(New York) Während der Erzbischof von Chicago, Blase Kardinal Cupich, einen Feldzug gegen altrituelle Gemeinschaften führt, verbietet der Erzbischof von Washington, Wilton Kardinal Gregory, den Pfarreien seiner Erzdiözese im überlieferten Ritus zu zelebrieren. Beide Purpurträger berufen sich auf das Motu proprio Traditionis custodes von Papst Franziskus. Beide wurden vom derzeitigen Papst in Amt und Würden gehoben. Beide gehören zu den McCarrick-Boys…
Gestern, am 22. Juli, erließ Kardinal Gregory – seit 2019 Erzbischof der prestigeträchtigen Diözese Washington, zu der die US-Bundeshauptstadt gehört – Bestimmungen, mit denen er das Motu proprio Traditionis custodes umsetzt. Die neuen Richtlinien verbieten die Zelebration des überlieferten Ritus in den Pfarrkirchen des Erzbistums.
Zur Herbsttaggleiche werden die Bestimmungen in Kraft treten. Ab diesem Datum ist es nicht mehr erlaubt, in einer Pfarrkirche der Erzdiözese die heilige Messe im überlieferten Ritus zu zelebrieren. Damit setzt Kardinal Gregory um, was von Franziskus in Traditionis custodes für die Weltkirche bestimmt wurde.
Ab dem 21. September darf die tridentinische Messe, die von 2007 bis 2016 gemäß dem Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. als „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ bezeichnet wurde, nur mehr in drei Kirchen des Erzbistums zelebriert werden, die von Kardinal Gregory bestimmt wurden. Keiner dieser Meßorte ist eine Pfarrkirche. Zwei befinden sich im Staat Maryland, einer in der Bundeshauptstadt Washington.
Jeder Priester, der im überlieferten Ritus zelebrieren will, muß schriftlich eine Erlaubnis beantragen und die Gültigkeit „der während des Zweiten Vatikanischen Konzils, das 1965 endete, eingeführten Änderungen bestätigen“, wie die Washington Post schreibt. Gemeint ist die Anerkennung von Bugninis Liturgiereform, die 1969 von Papst Paul VI. promulgiert wurde und allein zeitlich – anders als von der Washington Post behauptet – in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum Zweiten Vaticanum stand, sondern ein nachkonziliares Produkt des „Konzilsgeistes“ war.
Auch in diesem Punkt kann sich Kardinal Gregory auf Papst Franziskus berufen, der Bugninis Novus Ordo in Traditionis custodes (Artikel 1) zur „einzigen Ausdrucksform der lex orandi des Römischen Ritus“ erklärte. Die von Papst Benedikt XVI. jedem Priester erlaubte Zelebration des überlieferten Ritus wurde von Papst Franziskus im Juli 2021 annulliert. Der überlieferte Ritus steht laut Artikel 1 von Traditionis custodes außerhalb der lex orandi des Römischen Ritus. Er wurde von Franziskus zum toten Relikt einer überwundenen Zeit erklärt, das in seltenen Fällen und unter eng gefaßten Bedingungen geduldet wird – wie eben auch mit einer Nostalgiebahn gelegentlich eine Fahrt unternommen wird.
„Wir entsagen dem modernistischen Establishment“
Erzbischof Héctor Aguer, der Gegenspieler Bergoglios in der Argentinischen Bischofskonferenz in dessen Zeit als Erzbischof von Buenos Aires, bezeichnete Traditionis custodes vor wenigen Tagen als „echtes Unglück“. Das Motu proprio von Papst Franziskus zwinge Priester und Gläubige zum Ungehorsam. „Gute Bischöfe“, so Aguer, reagieren auf diesen Ungehorsam mit Verständnis und Nachsicht. Der emeritierte Erzbischof von La Plata nennt diese den Bischöfen empfohlene Haltung einen unausgesprochenen, faktischen „Indult“.
