
Zwei Tage bevor die Papstwähler des Kardinalskollegiums sich zum Konklave in die Sixtinische Kapelle zurückziehen werden, wird in Rom die Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen (UISG) der katholischen Frauenorden beginnen. Dies bestätigte gestern das vatikanische Presseamt mit dem entschuldigenden Hinweis, daß diese alle drei Jahre stattfindende Vollversammlung, da so lange geplant, unmöglich verschoben werden könne. Es gibt jedoch eine andere Vermutung, weshalb sich die feministisch durchtränkte Gruppe hinter der UISG gerade jetzt versammeln will.
Tatsache ist, daß die Vollversammlung der UISG nur alle drei Jahre stattfindet und die diesjährige Versammlung bereits im Sommer 2024 für den 5.–9. Mai fixiert wurde. Wenn ein Papst stirbt, gilt jedoch bis zur Wahl und Inthronisation des Nachfolgers ein allgemeiner Stillstand in der Kirche für alle außerordentlichen Aktivitäten. Aus diesem Grund wurde beispielsweise die Heiligsprechung von Carlo Acutis auf unbestimmte Zeit verschoben, die für den 27. April in Rom geplant war. Zehntausende Jugendliche und andere Gläubige aus aller Welt hatten längst ihre Busse organisiert und ihre Reisen geplant. Der Petersplatz war deshalb am 27. April, als Kardinal Pietro Parolin die zweite Messe für den verstorbenen Papst feierte, von Jugendlichen gefüllt. Sie waren nicht wegen der unmittelbaren Ereignisse gekommen, sondern wegen der ursprünglich angesetzten Heiligsprechung von Acutis, die aber nicht stattfinden konnte.
Wie dem auch sei, die Generaloberinnen der UISG-Frauenorden sehen andere Notwendigkeiten. Sie beharren auf der 13. Vollversammlung auch mit Verweis, daß die 12. Vollversammlung 2022 wegen der Pseudopandemie namens Corona nicht in der klassischen, sondern in einer hybriden Form stattfinden mußte. Tatsächlich hatte der UISG-Vorstand in Unterwerfung unter das Corona-Diktat auf die Abhaltung in der üblichen Form verzichtet, indem die Zusammenkunft auf drei Phasen aufgeteilt und großteils online abgewickelt wurde. Was in der UISG für Corona galt, gilt aber nicht für den Tod eines Papstes. Das macht in einer gewissen Logik Sinn, allerdings einer eher zweifelhaften.
Die 13. UISG-Vollversammlung vom 5.–9. Mai 2025 hat daher solche Priorität, daß sie unaufschiebbar ist, trotz des Konklaves. Oder wegen des Konklaves? Diese selbst zuerkannte Gewichtigkeit löste in Rom nämlich Spekulationen aus, daß diese Pressure Group für die Frauenordination an dem terminlichen Zusammenfallen absichtlich festhält, um Druck auf das Kardinalskollegium auszuüben, einen Papst zu wählen, der zumindest den ersten von der feministischen Theologie urgierten Schritt setzt und das Frauendiakonat erlaubt.
Die UISG
Die Mitgliedschaft in der UISG ist freiwillig, nicht verpflichtend. Es sind also nicht automatisch alle Frauenorden der katholischen Kirche in der UISG zusammengeschlossen, sondern nur jene, deren Generaloberinnen sich für die Mitgliedschaft entscheiden.
Die UISG wurde 1965 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegründet und versteht sich als ein internationales Netzwerk von Generaloberinnen katholischer Frauenorden. Sie dient dem Austausch, der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Reflexion über Themen des Ordenslebens weltweit. Sitz der Organisation ist Rom.
Mitglied können Generaloberinnen von apostolisch tätigen Frauenorden werden, also von Kongregationen, die in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Sozialarbeit usw. tätig sind. Orden der Tradition und insgesamt kontemplative Orden (z. B. Karmelitinnen, Klarissen, Benediktinerinnen) haben sich in der Regel ferngehalten, obwohl Ausnahmen möglich sind, wenn dies gewünscht wird.
Wie viele katholische Frauenorden es weltweit gibt, ist nicht bekannt, da keine entsprechenden Zahlen vorliegen. Die Gesamtzahl eigenständiger Frauenorden wird auf mehr als 2000 bis 3000 geschätzt. Etwa 2000 davon sollen in der UISG zusammengeschlossen sein.
