Für den Papstvertrauten Paglia gilt „alles“, jenseits von Gut und Böse

Die Philosophie von Papst Franziskus


Kurienerzbischof Vincenzo Paglia erklärt die Philosophie von Papst Franziskus – und die läßt staunen
Kurienerzbischof Vincenzo Paglia erklärt die Philosophie von Papst Franziskus – und die läßt staunen

Was ist die Phi­lo­so­phie von Papst Fran­zis­kus? Die­se Fra­ge beant­wor­te­te einer sei­ner umtrie­big­sten und eng­sten Ver­trau­ten, Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, in einem Inter­view zur Ver­öf­fent­li­chung der Erklä­rung Digni­tas infi­ni­ta über die mensch­li­che Wür­de, die am Mon­tag durch das Glau­bens­dik­aste­ri­um erfolg­te. Ist Msgr. Paglia aber ein „maß­geb­li­cher“ Inter­pret, um der Welt die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus zu erklä­ren? Ja, sagt der Phi­lo­soph und Sozi­al­ethi­ker Ste­fa­no Fon­ta­na, Direk­tor des Inter­na­tio­nal Obser­va­to­ry Car­di­nal Van Thu­an for the Social Doc­tri­ne of the Church, begrün­det. Daher, so Fon­ta­na, ver­die­nen Pagli­as Aus­füh­run­gen beson­de­re Auf­merk­sam­keit, wenn man ver­ste­hen will, wie Fran­zis­kus denkt. Laut Msgr. Paglia sieht die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus weder Gegen­sät­ze noch „nicht ver­han­del­ba­re Wer­te“ vor, weil die­se eine natu­ra­li­sti­sche Sicht der Exi­stenz stö­ren, die ganz ohne das Chri­sten­tum auskommt.

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Zunächst aber ein Wort zu Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, der zu den unsäg­lich­sten der unsäg­li­chen Prä­la­ten gehört, mit denen sich Papst Fran­zis­kus bevor­zugt umgibt. Trotz sei­ner zahl­rei­chen „Pagli­ac­cia­te“ (Nar­ren­pos­sen) und ent­spre­chen­der Bit­ten und Auf­for­de­run­gen an den Papst, sich von ihm zu tren­nen, hält Fran­zis­kus unge­rührt an dem rang­ho­hen Ver­tre­ter der Gemein­schaft von Sant’Egidio fest. Immer­hin war es Msgr. Paglia, der seit 2016 im päpst­li­chen Auf­trag zwei von Johan­nes Paul II. gegrün­de­te Insti­tu­tio­nen für die „Kul­tur des Lebens“ bzw. die erwähn­ten „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“, die Päpst­li­che Aka­de­mie für das Leben und das Päpst­li­che Insti­tut Johan­nes Paul II. für Stu­di­en zu Ehe und Fami­lie, im berg­o­glia­ni­schen Sinn säu­ber­te und „auf Kurs“ brach­te.
Auf Msgr. Paglia geht die schwa­che Reak­ti­on des Hei­li­gen Stuhls auf den bei­spiel­lo­sen Tabu­bruch Frank­reichs zurück, ein „Recht“ auf Tötung unge­bo­re­ner Kin­der in der Ver­fas­sung zu ver­an­kern. Auf Msgr. Paglia geht eben­so das betre­te­ne Schwei­gen des Hei­li­gen Stuhls zum Jahr­hun­der­tur­teil des Ober­sten Gerichts­hofs der USA zurück, mit dem im Juni 2022 nach fast 50 Jah­ren das Abtrei­bungs­ur­teil Roe gegen Wade auf­ge­ho­ben wur­de. Msgr. Paglia war es, der das ver­ant­wor­tungs­lo­se Vati­kan­do­ku­ment unter­zeich­ne­te, mit dem im Dezem­ber 2020, im Sin­ne der Phar­ma­lob­by, die Coro­na-Imp­fung „zur mora­li­schen Pflicht“ erklärt wur­de. Msgr. Paglia war es auch, der Joe Biden 2020 Wahl­kampf­hil­fe lei­ste­te und dafür die Abtrei­bungs­fra­ge ent­sorg­te, weil die­se bei den Wah­len für Biden „schäd­lich“ sein konn­te. Msgr. Paglia öff­ne­te die Tore und schleu­ste Abtrei­bungs- und Eutha­na­sie­lob­by­isten und Über­be­völ­ke­rungs­ideo­lo­gen in den Vati­kan ein. Die Liste lie­ße sich lan­ge fort­set­zen. Hier nun aber die Ana­ly­se von Ste­fa­no Fon­ta­na zu Pagli­as Inter­view über die Phi­lo­so­phie von Papst Franziskus:

