Vatikan–China: Verlängerung des Geheimabkommens wird am Wochenende bekanntgegeben

Die "relative" römische Sorge um Kardinal Joseph Zen


Kathedrale von Tianjin (Tientsin). In der Stadt fanden bis Anfang September die Verhandlungen zwischen Peking und Rom statt.
Kathedrale von Tianjin (Tientsin). In der Stadt fanden bis Anfang September die Verhandlungen zwischen Peking und Rom statt.

(Rom) Am 12. Sep­tem­ber berich­te­te Katho​li​sches​.info, daß die Ver­län­ge­rung des pro­vi­so­ri­schen Geheim­ab­kom­mens zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der kom­mu­ni­sti­schen Volks­re­pu­blik Chi­na unter Dach und Fach ist. Am kom­men­den Wochen­en­de wird die offi­zi­el­le Bekannt­ga­be erfolgen.

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Die Eini­gung über eine zwei­te Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens über die Ernen­nung von Bischö­fen vom Sep­tem­ber 2018 wur­de bereits vor über einem Monat erzielt. Die 2020 erfolg­te erste Ver­län­ge­rung, jeweils auf zwei Jah­re, läuft am kom­men­den 22. Okto­ber aus. Spä­te­stens am Wochen­en­de soll daher die zwei­te Ver­län­ge­rung bekannt­ge­ge­ben wer­den, die wie­der­um eine Lauf­zeit von zwei Jah­ren haben wird.

Der Hei­li­ge Stuhl und das „Reich der Mit­te“ unter­hal­ten seit der kom­mu­ni­sti­schen Macht­er­grei­fung 1949 kei­ne diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen mehr. Der letz­te Apo­sto­li­sche Nun­ti­us, Msgr. Anto­nio Ribe­ri, muß­te 1951 wie alle aus­län­di­schen Prie­ster und Ordens­leu­te das Land ver­las­sen. Die ein­hei­mi­schen Kle­ri­ker wur­den ver­haf­tet und vie­le getötet.

Eine vati­ka­ni­sche Dele­ga­ti­on und chi­ne­si­sche Regie­rungs­ver­tre­ter tra­fen sich Ende August, Anfang Sep­tem­ber in Tian­jin in Nord­chi­na. Auf dem Rück­flug aus Kasach­stan sag­te Papst Fran­zis­kus, daß der Dia­log mit Peking „lang­sam vor­an­geht, aber es gibt immer Fort­schrit­te“. Bei die­ser Gele­gen­heit sag­te Fran­zis­kus auch den unglaub­li­chen, von der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung weit­ge­hend igno­rier­ten Satz:

„Chi­na als anti­de­mo­kra­tisch zu bezeich­nen, hal­te ich nicht für rich­tig, denn es ist ein so kom­ple­xes Land.“

Wäh­rend am sel­ben Tag vom EU-Par­la­ment in einer Reso­lu­ti­on Ungarn, einem EU-Mit­glied­staat, abge­spro­chen wur­de, eine voll­stän­di­ge Demo­kra­tie zu sein, erklär­te das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt, man kön­ne das tota­li­tä­re kom­mu­ni­sti­sche Regime Chi­nas nicht als „unde­mo­kra­tisch“ bezeich­nen. Eine ver­kehr­te Welt!

Rom begrün­de­te sei­ne umstrit­te­ne Hal­tung gegen­über den roten Macht­ha­bern, das Geheim­ab­kom­men anzu­stre­ben, mit dem Wunsch, die bei­den „Kir­chen“ in Chi­na, die regi­me­hö­ri­ge schis­ma­ti­sche Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung und die rom­treue Unter­grund­kir­che, wie­der zusam­men­zu­füh­ren. Die Gren­zen, so die offi­zi­el­le Wahr­neh­mung des Vati­kans, zwi­schen der „offi­zi­el­len“, mit der Regie­rung ver­bun­de­nen Kir­che und der „Unter­grund­kir­che“ sei­en in der täg­li­chen Rea­li­tät von Mil­lio­nen von Katho­li­ken seit Jah­ren verschwommen.

