Von Don Michael Gurtner*
Frage: Und das rechte Verhältnis von Kirche und Politik?
Antwort: Dies ist eine sehr allgemeine Frage, die, um der Sache gerecht zu werden, für jede konkrete Situation und Konstellation, d. h. für jedes Land und jede Zeit, eigens beantwortet werden müßte. Manchmal ist es ein notwendiges Übel, sich als Kirche einzumischen, sehr oft aber geht die Kirche hier zu weit und gibt überflüssige oder unqualifizierte Äußerungen ab, auch offizieller Natur, die sie sich besser gespart hätte. Aber einige Grundsätze kann man doch dazu sagen.
In Italien, Österreich, und noch viel mehr in Deutschland, betreibt die Kirche zuviel Politik, teils gar Parteipolitik. In der Schweiz ist es eher der Staat, der sich zu sehr in die Kirchenbelange einmischt, obwohl es auch dort Kirchenvertreter gibt, die in der schweizerischen Tagespolitik mitzumischen suchen, wo es nicht statthaft ist.
Jede dieser beiden Größen hat ihre eigene Legitimation und Freiheit, wenngleich es Bereiche gibt, die sich überschneiden. Von daher gibt es mitunter auch die moralische Verpflichtung der Kirche, zu manchen Themen Stellung zu nehmen und beispielsweise immer dann das allgemeingültige Naturrecht einzumahnen und zu verteidigen, wo dieses vom Staat außer acht gelassen und verletzt wird. Das ist zunächst einmal eine Verpflichtung der Kirche, aber weiter auch eine Verpflichtung aller natürlichen und juristischen Personen sowie aller Gruppen, Vereinigungen und Privatpersonen, die dazu in der Lage sind. Aber es muß immer unter der Wahrung der objektiven, durch die Offenbarung festgelegten Vorgaben sein. Dann kann eine politische Intervention der Kirche auf allen Ebenen, auch jener der Pfarrei, in Ausnahmesituationen mitunter auch zur Pflicht werden.
Das Politische darf jedoch nicht zum eigentlichen Zentrum werden, und wenn man kirchlicherseits eine politische Aussage tätigt, so muß dies zumindest im weitesten Sinn eine religiöse Bedeutung haben. Parteipolitik ist soweit als möglich völlig zu vermeiden, Es muß vielmehr eine inhaltliche Positionierung sein, auch wenn vielleicht dadurch klar wird, welche Parteien gemeint sind, und auch nur dort, wo es absolut nötig ist.
Allerdings muß die Kirche immer aufpassen, daß dies nicht ihr Hauptgeschäft wird, und hier muß man sich mitunter schon fragen, ob wir nicht teilweise viel zu tief ins politische Tagesgeschäft eingedrungen sind. Ganz besonders denke ich hierbei an Interviews von Bischöfen und die Pressekonferenzen bzw. Tagesordnungspunkte der Bischofskonferenzen. In manchen Ländern und Diözesen entsteht der wohl nicht ganz falsche Eindruck, die Kirche sei fast zu einer Art eigener Partei verkommen, deren Grundorientierung sehr weit links zu orten ist. Alles politische Agieren, auch wenn es mitunter löblich oder gar gefordert sein kann, muß immer dem eigentlichen und ersten Auftrag der Kirche, nämlich der Heiligung der Seelen, untergeordnet bleiben, und zwar sichtbar untergeordnet.
Des weiteren ist als Grundsatz zu beachten, daß in politischen Fragen für den einzelnen Katholiken, wenngleich immer innerhalb der Grenzen des Naturrechts, eine gewisse Bandbreite an legitimen Meinungen und Ansichten herrscht. Auch wenn bestimmte Denkweisen logischer und sinnvoller sein mögen, kann es moralisch dennoch legitim sein, eine andere Option zu präferieren. Hier muß man aufpassen, daß der Homo politicus, der in jedem von uns ein wenig steckt, bei den Kirchenmännern den Homo ecclesiasticus, der oft sehr viel schmächtiger ist, weil er weniger genährt wird, nicht totschlägt, und sie nicht ihre eigenen, persönlichen Meinungen mit theologischen Tricks als die moralisch oder dogmatisch einzig katholisch vertretbare Lösung präsentieren, wo dies vielleicht gar nicht der Fall ist.