Das gestern ver­öf­fent­lich­te Inter­view von Msgr. Vin­cen­zo Paglia im Cor­rie­re del­la Sera: „Erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia: ‚Papst Fran­zis­kus mag kei­ne Eti­ket­ten, man muß das gan­ze Leben schüt­zen‘ “. Dazu gehört es auch, folgt man Msgr. Paglia, den Lebens­rechts­ge­dan­ken auf­zu­wei­chen und ad absur­dum zu führen.

Für Paglia gilt „alles behalten“, jenseits von Gut und Böse

Von Ste­fa­no Fontana*

Wer weiß, ob Mon­si­gno­re Vin­cen­zo Paglia die „Phi­lo­so­phie“ von Fran­zis­kus rich­tig wie­der­gibt? Nicht zuletzt des­halb, weil die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus sich kaum dazu eig­net, kor­rekt wie­der­ge­ge­ben zu wer­den… Es han­delt sich um eine Exi­stenz­phi­lo­so­phie, und es ist der Exi­stenz eigen, wenn sie von den Wesen­hei­ten getrennt ist, die uns sagen, was die Din­ge sind und was ihr Ziel oder Zweck ist, daß sie alles und das Gegen­teil von allem in sich trägt, wie die Ver­ur­tei­lung der Gen­der-Ideo­lo­gie und das gleich­zei­ti­ge Lob für Pater James Mar­tin [sie­he hier, Anm GN]. Sogar der Aus­druck „alles behal­ten“, ver­stan­den in einem exi­sten­ti­el­len Sinn und ohne Bezug auf Essen­zen, ist ledig­lich die Aus­sa­ge von mul­ti­plen De-fac­to-Bezie­hun­gen, ohne Hier­ar­chie und inner­halb derer man offen sein muß für alle, alle, alle. Paglia wur­de jedoch bestä­tigt, beför­dert und im Orga­ni­gramm der Aus­füh­ren­den der Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus in Schlüs­sel­po­si­tio­nen pla­ziert. Vie­le sei­ner lehr­mä­ßi­gen Unver­schämt­hei­ten wur­den nicht kor­ri­giert, sodaß, wenn jemand heu­te die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus kor­rekt wie­der­ge­ben kann, er es ist. In die­ser Hin­sicht kön­nen wir ihn als Auto­ri­tät betrachten.

Anläss­lich der Ver­öf­fent­li­chung der Erklä­rung Digni­tas infi­ni­ta gab Paglia dem Cor­rie­re del­la Sera ein Inter­view, in dem es um die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus geht. Das Herz­stück des Inter­views ist die­ser Satz:

„Fran­zis­kus ermahnt uns, das Leben in all sei­nen Facet­ten zu betrach­ten, ohne Wider­sprü­che. Es ist kein Zufall, daß der Papst den Aus­druck nicht ver­han­del­ba­re Wer­te nicht mehr ver­wen­det, um eine fal­sche Hier­ar­chie zu ver­mei­den, als ob eini­ge wich­ti­ger wären als ande­re. Man behält alles, bio­ethi­sche Fra­gen und sozia­le Fragen.“