Der probabilistische Papst und die feministischen Geister
Es war am 12. Mai 2016, bei der 10. Vollversammlung der UISG, an der rund 850 Generaloberinnen teilnahmen, also nicht einmal die Hälfte der Mitglieder, als Franziskus sich gegenüber der Erwartungshaltung einer organisierten feministischen Gruppe probabilistisch zeigte, was das Frauendiakonat betrifft. Die Antwort auf entsprechende Begehrlichkeiten hatte bereits 2013 der damalige Glaubenspräfekt Gerhard Müller gegeben. Er kündigte die Einrichtung einer Studienkommission an mit dem Auftrag, das Phänomen der frühkirchlichen Diakonissen zu studieren. Franziskus selbst rechtfertigte gegenüber deshalb aufbrandender Kritik seinen Schritt damit, die Frage auf diese Weise „auf die lange Bank“ geschoben zu haben. Der Verdacht blieb im Kontext jedoch bestehen, trotz der von Franziskus so offenherzig bekundeten Cleverness – oder gerade deshalb –, daß er insgeheim einen Coup d’état vorbereiten könnte. Dafür gab es weitere Hinweise, vor allem im Rahmen der bereits auf Hochtouren laufenden Vorbereitungen zur Amazonassynode. (Siehe auch: „Civiltà Cattolica stößt Tür zum „Frauenpriestertum“ wieder auf – mit päpstlicher Druckerlaubnis.)
Von Franziskus völlig ignoriert wurde, daß bereits unter Papst Johannes Paul II. und der Leitung des damaligen Glaubenspräfekten Joseph Kardinal Ratzinger eine Studienkommission die Frage von 1998 bis 2002 untersucht und geklärt hatte. Das Ergebnis wurde 2003 veröffentlicht: Die frühkirchlichen Diakonissen hatten kein Weiheamt, sondern waren Helferinnen, die damals aus gesellschaftlichen Gründen notwendig waren, da Männern, daher auch Klerikern, in bestimmten Situationen der Zutritt zu Frauen nicht erlaubt war, was in Notfällen Probleme schuf. Sobald durch die Christianisierung solche gesellschaftlichen Schranken weggefallen waren, gab es auch keinen Bedarf mehr für Diakonissen, weshalb sie aus dem kirchlichen Leben verschwanden.
Es war im Jahr 2019, bei der 11. und vorerst letzten klassischen UISG-Vollversammlung, als Franziskus in der Audienz, die er dieser Organisation gewährte, eine umstrittene Aussage tätigte. Er wußte um die Erwartungshaltung eines Teils der feministisch angehauchten Vertreterinnen; er wußte auch, sie bereits mit der Kommission vertröstet zu haben; vor allem aber wußte er, daß die von ihm eingesetzte Kommission unter der Leitung von Luis Ladaria Ferrer, zunächst Sekretär, dann Präfekt der Glaubenskongregation, nicht die erwarteten Ergebnisse für ein Frauendiakonat erbracht hatten. Wie hätte sie solche Ergebnisse auch liefern können.
Der Überraschungstrumpf im Ärmel
So zog Franziskus an jenem 10. Mai 2019 eine andere Karte aus dem Ärmel, mit der er die Frage der Frauenordination übertönte: Er bezeichnete die Todesstrafe als „unmoralisch“. Damit erreichte er tatsächlich den gewünschten Effekt. Das Aufsehen war außerordentlich groß, zumal vor allem in den USA in einigen Staaten die Todesstrafe nach wie vor gilt und exekutiert wird. In den Medien war die feministische Frage vom Tisch. Der Schachzug aber, eine umstrittene Forderung durch eine andere umstrittene Aussage zu neutralisieren, war allerdings nicht nur gewagt, sondern äußerst zweifelhaft. Franziskus hatte seine Person aus einer Bredouille gebracht, in die er sich durch sein probabilistisches Lavieren selbst manövriert hatte, indem er das Ansehen der Kirche beschädigte. Das entstandene Bild war, daß in 2000 Jahren niemand in der Kirche erkannt hatte, daß die Todesstrafe „unmoralisch“ sei, es also eines Franziskus aus Buenos Aires bedurfte, um dies herauszufinden und der Kirche zu sagen. Eine groteske Vorstellung. Franziskus aber wußte, was die Welt (sprich der Mainstream) hören wollte, und hatte dies völlig richtig eingeschätzt. Er stellte seine Person auf Kosten der Kirche über die Kirche.