Als freund­li­che Geste wur­de in San­ta Mar­ta die Mög­lich­keit gese­hen, daß die vati­ka­ni­sche Dele­ga­ti­on bei ihrem Auf­ent­halt in Tian­jin (Tient­sin) mit dem dor­ti­gen Unter­grund­bi­schof Mel­chi­or Shi Hong­zhen zusam­men­tref­fen konn­te. Der 94jährige Msgr. Shi Hong­zhen wur­de 1982 zum Weih­bi­schof der Diö­ze­se Tian­jin geweiht und als Koad­ju­tor mit Nach­fol­ge­recht ein­ge­setzt. Als Bischof Ste­phan Li Side 2019 starb, folg­te ihm Msgr. Shi Hong­zhen als neu­er Bischof nach. Die Regie­rung in Peking erkennt ihn nicht als Diö­ze­san­bi­schof an.

Der Text des Geheim­ab­kom­mens soll auch am kom­men­den Wochen­en­de nicht bekannt­ge­ge­ben wer­den. Dar­auf haben sich die bei­den Dele­ga­tio­nen im Sep­tem­ber geei­nigt. Die Bekannt­ga­be soll zeit­gleich in Rom und Peking erfolgen.

In den vier Jah­ren seit Unter­zeich­nung des Abkom­mens fan­den kei­ne ille­ga­len Bischofs­wei­hen der „patrio­ti­schen“ Kir­che ohne Zustim­mung des Pap­stes statt. In die­ser Zeit wur­den aber sechs Bischö­fe von Fran­zis­kus mit Zustim­mung der chi­ne­si­schen Behör­den ernannt. Zudem sol­len sechs Unter­grund­bi­schö­fe, die von Rom aner­kannt wur­den, nicht aber vom Regime, inzwi­schen auch von Peking als legi­ti­me Diö­ze­san­bi­schö­fe ange­se­hen wer­den. Dar­über herrscht aller­dings Unklar­heit und wenig Transparenz.

Laut dem Rat der chi­ne­si­schen Bischö­fe, dem regi­me­hö­ri­gen Pen­dant zur Chi­ne­si­schen Bischofs­kon­fe­renz, gibt es in der Volks­re­pu­blik Chi­na „offi­zi­ell“ 98 Diö­ze­sen, 4202 Kir­chen und 2238 wei­te­re „Stand­or­te“, die zum größ­ten Teil als Meß­or­te zu betrach­ten sind. Laut Asia­News sind damit aller­dings 66 Bischö­fe und ein Drit­tel der Diö­ze­sen nicht erfaßt.

In Rom betont man, und sieht dar­in einen gro­ßen Erfolg, daß „alle katho­li­schen Bischö­fe Chi­nas heu­te in vol­ler und öffent­li­cher Gemein­schaft mit Rom ste­hen“, so der Chef­re­dak­teur des Mis­si­ons­pres­se­dien­stes Fides. Mög­lich wur­de das durch die Aner­ken­nung aller schis­ma­ti­schen Bischö­fe der „patrio­ti­schen“ Kir­che durch Papst Fran­zis­kus als Vor­lei­stung für die Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens im Sep­tem­ber 2018.

Der Text des Abkom­mens wird laut Indis­kre­tio­nen unver­än­dert in die zwei­te Ver­län­ge­rung über­nom­men. Er kön­ne aber in Abspra­che mit den chi­ne­si­schen Behör­den ver­bes­sert wer­den, heißt es in Rom. Aller­dings kam eine sol­che Ver­bes­se­rung bis­her nicht zustande.

Der hart­näckig­ste Kri­ti­ker der neu­en „Ost­po­li­tik“ des Hei­li­gen Stuhls, der 91jährige eme­ri­tier­te Bischof von Hong­kong, Joseph Kar­di­nal Zen, die graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, wur­de im ver­gan­ge­nen Mai unter einem Vor­wand vom kom­mu­ni­sti­schen Regime ver­haf­tet und steht nun vor Gericht.

Das Regime ver­sucht auf die­se Wei­se die bedeu­tend­ste katho­li­sche Oppo­si­ti­ons­stim­me zum Schwei­gen zu brin­gen. Der Hei­li­ge Stuhl zeig­te sich bis­her nur rela­tiv besorgt. Schließ­lich igno­rier­te Papst Fran­zis­kus Kar­di­nal Zen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, der, mit sei­nen deut­li­chen Wor­ten, die gefun­de­ne Har­mo­nie zwi­schen Rom und Peking stör­te.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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