Die McCarrick-Boys in den USA sehen das anders. Theodore McCarrick, bis 2018 Kardinal und bis 2019 Priester, war unter Franziskus zum mächtigsten Kirchenmann in den USA aufgestiegen, bis er bei der New York Times in Ungnade fiel und in der Versenkung verschwand. Sein vergiftetes Erbe wirkt jedoch weiter. Seine Protegés gelangten durch Franziskus zu höchsten Würden. Sie danken es dem regierenden Papst durch treue Umsetzung von Traditionis custodes und anderer päpstlicher Dokumente. Dabei teilen sie die Prämissen des päpstlichen Handelns, auch was dessen politische Präferenzen betrifft, und sind überzeugte Vertreter einer Allianz mit der Demokratischen Partei von Joe Biden, Barack Obama und Nancy Pelosi – auch ihres gesellschaftspolitischen Programms. Nie war die Politisierung dominanter als unter Franziskus. Der Kampf um Amerika ist in vollem Gange und Traditionis custodes ist Teil dieses Kampfes.
Die Washingtoner Internetseite DC Latin Mass, die bisher zu den Meßorten des überlieferten Ritus berichtete, stellte faktisch den Betrieb ein. Als Reaktion auf die neuen Richtlinien von Kardinal Gregory veröffentlichte die Redaktion eine kurze, aber dramatische Stellungnahme:
„Wir entsagen dem modernistischen Establishment des Zweiten Vaticanum und all seinen Werken und leeren Versprechungen, und wir fordern unsere Leser auf, dies ebenfalls zu tun.
Beten Sie. Verrichten Sie die Werke der Barmherzigkeit. Tun Sie Buße, wie es die Muttergottes wiederholt von einer tauben Welt erbeten hat. Pflegen Sie die Demut (ohne sie kommen Sie nicht in den Himmel).
Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung von DC Latin Mass.“
McCarrick Boys werden nach Wink von Franziskus aktiv
Das zertrümmernde Motu proprio wurde von Franziskus am 16. Juli 2021 erlassen. Von manchen Bischöfen wurde es repressiv umgesetzt, von anderen ignoriert. Im vergangenen Mai sandte Franziskus ein Signal aus, als er im Gespräch mit den Schriftleitern der europäischen Jesuitenzeitschriften erwähnte, daß es vor allem in den USA „viele“ Gruppen von „rückwärtsgewandten Restauratoren“ gebe, wie der argentinische Papst diskreditierend meinte. Das war ein Wink an die Bergoglianer im US-Episkopat wie Cupich und Gregory, Traditionis custodes härter durchzusetzen.
Davon schwer betroffen ist das Institut Christus König und Hohepriester (ICRSS), dessen US-Hauptsitz sich seit fast 20 Jahren in Chicago befindet. Dort investierte das Institut aus eigener Kraft sehr große Summen, um das ihm anvertraute Christkönig-Heiligtum wiederzubeleben und dann nach einem verheerenden Brand wiederaufzubauen. Mit 1. August müssen die Priester des Instituts die Erzdiözese Chicago verlassen, weil sie die repressiven Auflagen, die ihnen Kardinal Cupich macht, nicht erfüllen können. Sie werden sich unter einem freundlicher gesinnten Bischof ein neues Zentrum aufbauen müssen (wo sie bleiben können, solange dort ein freundlich gesinnter Bischof regiert). Die Gläubigen aber bleiben verwaist zurück und die investierten Summen, Spenden der Gläubigen, sind verloren, denn wer sollte ihnen das Heiligtum ablösen. Kardinal Cupich fährt mit einem Federstrich über Priester und Gläubige drüber.
Gleiches macht Kardinal Gregory in Washington. Das synchrone Vorgehen der McCarrick-Boys läßt erkennen, daß der Wink aus Santa Marta verstanden und Absprachen getroffen wurden. Der Kampf gegen die „religiöse Rechte“ – denn um einen politischen Machtkampf geht es Franziskus, dem „Politiker auf dem Papstthron“, – nimmt neue Fahrt auf. Anfang November finden in den USA die Zwischenwahlen statt, und es steht ziemlich schlecht um die Linksdemokraten.
Einseitig geführter politischer Kampf
Viele gläubige Katholiken in den USA leiden unter dem politischen Kontext, den Franziskus seinem Handeln zugrundelegt – und dem daraus folgenden politischen Kampf, den er ihnen aufzwingt, indem er ihn gegen sie führt. Sie verstehen das nicht, weil sie selbst dem politischen Denken nicht jene Priorität beimessen, die Franziskus ihm beimißt. Es nützt ihnen aber nichts, da Franziskus nunmal so denkt und seine Sicht der Welt in politischen Kategorien erfolgt und von linken Maximen wie Macht (Machtkampf/Machterhalt) und Herrschaft (Herrschaftsdiskurs) bestimmt ist.