Die veröffentliche Meinung konnte er damit austricksen, die feministischen Generaloberinnen allerdings nicht, wenngleich diese wußten, eine weitere Runde auf ihrem vom marxistischen Denken inspirierten „Marsch durch die Institutionen“ verloren zu haben. Um sie dennoch zufriedenzustellen, setzte Franziskus kurz darauf eine zweite Studienkommission zum Thema Diakonissen und Frauendiakonat ein. Die Leitung wurde einem anderen Kardinal übergeben und auch die personelle Zusammensetzung wurde geändert. Einerseits setzte Franziskus damit das Spielchen mit der „langen Bank“ fort, andererseits erinnerte der Schritt sehr an die anglikanische Vorgehensweise, eine Frage solange zu diskutieren, wieder und immer wieder, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt. So hatte die Kirche von England seit den frühen 90er Jahren das Frauenpriestertum und schließlich auch das Frauenepiskopat eingeführt. Man stimmte solange „demokratisch“ ab, bis das Ergebnis „paßte“.
Die zweite von Franziskus eingesetzte (insgesamt aber bereits dritte) Studienkommission seit Jahrhundertbeginn legte bisher keinen Abschlußbericht vor, jedenfalls gibt es keine offiziellen Mitteilungen darüber. Sollte sie ihre Arbeit nicht abgeschlossen haben, ist sie durch den Tod von Franziskus nun automatisch aufgelöst und ihre Arbeit hinfällig.
Wahrscheinlicher ist, daß Franziskus erkannte, daß die „lange Bank“ nicht mehr taugt, weshalb er Ende 2023/Anfang 2024 den C9-Kardinalsrat mit der Frage befaßte, um sie in den Fluß der Synodalitätssynode umzuleiten. Sr. Linda Pocher wurde zur „Sprecherin“ dieser neuen Phase.
Frauenkarrieren und Synodalität
Bei der hybriden UISG-Vollversammlung 2022 hatte Franziskus die feministischen Geister beruhigt, indem er sie auf die Synodalität einschwor. Man beachte die Formulierung: Bereits im Versammlungsmotto fand sich der „synodale Weg“ und lieferte den Beleg, wie groß in der UISG der Einfluß aus dem deutschen Sprachraum ist. Franziskus reagierte mit einem „synodalen Prozeß“, während die deutschen Progressiven mit ihrem „synodalen Weg“ die Richtung vorgaben. In diesem Kontext sind die Ernennungen von Frauen in mögliche (Sr. Raffaella Petrini als erste Regierungschechin des Vatikanstaates) und unmögliche Ämter (Sr. Simona Brambilla als erste Dikasterienpräfektin, übrigens just jenem für die Orden) zu sehen und vor allem die Öffnung der Bischofssynode für Frauen, darunter etliche Ordensfrauen wie Sr. Nathalie Becquart. Damit zertrümmerte Franziskus nebenbei die bisherige Bischofssynode und ersetzte sie unter der irreführenden Beibehaltung der Bezeichnung Synode durch eine beliebige Kirchenversammlung. Das war nur eine der zahlreichen gravierenden Verletzungen des geltenden Rechts, über das sich Franziskus als ein Art religiöser Allherrscher freimütig und sorglos hinwegsetzte.
Die Signale einer synodalen „Öffnung“ häuften sich, siehe Das Frauendiakonat ist „bereits beschlossene Sache“, wobei manche Bischöfe eifrig sekundierten, wie etwa die belgischen oder der von Franziskus eingesetzte Primas von Irland. Durch den Tod von Franziskus kommt es nun zu keinem nachsynodalen Schreiben zur Synodalitätssynode. Die Entscheidungen dazu stehen allein dem nächsten Papst zu. Er muß nichts von dem, was Franziskus in seinen „irreversiblen Prozessen“ angestoßen hat, aufgreifen.
Was bleibt, ist die feministische Infiltration in einen Teil der weiblichen Ordenswelt, der Franziskus, der Papst der „Offenheit“, nichts entgegenzusetzen hatte und wohl auch nichts entgegensetzen wollte, wenngleich ihm das Frauen-Thema nicht annähernd so wichtig war wie die Homo-Agenda.
Es gibt hinter Franziskus her viel aufzuräumen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
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