
(Rom) Das neue Dikasterium für Kultur und Bildung, das im Zuge der Kurienreform aus der Kongregation für das Katholische Bildungswesen und dem Päpstlichen Rat für die Kultur hervorgegangen ist, wird in den nächsten Tagen einen neuen Präfekten bekommen: José Kardinal Tolentino Calaça de Mendonça .
Gerüchte waren bereits die ganze Woche zu hören. Die portugiesische Online-Zeitung 7 Margens, die auf kirchliche Nachrichten spezialisiert ist, war das erste Medium, das gestern darüber berichtete.
Der portugiesische Kardinal José Tolentino de Mendonça, derzeit Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche, wird „innerhalb weniger Tage“ zum Leiter des neuen vatikanischen Dikasteriums für Kultur und Bildung ernannt, „wie 7 MARGENS aus kirchlichen Quellen erfahren hat“.
Einigen Hinweisen zufolge könnte die Ernennung bereits Anfang nächster Woche stattfinden. Am 9. September war Kardinal Tolentino von Papst Franziskus in Audienz empfangen worden. Bei dieser Gelegenheit, so die römischen Gerüchte, habe ihn Franziskus über die bevorstehende Ernennung informiert.
In dem neuen Amt wird Kardinal Tolentino de Mendonça den Vorsitzenden des ehemaligen Päpstlichen Rats für die Kultur Kardinal Gianfranco Ravasi, der im Oktober 80 Jahre alt wird (und damit als Papstwähler in einem Konklave ausscheidet), und den Präfekten der ehemaligen Kongregation für das katholische Bildungswesen Kardinal Giuseppe Versaldi ersetzen, der Ende Juli 79 Jahre alt wurde.
Der Portugiese Tolentino de Mendonça trat erstmals 2018 in das internationale Rampenlicht, als ihn Papst Franziskus zum Exerzitienmeister der Fastenexerzitien für die Römische Kurie berief. Auf der iberischen Halbinsel hatte er bereits zuvor als Unterstützer der aufsässigen Ordensfrau Teresa Forcades, einer Vertreterin der „feministischen Theologie“, Bekanntheit erlangt, deren Lehren er als Modell für „alternative Interpretationen“ anpries. Dazu gehört nicht zuletzt die Anerkennung der Homosexualität. Der Exerzitienmeister des Papstes äußerte die Überzeugung, „daß die Zukunft des Christentums besonders vom Entrümpelungsprozeß abhängt, der uns zu seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart gelingt“. Tolentino de Mendonça eilte seither der Ruf voraus, ein „Priesterpoet“ zu sein, der die Kirche “von ihren Dogmen befreien“ wolle.
Wenige Monate nach den Fastenexerzitien wurde Tolentino de Mendonça von Franziskus zum Titularerzbischof und Archivar und Bibliothekar der Römischen Kirche ernannt. Es galt als sicher, daß dies nur ein erster Schritt in der kurialen Karriere des portugiesischen Theologen war. Seit er an die Römische Kurie berufen wurde, hielt er sich mit umstrittenen Aussagen zurück.
Im Frühjahr 2019 kamen erste Gerüchte auf, daß Franziskus den Portugiesen zum Kardinal kreieren und zum Nachfolger von Kardinal Gianfranco Ravasi ernennen wird, der zwar versucht hatte, sich Franziskus anzudienen, aber von Santa Marta weitgehend ignoriert wurde. Obwohl Ravasi nie Eingang in das nähere Umfeld von Franziskus fand, zeigte sich Franziskus ihm gegenüber „wohlwollend“, indem er ihn über die Altersgrenze von 75 Jahren hinaus im Amt beließ, und das nicht nur für weitere zwei Jahre, sondern als besonderen Gunsterweis nun bis ins 80. Lebensjahr.
Als Grund dafür wird Ravasis Vernetzung zu kirchenfernen Kreisen genannt. Im Februar 2016 hatte er für Aufsehen gesorgt mit einem in der italienischen Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore veröffentlichten Brief an die „Lieben Brüder Freimaurer“. Ravasis „Vorhof der Völker“, später als Reverenz an den heiligen Franz von Assisi – in Wirklichkeit mehr an Papst Franziskus – in „Vorhof des Franziskus“ umbenannt, pflegte einen in Summe fruchtlosen „Dialog“ mit Atheisten, der aber hinter den Kulissen Kontakte, Verbindungen und – folgt man römischen Stimmen – wohl auch Verflechtungen brachte. Zu diesen gehörte Jeffrey Sachs, der Chefökonom der UNO, der 2015 im Zuge der Öko-Enzyklika Laudato si’ in den Vatikan gelangte, oder, wie manche sagen, in den Vatikan geschickt wurde. Ein namhafter katholischer Intellektueller kommentierte am 23. September 2019 den Auftritt des damaligen UNO-Chefberaters mit den Worten:
„Ist Jeffrey Sachs jetzt nicht nur der Aufpasser des UNO-Generalsekretärs, sondern auch des Papstes?“
Kardinal Ravasi selbst bestätigte damals, daß Tolentino sein Nachfolger sein werde.
Am 5. Oktober 2019 erfolgte dann der erste Schritt: die Ernennung von Tolentino de Mendonça zum Kardinal und Papstwähler. In Rom wird zu Kardinalserhebungen durch Franziskus das zweifelhafte Bonmot herumgereicht:
„Kardinal wird, wer nicht zu katholisch ist.“
Am 14. Dezember 2020 wurde Kardinal Tolentino in den Dritten Orden des Dominikanerordens aufgenommen. Seit Juli 2022 ist Tolentino de Mendonça Mitglied des Dikasteriums für die Bischöfe (vormals Kongregation für die Bischöfe). In wenigen Tagen soll der Sprung an die Spitze eines Dikasteriums folgen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Wikicommons