Diese Dichotomie des Denkens läßt beide Seiten sich fremd sein, ohne daß der Zusammenhang immer genau verstanden wird. Die gläubigen Katholiken, von Franziskus als „Indietristen“ und „Restauratoren“ verunglimpft, verstehen nicht, warum sie der Papst bekämpft, obwohl sie die natürliche und göttliche Ordnung in einem Meer der Unordnung leben und verteidigen. Franziskus wiederum sieht in ihnen einen gefährlichen Feind – und der steht immer rechts –, den es mit allen gebotenen Mitteln zu bekämpfen gilt, mit direkten Hieben und mit List.
Die Gläubigen und Priester der Tradition fühlen sich bedrängt und verfolgt. Allerdings herrscht auch auf der Gegenseite Nervosität.
Die McCarrick-Boys, die McCarrick gerne vergessen machen würden und auch als Bergoglio-Boys bezeichnet werden könnten, zertrümmern auf päpstliches Geheiß die Tradition. Sie greifen wie Kardinal Cupich deren Vertreter in ihren Strukturen an mit dem Ziel, sie zu schwächen. Ebenso ungerührt desavouiert Franziskus führende Bischöfe, die nicht dieser Clique angehören wie Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco.
Nachdem Franziskus durch massive Interventionen seine politischen Freunde, die Abtreibungspolitiker der Demokratischen Partei, im November 2021 vor einer Verurteilung durch die Bischofskonferenz der USA gerettet hatte, setzte Erzbischof Cordileone eigenständig einen Schritt und schloß Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, führende Vertreterin der Demokraten und Abtreibungspolitikerin, vom Kommunionempfang aus. Pelosi reiste nach Rom, nahm an einer Papstmesse im Petersdom teil und ging dort zur Kommunion. Das war ein Dolchstoß gegen Erzbischof Cordileone, ein typisch bergoglianischer Dolchstoß, denn formal tat Franziskus nämlich gar nichts, sondern war bei der genannten Messe „nur“ im Petersdom anwesend. Die Kommunion spendet er Gläubigen grundsätzlich nie.
Erzbischof Cordileone reagierte auf seine Weise. Das Kommunionverbot für Pelosi in der Erzdiözese San Francisco gilt weiterhin und am 1. Juli, zwei Tage nach dem römischen Dolchstoß, zelebrierte Cordileone in der vom heiligen Junipero Serra gegründeten Missionsstation San Francisco de Asis ein Pontifikalamt im überlieferten Ritus. An diesem nahmen auch die Kardinäle George Pell und Robert Sarah teil, die beide von Franziskus kaltgestellt wurden.
Erzbischof Cordileone setzte damit gleich eine ganze Reihe von Handlungen, die jenen von Franziskus entgegenstehen. Am 29. Juni in Rom und am 1. Juli in San Francisco prallten zwei Welten aufeinander, die nur mehr wenig gemeinsam zu haben scheinen.
Erzbischof Cordileone zelebrierte als Bischof im überlieferten Ritus, was Franziskus nicht einmal den Priestern mehr zugestehen will, geschweige denn durch Bischöfe wünscht. Die Zelebration fand in einer Pfarrkirche statt, aus denen Franziskus den überlieferten Ritus mit Traditionis custodes aussperrte. Anlaß der Zelebration war das Gedenken an den heiligen Junipero Serra, den Apostel Kaliforniens, gegen den antichristliche Kräfte, die wiederum den Linksdemokraten, den politischen Freunden von Franziskus, nahestehen, seit einigen Jahren einen teils gewalttätigen Kampf führen. Dieser Kampf will – ein irrational irrwitziges Paradox – die Entdeckung Amerikas, die europäische Besiedlung und Christianisierung des Kontinents, rückgängig machen.
Im Gegensatz zu Westeuropa sind die gesunden Kräfte in den USA stark und selbstbewußt, weshalb sich der Kulturkampf dort mit besonderer Wucht konzentriert, um diese Kräfte zu zerschlagen, wie dies zuvor weitgehend in Westeuropa bereits geschehen ist. Je vitaler sich die gesunden, christlichen Kräfte erweisen, desto zorniger und radikaler tritt die Gegenseite auf – und findet auch in Teilen der Kirche Unterstützung, bis nach Rom.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Adw.org (Screenshot)