Auch hier sehen wir in der Kirche derzeit ein Inversionsproblem: Vielfach gibt die Kirche, beispielsweise in Stellungnahmen der Bischofskonferenzen, aber auch auf anderen Ebenen, eine gemeinsame „katholische“ Grundlinie vor, wo die Gläubigen wirklich mit allem göttlichen und weltlichen Recht unterschiedlicher Auffassung sein können, wie etwa der Klimafrage, wo man teils sehr dogmatisch und moralisch geworden ist, ebenso in der sehr links angesiedelten Flüchtlingspolitik, während man in Bereichen, die nun wirklich göttlich genau vorgegeben sind, sehr elastisch und undefiniert ist und sich dem immer weiter öffnet. Daß hier auch in der Kirche etwas gewaltig schief liegt und verdreht ist, ist wirklich offensichtlich. Aber eben: Die Kirche wird mehr und mehr selbst zu Welt.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
- Zur Lage der Kirche – Frage 2
- Zur Lage der Kirche – Frage 3
- Zur Lage der Kirche – Frage 4
- Zur Lage der Kirche – Frage 5
- Zur Lage der Kirche – Frage 6
- Zur Lage der Kirche – Frage 7
- Zur Lage der Kirche – Frage 8
- Zur Lage der Kirche – Frage 9
- Zur Lage der Kirche – Frage 10
- Zur Lage der Kirche – Frage 11
- Zur Lage der Kirche – Frage 12
- Zur Lage der Kirche – Frage 13
Wenn Kirche als Kollektiv gedacht wird, in dem viele verschiedene Meinungen vorliegen, dann haben wir es mit einer weltlichen Kirche zu tun. Nicht mit der Kirche des Herrn.
Der Begriff homo politikus geht wohl auf die alten Griechen zurück. Platon nennt das Rethoriker. Ein Rethoriker ist einer, der die Kunst beherrscht, so zu reden, wie die Welt es hören will. Es ist jedoch die Aufgabe der Kirche des Herrn, die Wahrheit zu sagen, nicht das, was die Leute hören wollen. Dazu haben wir als Beistand den Heiligen Geist. Der heilige Geist zeigt uns, wo wir fehlgeleitet sind und deutet anschliessend auf Christus.
Der Standpunkt der Bibel ist, kein Herrscher kann an der Macht sein, ohne daß Gott es zuläßt. Deshalb das Gleichnis mit der Münze. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. Wir sollen also, so sagt auch Paulus, uns unter die gegebenen Herrschaftverhältnisse und Gesetze unterordnen.
Der Tagungsordnungspunkt, der uns wirklich vorgegeben ist, ist das laufende göttliche Gericht. Die Götzen fallen alle nacheinander. Auch die Demokratie ist als Götze schon gefallen. Demokratie sollte „Opium fürs Volk“ sein, damit wir von dem Wesentlichen abgelenkt werden. Demokratie funktioniert aber nicht mehr. Zu erkennen daran daß die Sprache in der Politik keinen Bezug mehr zur Wahrheit hat. Es ist alles verdreht, verblendet und abgeirrt.
Es steht nicht zur Diskussion, wieviel Geschlechter es gibt, ob der Mensch Ursache einer Klimaerwärmung ist, oder ob ein hinterhältiges Verhalten ein Kiterium für hohe Ämter ist.
Tagesordnungspunkt ist die Situation in der Welt. Das weltliche Geschehen ist als göttliche Geissel zu sehen, die die Menschen kurz vor der Wiederkunft Christi zur Umkehr bringen soll. Die Bibel sagt dazu an vielen Stellen, es geht um das Seelenheil der Gerechten. Alles, was gerade passiert, ist auf das Seelenheil ausgerichtet.
Ein Vorbild für eine richtige christliche Einstellung ist Robert Fitzgerald Kennedy Junior. RFK Junior gab vor zwei Wochen ein Interview zu seiner Präsidentschaftskandidatur. Er beginnt folgendermassen:„I don’t worry, my life is in God‚s hands“. Das Video hat eine Zustimmung in den Kommentaren erfahren.
https://www.youtube.com/watch?v=hXnkGeKBLqs