
(Rom) „Jimmy Lai begann die Woche als Milliardär und beendete sie als chinesischer Dissident“, hatte das Wall Street Journal geschrieben, nachdem Lai, der Gründer und Eigentümer der Apply Daily, der populärsten Tageszeitung Hongkongs, verhaftet worden war. Das Schweigen des Heiligen Stuhls zu seinem Schicksal und zur Lage Hongkongs hallt auf der ganzen Welt wider.
Ein erstes Mal erfolgte Lais Festnahme im vergangenen Februar, dann erneut im August. Ihm wird die Organisation „illegaler Kundgebungen“ vorgeworfen. Auch auf wirtschaftlicher Ebene wurde versucht, ihm das Bein zu stellen, indem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen ihn ermittelt wurde, aber auch wegen „Nötigung“ eines Pressefotografen, weil dieser vor einigen Jahren unerlaubt Fotos von Lai gemacht habe. Die Bandbreite der Vorwürfe und Anklagen zeigt, daß Jimmy Lai dem kommunistischen Regime Chinas ein Dorn im Auge ist. Nun wurde bekannt, daß mit weit härteren Bandagen gegen ihn vorgegangen werden soll. Er wird als erste Persönlichkeit nach dem neuen Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong vor Gericht gestellt, das „Konspiration mit ausländischen Kräften“ verfolgt und, unter dem Vorwand der Verfolgung „subversiver, separatistischer und terroristischer“ Aktivitäten, der Volksrepublik China ein stärkeres Eingriffsrecht verschaffte.
Lais Fall wird international beobachtet. Von verschiedener Seite wurde er in Schutz genommen. US-Außenminister Mike Pompeo übte ebenso Kritik am Vorgehen der chinesischen Behörden wie die britische Labour Party. Es gibt allerdings einen wichtigen Ort, der sich zum Fall Jimmy Lai ausschweigt: der Vatikan.
Das verwundert, denn Lai ist nicht nur der bekannteste Unterstützer der Demokratiebewegung, sondern auch Katholik. Er ist Hongkongs bekanntester katholischer Laie. Das italienische Intellektuellenblatt Il Foglio bekräftigte heute, was bereits das Wall Street Journal geschrieben hatte:
„Im Moment, in dem er und seine Familie ihren Hirten am dringendsten brauchen, ist Papst Franziskus völlig abwesend.“
Die Kirchengeschichte kennt eine Reihe von Päpsten, die es vorzogen, zu aktuellen Fragen zu schweigen, und nicht selten gut daran taten, indem sie damit größeren Schaden abwenden konnten. Doch Franziskus gehört nicht zu ihnen. Er nimmt oft und gerne zu aktuellen Fragen Stellung, tut es auf eigenwillige und nicht immer kompetente Weise. Vor allem folgt er damit einem roten Faden, dem der politischen Korrektheit. Sein Schweigen zu Hongkong und zum Fall Jimmy Lai ist kein Zufall.
Einmal erst kritisierte Franziskus indirekt das Regime in Peking, als er über die Behandlung der muslimischen Uiguren im zentralasiatischen Teil des Landes klagte. Mehr sagte er bisher nicht. Peking kehrte seine Kritik erstaunlich großzügig sogleich unter den Tisch. Das Wall Street Journal sieht darin eine direkte Folge des Geheimabkommens von 2018, das zwischen den Kommunisten und dem Vatikan unterzeichnet und vor kurzem verlängert wurde.
Dieser Meinung ist auch Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong und graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche. Der Kardinal warf Franziskus vor, die Herzen der chinesischen Gläubigen „gebrochen“ zu haben, die sich von Rom eine klare Verurteilung der atheistischen Kirchenfeinde erwarten.