Wie aus die­ser Pas­sa­ge her­vor­geht, besteht die Phi­lo­so­phie von Fran­zis­kus dar­in, alles, was exi­stiert, will­kom­men zu hei­ßen und anzu­neh­men („Das Leben in all sei­nen Facet­ten betrach­ten“, sagt Paglia), alle Nuan­cen des Lebens zu inte­grie­ren, den exi­sten­ti­el­len Situa­tio­nen nicht die Sicht einer Ord­nung auf­zu­drän­gen, son­dern jedem Men­schen und jedem Kon­text mit einem Geist des Will­kom­men­hei­ßens, der Ver­füg­bar­keit und der Offen­heit zu begeg­nen. Sich dem Leben im Respekt einer Ord­nung zu nähern wür­de die Inte­gra­ti­on ver­hin­dern, auf die jeder Anspruch hat, und die Mög­lich­keit der gegen­sei­ti­gen Begeg­nung, des Dia­logs, der Zusam­men­ar­beit und des Frie­dens beein­träch­ti­gen. Die­se Dimen­si­on der Exi­stenz, die der Sicht einer bestimm­ten Ord­nung vor­aus­geht, ist nichts ande­res als die Welt oder, wenn wir wol­len, die Säku­la­ri­tät, in der jeder lebt, bevor er eine Per­son eines bestimm­ten Typs ist. Von der Annah­me abzu­se­hen, daß wir Men­schen eines bestimm­ten Typs sind, ist ein säku­la­res exi­sten­ti­el­les Aprio­ri, das der Begeg­nung und der Inte­gra­ti­on beson­ders för­der­lich ist. Fran­zis­kus sag­te das in sei­ner Rede am 4. April auf einer Kon­fe­renz der Welt­re­li­gio­nen im Vatikan.

Dies erklärt das nega­ti­ve Urteil über „Wider­sprü­che“, das in dem Paglia-Inter­view zum Aus­druck kommt. Wider­sprü­che ent­ste­hen ange­sichts von Sicht­wei­sen, die Men­schen und Ereig­nis­se hier­ar­chi­sie­ren. Wahr und falsch, gut und böse, gerecht und unge­recht, Ver­der­ben und Erlö­sung… das sind Gegen­sät­ze, die sich jedoch abschwä­chen, wenn man es vor­zieht, auf das zu schau­en, was wir alle gemein­sam haben, näm­lich die Tat­sa­che, daß wir exi­stie­ren, daß wir uns in einer bestimm­ten Situa­ti­on befin­den, daß wir alle exi­sten­ti­ell Brü­der und Schwe­stern sind, nicht nur unter uns, son­dern auch mit den ande­ren Lebe­we­sen, von denen uns Gegen­sät­ze hin­ge­gen tren­nen wür­den. Jeder Mensch, so Paglia, befin­det sich in einer Situa­ti­on, und es ist schwie­rig, über ihn und sein Ver­hal­ten außer­halb die­ser Situa­ti­on zu urtei­len. Es gibt, so Paglia wei­ter, kei­ne all­ge­mein­gül­ti­gen Kate­go­rien, kei­ne immer oder für alle gül­ti­gen Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en, es bleibt nur, im Gewis­sen und im Dia­log eine von der Lebens­si­tua­ti­on aus­ge­hen­de Unter­schei­dung zu tref­fen, eine Unter­schei­dung, die, wenn auch immer nur vor­läu­fig, eini­ge beschei­de­ne Kri­te­ri­en her­vor­brin­gen kann, die zumin­dest mini­mal geteilt werden.

