(Rom) Von wegen Amazonassynode: Die von Papst Franziskus für kommenden Oktober einberufene Sondersynode soll – folgt man jüngsten Enthüllungen – nur mehr absegnen, was Franziskus bereits gebilligt hat und im Amazonas bereits praktiziert wird. Es war bekannt, daß sich bestimmte, ultraprogressive Kreise um Bestimmungen, Gesetzen und Normen – und seien sie göttlichen Ursprungs – wenig scheren. Wenn schon fühlen sie sich davon provoziert. Die Bereitschaft zur Übertretung scheint immer vorhanden. Dennoch schockiert die Enthüllung des Vatikanisten Sandro Magister, daß man im Amazonas-Regenwald nicht die umstrittene Amazonassynode abwarten will: „Im Amazonas lesen verheiratete Diakone bereits die Messe“. Damit aber nicht genug: Papst Franziskus wisse von dieser „Meßsimulation“ und habe sie gebilligt.
Seit einigen Tagen ist im Internet ein Video in Umlauf, in dem einer der bekanntesten italienischen Priester zu sehen ist. Don Giovanni Nicolini, so sein Name, steht Papst Franziskus besonders nahe. Er sagt darin, daß die Zelebration der Messe durch verheiratete Diakone im Amazonas-Tiefland bereits Realität ist.
Don Nicolini geht aber noch weiter: Papst Franziskus, der darüber informiert sei, habe gesagt:
„Macht weiter!“
Die Schilderung erinnert verblüffend an jene des österreichischen, inzwischen emeritierten Missionsbischofs Erwin Kräutler vom Mai 2014. Seine Audienz bei Papst Franziskus im April jenes Jahres kann als Initialzündung für die nun bevorstehende Amazonassynode gesehen werden. Damals erteilte Franziskus der „Amazonas-Werkstatt“ grünes Licht.
Nicolini ist Priester des Erzbistums Bologna, wo Franziskus als Nachfolger des herausragenden Kardinals Carlo Caffarra, den Vertreter der Gemeinschaft von Sant’Egidio, Msgr. Matteo Zuppi einsetzte, den er im Oktober zum Kardinal kreieren wird.
Der ehemalige Caritas-Direktor Nicolini ist, so Magister, ein „geistiger Sohn“ von Giuseppe Dossetti (1913–1996). Dossetti ist die prägende Gestalt des italienischen Linkskatholizismus der Nachkriegszeit. Er war zunächst Politiker und wurde dann Priester. Als solcher setzte er im Gefolge des damaligen Erzbischofs von Bologna, Kardinal Lercaro, sein politisches Handwerk trickreich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil zugunsten der Rheinischen Allianz ein. Dossetti formulierte die Geschäftsordnung um und machte sie zur Waffe der progressiven Parteiung, bis es sogar Papst Paul VI. zu bunt wurde. Der Papst erteilte Kardinal Lercaro die Anweisung, Dossetti aus Rom zu entfernen. Dennoch blieb dieser bis zu seinem Tod ein zentraler Bezugspunkt progressiver Kreise, vor allem des politischen Linkskatholizismus, der in seinem Todesjahr mit Romano Prodi den italienischen Ministerpräsidenten und späteren EU-Kommissionspräsidenten stellte.
Es verwundert nicht, daß Nicolini eng mit einer der bekanntesten, progressiven Denkfabriken der katholischen Welt verbunden ist, mit der von Dossetti gegründeten „Schule von Bologna“. Magister erinnert in diesem Zusammenhang an die beiden derzeitigen „Regenten und Gurus“ dieser „Schule“, den Historiker Alberto Melloni und Gründer der Gemeinschaft von Bose, Enzo Bianchi. Beide gehören zum Kreis der Ultrabegoglianer. Bianchi wurde vom ehemaligen Dekan der philosophischen Fakultät der Päpstlichen Lateranuniversität, Msgr. Antonio Livi, als „falscher Prophet“ bezeichnet.
Nicolini setzte sich 2017 tatkräftig für Msgr. Perego als Nachfolger von Erzbischof Luigi Negri in Ferrara ein. So wie Zuppi eine Ohrfeige für Kardinal Caffarra war, und wohl auch als solche gedacht war, war Perego eine Ohrfeige für Erzbischof Ferrara. In beiden Fällen gilt, daß Papst Franziskus nicht nur nach den „progressivsten Kandidaten“ suchte, um das Werk der Vorgänger zu annullieren. Es scheint, daß er die Vorgänger durch die Ernennungen auch demütigen wollte.
