarrancino, dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires und Primas von Argentinien ernannt.
Kardinal Quarrancino und die schicksalshafte Weichenstellung
Quarrancino war 1962 von Johannes XXIII. zum Bischof von Nueve de Julio gemacht worden und als solcher zum Teilnehmer am Zweiten Vatikanischen Konzil. Dort und danach war er ein Vertreter des progressiven „Konzilsgeistes“ und unterstützte als einer der ersten Bischöfe die marxistisch geprägte Priesterbewegung für die Dritte Welt. Diese Bewegung fungierte im Land als Bindeglied zwischen Linksperonismus und kommunistischen Gruppen. Einem Milieu, in dem auch die Befreiungstheologie angesiedelt war. 1979 löste sie sich selbst auf, nachdem ein Großteil der darin organisierten Priester ihr Priestertum zugunsten des Marxismus aufgegeben hatte.
Quarrancino wurde in Rom von Johannes Paul II. dennoch geschätzt, weil er sich, trotz dieser Haltung, im Alter konservativeren Positionen annäherte. Das zählte damals sogar mehr als die Bedenken von Jesuitengeneral Kolvenbach gegen eine Ernennung Bergoglios zum Bischof.
Für Bergoglio wird seine Ernennung zum Weihbischof heute als „Wunder“ bezeichnet, da es seinem Leben, vom Orden ohne Aufgabe nach Cordoba verbannt, die entscheidende Wende gab. Nach einem tiefen Fall folgte ein kometenhafter Aufstieg.
Der argentinische Journalist und Papst-Biograph Sergio Rubin berichtete, daß Bergoglio 1990 bereits direkten Zugang zu Quarrancino hatte. Als Rubin den soeben neuernannten Erzbischof von Buenos Aires für ein Interview aufsuchte, stellte ihm Quarrancino bei dieser Gelegenheit Bergoglio vor, den Rubin bis dahin nicht gekannt hatte. Bergoglio war damals noch nach Cordoba verbannt.
Im Juni 1991 wurde Quarrancino von Johannes Paul II. zum Kardinal kreiert. Gleich darauf bat er Rom um Weihbischöfe. Gesichert ist, daß er ausdrücklich um die Ernennung Bergoglios bat.
Parallelen und Unterschiede
Aguer und Bergoglio trennte nicht nur der Umstand, daß der eine Weltpriester und der andere Jesuit war. Es ging um Grundsätzliches. 1997 fiel die Entscheidung. Kardinal Quarrancino erkrankte schwer, weshalb ihm ein Koadjutor zur Seite geben wurde. Würde die Wahl auf Aguer oder Bergoglio fallen? Wie man heute weiß, eine schicksalshafte Weichenstellung.
Quarrancino hatte sich zwar „konservativeren“ Positionen angenähert, aber Bergoglio stand ihm näher als der „konservative“ Aguer. Der heutige Papst machte das Rennen und wurde im Juni 1997 zum Erzbischof-Koadjutor mit Nachfolgerecht gemacht. Als Quarrancino am 28. Februar 1998 starb, folgte ihm Bergoglio automatisch im Amt nach. Damit saß er auf einem mit Purpur verbundenen Bischofsstuhl, das ihm damals – im Gegensatz zu seiner eigenen Ernennungspolitik – sicher war.
Aguer war unter dem neuen Erzbischof als Weihbischof nicht mehr erwünscht. Beide am selben Ort, war einer zuviel, weshalb Bergoglio seine Beförderung unterstützte. Aguer wurde im Juni 1998, wiederum eine Parallele, ebenfalls zum Erzbischof-Koadjutor mit Nachfolgerecht ernannt: für das Erzbistum La Plata, das Quarrancino innehatte, bevor er Erzbischof von Buenos Aires wurde.
In Summe waren die Würfel gefallen. Beide Weihbischöfe, die zwei Richtungen repräsentierten, waren Metropoliten geworden. Bergoglio stand aber einen Rang höher und sollte ab da immer einen Schritt voraus sein. Mit Buenos Aires war die Kardinalswürde verbunden, nicht mit La Plata. Sie ermöglichte Bergoglio 2005 und 2013 die Teilnahme am Konklave und die Wahl zum Kirchenoberhaupt.
Aguers Stimme
Erzbischof Aguer wurde hingegen zum herausragendsten Vertreter der konservativen Minderheit im argentinischen Episkopat. Wo der Primas von Buenos Aires schwieg, erhob Aguer seine Stimme. Eine Situation die sich seither mit Bergoglios Nachfolger, Kardinal Poli, wiederholt. Nur ein Beispiel: Aguer war es, der 2014 gegen den Plan der Regierung Kirchner protestierte, „mobile Abtreibungskliniken“ im Land einzurichten. „Abtreibung ist vorsätzlicher und direkter Mord“, so der Erzbischof. Eine Deutlichkeit, wie sie Franziskus in Sachen Lebensschutz auch schon am Rio de la Plata vermied.
Dennoch schien es kurzzeitig, als würde auch Aguer die Kardinalswürde erlangen. 2011 war er als Nachfolger von Kurienkardinal William Levada als Präfekt der Glaubenskongregation im Gespräch. Benedikt XVI. entschied sich für den damaligen Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller. Er ernannte Aguer aber persönlich zum Synodalen der Bischofssynode über Die Neuevangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens, nachdem er von der Argentinischen Bischofskonferenz, unter dem Vorsitz von Kardinal Bergoglio, nicht gewählt worden war.
Während Erzbischof Bergoglio im Kampf gegen die „Homo-Ehe“ die Schweiger im argentinischen Episkopat anführte, wurde Erzbischof Aguer von den „Tauben“ als Anführer der „Falken“ hingestellt. Im Sommer 2016, als Aguer in einer öffentlichen Stellungnahme die „Kultur der Unzucht“ mit ihrer „Banalisierung“ der Liebe und der Förderung eines „widernatürlichen“ oder „animalischen“ Verhaltens kritisierte, distanzierte sich die Bischofskonferenz von ihm.
Das Signal war deutlich: Der Umbau war soweit fortgeschritten, daß Aguer isoliert dastand.
Der Erzbischof von La Plata ist der einzige hochrangige argentinische Kirchenvertreter unter Bergoglios „Intimfeinden“, der noch in seinem Amt ist. Bald könnte er vom päpstlichen Ghostwriter ersetzt werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Politica/El Día/Clarín/
Es ist unkatholisch, wenn von oben nichts Gutes kommt.