So ver­steht man auch die Ableh­nung der „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“, von der Paglia spricht. Aus der Unter­schei­dung, die von der Lebens­si­tua­ti­on aus­geht und kei­nen Anspruch erhebt, jemals zu etwas Bestimm­tem oder End­gül­ti­gem zu gelan­gen, las­sen sich kei­ne unver­äu­ßer­li­chen mora­li­schen Impe­ra­ti­ve ablei­ten. Es kann sein, daß man auf sie ver­zich­tet, aber nicht aus Respekt vor einer abso­lu­ten Norm, son­dern auf­grund einer Gewis­sens­ent­schei­dung. In jedem Fall muß, unab­hän­gig davon, wofür man sich immer ent­schei­det, nicht der Inhalt des­sen, wofür man sich ent­schie­den hat, aus­schlag­ge­bend sein, son­dern die gemein­sa­me Zuge­hö­rig­keit zu jenem exi­sten­ti­el­len Aprio­ri, das uns alle eint, näm­lich die Tat­sa­che, „im sel­ben Boot zu sit­zen“. Das wird alle Unter­schie­de der Sicht­wei­sen, die in der Unter­schei­dung gereift sind, in den Hin­ter­grund stel­len, ob Athe­isten oder The­isten, ob Hete­ro- oder Homo­se­xu­el­le, ob Abtrei­bungs­be­für­wor­ter oder Lebens­schüt­zer… und auf die­se Wei­se wird man wirk­lich alle ein­schlie­ßen kön­nen, ohne Unter­schied. Die Dok­trin trennt, die Pra­xis eint. Die Kir­che ist eine Grup­pe von „Ver­mitt­lern“.

Die­se Sicht der Din­ge ver­hin­dert schon jetzt mas­siv und wird in Zukunft immer mehr im Leben die Prä­senz von „sicht­ba­ren“ Katho­li­ken ver­hin­dern, weil sie Trä­ger einer „Sicht­wei­se“ sind. Wenn die welt­li­che Dimen­si­on, die Dimen­si­on der Säku­la­ri­tät, der Exi­stenz am besten geeig­net ist, die Men­schen anzu­neh­men und in einen Dia­log zu brin­gen, der sie von angeb­lich künst­li­chen „Gegen­sät­zen“ befreit, dann wird eine katho­li­sche Schu­le, ein katho­li­scher Ver­ein, ein katho­li­sches Kran­ken­haus, eine katho­li­sche Fami­lie, eine katho­li­sche Erzie­hung stö­ren. Auf die­se Wei­se keh­ren wir zum „Natu­ra­lis­mus“ zurück, für den die natür­li­che Ebe­ne – die hier aller­dings zur exi­sten­ti­el­len, säku­la­ren und welt­li­chen wird – sich selbst genügt und und das Chri­sten­tum viel­leicht nütz­lich, aber nicht unver­zicht­bar sein wird. Genau das hat Bene­dikt XVI. in Cari­tas in veri­ta­te (Nr. 4) zurückgewiesen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: NBQ/​Corriere del­la Sera (Screen­shot)

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2 Kommentare

  1. Das ist die Postu­la­ti­on tota­ler Anti­frei­heit. Ver­wun­dern kann das nicht. Doch wo das Chri­sten­tum in sol­chen, im Grun­de Natu­ra­lis­mus und (Holo-)Pantheismus, zurück­fällt, wer­den, wie schon ein­mal, ande­re über­neh­men. Auf die Tra­di­ti­on war­tet eine gewal­ti­ge Auf­ga­be. Gebe Gott, ihr wirk­sam beizustehen.

  2. Dass die Leh­re Chri­sti die Men­schen tren­nen wür­de, muss man sich auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen! Es ist wirk­lich tra­gisch oder bes­ser „tra­gi­ko­misch“, wel­che Leu­te sich hier anma­ßen einen neu­en Glau­ben zu ver­kün­den, der eben NICHT der Glau­be der Kir­che, son­dern eine höchst schrä­ge Pri­vat­an­sicht ist. Das gilt für Paglia – und für Fran­zis­kus lei­der auch. Er umgibt sich mit die­sen Leu­ten, för­dert sie und das spricht Bän­de. Von den umstrit­te­nen päpst­li­chen Äuße­run­gen ganz abgesehen.

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