Die Meinungen darüber, ob eine Verurteilung etwas bewirken könne, gehen seit vielen Jahrzehnten auseinander. Mehrere hundert Bischöfe hatten vom Zweiten Vatikanischen Konzil eine Verurteilung des Kommunismus erwartet. Stattdessen kam es bereits im Vorfeld zu einer geheimen Übereinkunft mit den kommunistischen Machthabern, daß der Kommunismus auf dem Konzil nicht thematisiert werde. So war es dann auch.
Tatsache ist aber, daß der Kommunismus, seit er 1917 erstmals in einem Land die Herrschaft an sich reißen konnte, ein großes Problem hat, das er bis heute nicht überwinden konnte und von sich aus auch nicht überwinden kann. Er leidet an einem gigantischen Defizit an moralischer Legitimation. Dieses Defizit kann er mit seiner Ideologie nicht beseitigen. Es bleibt seine Achillesferse, die er er mit Formen der offenen oder subtilen Gewalt schützen muß.
Die Kirche verfügt über moralische Autorität, wenngleich weltliche Mächte seit langem mit Nachdruck daran arbeiten, diese zu zerstören. Dazu gehören auch Formen der innerkirchlichen Selbstzerstörung durch Verweltlichung. Wenn das noch nicht gelungen ist, dann deshalb, weil diese Autorität eine übernatürliche Quelle hat. Tatsache ist, daß die Kirche über diese Autorität verfügt.
„Wie sehr würde diese moralische Autorität noch wachsen, wenn die Kirche sich entscheiden würde, die Wahrheit über das kommunistische Regime zu sagen.“
Die Anregung des Wall Street Journal, heute von Il Foglio wiederholt, wird im Vatikan aber nicht gehört werden. Das hat nicht nur damit zu tun, daß Franziskus nur die linke Tageszeitung La Repubblica liest. Es hat damit zu tun, daß Papst Franziskus auf dem politischen Auge blind ist. Er will nicht hören und will nicht sehen. Ein Dilemma, das sein ganzes Pontifikat durchzieht. Wer anders denkt als er, für den hat er keine Zeit. Seine Audienzpolitik spricht Bände.
Kardinal Joseph Zen, der am 13. Januar seinen 89. Geburtstag begehen wird, erhebt unermüdlich seine Stimme für Chinas Katholiken und die Freiheit im „Reich der Mitte“. Im vergangenen September eilte er nach Rom, um über die christenfeindlichen Aktionen des Regimes zu berichten und vor einer Verlängerung des Geheimabkommens zu warnen. „Können wir zusehen, wie sie die Kirche in China töten?“, hatte er den anderen Kardinälen geschrieben. Franziskus weigerte sich, ihn, den Kardinal der heiligen Kirche, einen Kirchenfürsten, zu empfangen. Der Papst sei „zu beschäftigt“, ließ man Kardinal Zen wissen. Die Tür zu Santa Marta blieb für ihn zu. Franziskus hatte aber Zeit, NBA-Spieler aus den USA zu empfangen, die ihm ein T‑Shirt von Black Lives Matter überbrachten. Die politische Korrektheit ließ erneut grüßen.
Im Spielfilm „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“ (1966) schweigt Englands Lordkanzler Thomas Morus zur illegitimen zweiten Eheschließung von König Heinrich VIII. Der Herzog von Norfolk fragt, warum der König das Schweigen seines Lordkanzlers nicht akzeptiert. Ein Höfling antwortet: „Weil dieses Schweigen in ganz Europa widerhallt“.
So ist es auch mit dem Schweigen von Papst Franziskus zur Lage in Hongkong, zu den verfolgten Christen in der Volksrepublik China und zum Fall Jimmy Lai. Es hallt auf der ganzen Welt wider, allerdings ganz anders als das Schweigen des heiligen Thomas Morus. Es ist ein unangenehmer, bedrückender Widerhall.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Youtube (Screenshot)
Jungfrua Gottesmutter, beschütze ihn, so bitte doch Deinen Sohn, dass er endlich wiederkommt, und nicht wartet, bis die Lebensrechtler erröten und die kommunistische nFrevler triumphieren!
Amen!