„Es gibt einen unglaublichen Restaurationismus“

Papst Franziskus zu den Jesuiten in Ungarn


Papst Franziskus beim Treffen mit den Jesuiten in Ungarn: "Und ich weiß, daß der Widerstand [gegen das Zweite Vatikanische Konzil] schrecklich ist."
Papst Franziskus beim Treffen mit den Jesuiten in Ungarn: "Und ich weiß, daß der Widerstand [gegen das Zweite Vatikanische Konzil] schrecklich ist."

(Rom) Wie bei sei­nen Aus­lands­rei­sen üblich, traf sich Papst Fran­zis­kus auch beim jüng­sten Ungarn-Besuch mit den dor­ti­gen Jesui­ten. Am 29. April fand eine Zusam­men­kunft in Buda­pest hin­ter ver­schlos­se­nen Türen statt. Eben­so wie üblich, ver­öf­fent­lich­te P. Anto­nio Spa­da­ro, der Schrift­lei­ter der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca, eine Zusam­men­fas­sung der Begeg­nung. Hier die inter­es­san­te­ste Ant­wort von Fran­zis­kus, in der er eines der ihm wich­tig­sten Anlie­gen, den Kampf gegen die Tra­di­ti­on, zum Aus­druck brachte:

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Fra­ge: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil spricht über die Bezie­hung zwi­schen der Kir­che und der moder­nen Welt. Wie kön­nen wir die Kir­che und die Rea­li­tät, die bereits jen­seits der Moder­ne liegt, in Ein­klang brin­gen? Wie kön­nen wir die Stim­me Got­tes fin­den, indem wir unse­re Zeit lieben?

Papst Fran­zis­kus: Ich weiß nicht, wie ich die­se Fra­ge theo­re­tisch beant­wor­ten soll, aber ich weiß, daß das Kon­zil immer noch in Anwen­dung begrif­fen ist. Es dau­ert, sagt man, ein Jahr­hun­dert, bis ein Kon­zil assi­mi­liert ist. Und ich weiß, daß der Wider­stand schreck­lich ist. Es gibt einen unglaub­li­chen Restau­ra­tio­nis­mus. Ich nen­ne das „Indiet­ris­mus“, wie es im Hebrä­er­brief 10,39 heißt: „Wir aber gehö­ren nicht zu denen, die umkeh­ren“. Der Strom der Geschich­te und der Gna­de fließt von unten nach oben wie der Saft eines Bau­mes, der Früch­te trägt. Aber ohne die­sen Fluß bleibt man eine Mumie. Rück­wärts­ge­hen bewahrt nicht das Leben, nie­mals.
Man muß sich ver­än­dern, wie der hei­li­ge Vin­zenz von Lérins in Com­mo­ni­to­ri­um pri­mum schreibt, wenn er fest­stellt, daß sogar das Dog­ma der christ­li­chen Reli­gi­on fort­schrei­tet, sich mit den Jah­ren festigt, sich mit der Zeit ent­wickelt, sich mit dem Alter ver­tieft. Aber dies ist eine Ver­än­de­rung von unten nach oben. Die Gefahr ist heu­te der Indiet­ris­mus, die Reak­ti­on gegen das Moder­ne. Es ist eine nost­al­gi­sche Krank­heit. Des­halb habe ich beschlos­sen, daß es jetzt obli­ga­to­risch ist für alle neu geweih­ten Prie­ster, die Erlaub­nis zu erhal­ten, nach dem Römi­schen Meß­buch von 1962 zu zele­brie­ren. Nach allen not­wen­di­gen Bera­tun­gen habe ich mich dazu ent­schlos­sen, weil ich gese­hen habe, daß die­se pasto­ra­le Maß­nah­me, die Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. gut gemacht haben, ideo­lo­gisch miß­braucht wur­de, um einen Rück­schritt zu machen. Es war not­wen­dig, die­se Rück­wärts­ge­wandt­heit zu been­den, die nicht in der pasto­ra­len Visi­on mei­ner Vor­gän­ger lag.

Die von Fran­zis­kus zitier­te Stel­le des Hebrä­er­brie­fes lau­tet in der Vul­ga­ta:

„Nos autem non sumus sub­trac­tion­is filii in per­di­tio­nem, sed fidei in acqui­si­tio­nem animæ“. 

Wir aber sind nicht Kin­der der Ver­zagt­heit zum Ver­der­ben, son­dern des Glau­bens zur Gewin­nung der See­le“, lau­tet die Über­set­zung nach der vom Hei­li­gen Stuhl appro­bier­ten Über­set­zung von Augu­stin Arndt SJ, die zwi­schen 1899 und dem Aus­bruch des Ersten Welt­kriegs in sechs Auf­la­gen gedruckt wur­de. In der Ein­heits­über­set­zung wird die Stel­le so wie­der­ge­ge­ben: „Wir aber gehö­ren nicht zu denen, die zurück­wei­chen und ver­lo­ren gehen, son­dern zu denen, die glau­ben und das Leben gewin­nen“. Die­se Stel­le meint nicht das, wofür Fran­zis­kus sie her­an­ge­zo­gen hat.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shot)

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