Die Enthüllungen machte ein sichtlich erfreuter Don Nicolini bei einem Sommertreffen der Rosa Bianca Italiana, einer Vereinigung für einen „demokratischen Katholizismus“. Das Sommertreffen, das vom 21.–25. August in Terzolas im Trentino (Erzbistum Trient) stattfand, hatte die „Wiederentdeckung der Gemeinschaft“ zum Thema, „um die Ungleichheit zu beseitigen“. „Die Nachhaltigkeit“ sei das „Paradigma einer sozialen und ökologischen Gerechtigkeit“.
Sandro Magister veröffentlichte heute die wörtliche Niederschrift der dort gemachten Aussagen von Don Nicolini, daß im Amazonasgebiet verheiratete Diakone bereits „mit Erlaubnis der Ortsbischöfe und Billigung durch Papst Franziskus“ die „Messe“ zelebrieren:
„Und der Papst sagte: ‚Macht weiter!‘“
Ich fühle die Gelegenheit, mich gemeinsam mit euch daran zu erinnern, daß die Kirche der Priester zu Ende geht. Ist das eine Prophezeiung? Nein, das ist die Realität. Das muß berücksichtigt werden, denn sie ändert sich komplett. Jetzt erreichen wir den Höhepunkt des Wahnsinns: Jeder Priester betreut sechs Pfarreien, so ist das aber das Ende. Diese Krise des Priestertums wird auf alle Fälle unerbittlich zunehmen, solange der Gedanke nicht ernst genommen wird, den Zölibat der Priester abzuschaffen.
Solange dieser Zölibat der Priester bleibt, ist der Abstieg unaufhaltsam, auch weil oft nicht die Tatsache berücksichtigt wird, daß ich zum Beispiel Priester bin, aber bevor ich Priester bin, bin ich ein Mönch. Francesco, der hier ist, ist ein Mönch, und da wir eine sehr kleine Mönchsgemeinschaft sind, haben wir der Kirche von Bologna fünf Priester geschenkt. Wir konnten das aber tun, weil wir einer anderen Rasse angehören. Aber solange eine Situation fortbesteht, für die – ihr wißt, nicht wahr? – richtig? – der Umstand zölibatär zu bleiben, ist eine reine Bestimmung disziplinarischer Art, juristischen Art, das ist kein Gelübde, das ist keine Gabe Gottes, das wird nicht durch das Gemeinschaftsleben getragen… Nichts, er ist es, der nicht heiratet, wegen der Bestimmungen kann er nicht heiraten. Aber es ist klar, wenn ich erfahre, daß ein dreißigjähriger Priester, der zu mir kommt, um zu beichten, der jetzt allein in eine große Aufgabe gestellt wird, daß der in sechs Monate eine Geliebte hat. Und deshalb wird dieser Abstieg jetzt sehr schnell gehen. Vorgestern wurde mir gesagt, daß es 2030 in Bologna noch geschätzte 30 Priester geben wird, jetzt sind es 450, und es sind schon viel weniger als früher geworden. Und deshalb wird es diese Struktur der Kirche nicht mehr geben.
Es findet die Bischofssynode über den Amazonas statt. Im Amazonasgebiet haben wir erfahren, daß sie eines Abends aus einer entfernten Missionspfarre im Amazonasgebiet angerufen haben. Er war ein alter Diakon, 60 Jahre alt, verheiratet, der seinem Bischof sagte:
„Ich muß dir sagen, daß es morgen keine Messe gibt, weil es keinen Priester gibt“.
Und der Bischof sagte ihm:
„Geh dorthin und lies die Messe“.
Ein verheirateter Diakon, die Kinder sind bereits außer Haus, sie werden „Älteste“ genannt, und die Bischöfe haben ihnen von da an die Erlaubnis erteilt, die Liturgie zu leiten.
Sie haben das dem Papst gesagt, und der Papst hat gesagt:
„Im Moment können wir nichts schreiben, ihr macht weiter!“
Ich habe mich gefragt, als ich erfahren habe, daß er die Tagung des Weltepiskopat über den Amazonas einberufen hat: Wer weiß, ob er etwas dazu sagen könnte oder möchte. Aber die Kirche ist in ihrer konkreten, juristischen und derzeit bestehenden Struktur ist am Ende.
Soweit die Ausführungen von Don Giovanni Nicolini zu denen Sandro Magister anmerkt:
„Die Worte von Don Giovanni Nicolini werfen Fragen auf, die nach einer Antwort verlangen würden, noch bevor die Amazonassynode beginnt.
Stimmt es, was er über die ‚Messen‘ sagt, die schon jetzt im Amazonas von verheirateten Diakonen zelebriert werden?
Und stimmt es, daß Papst Franziskus grünes Licht dafür gegeben hat?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Rosa Bianca/Youtube (Screenshot)