(Rom) Demnächst wird Papst Franziskus die Einberufung eines Konsistoriums zur Kreierung neuer Kardinäle bekanntgegeben, lauten jüngste Gerüchte. Zu den neuen Purpurträgern könnte der portugiesische Kurienerzbischof José Tolentino Calaça de Mendonça gehören, der die Kirche von ihren Dogmen „befreien“ will.
Einen entsprechenden Bericht veröffentlichte am 1. Mai der Correio da Manhã, die auflagenstärkste Tageszeitung Portugals. Die steile Karriere des Theologen und Vizerektor der Katholischen Universität von Portugal, Tolentino Calaça de Mendonça, begann Anfang 2018. Im Auftrag von Papst Franziskus und in dessen Anwesenheit hielt er im Februar des Vorjahres die Fastenexerzitien für die Römische Kurie. Am 26. Juni 2018 ernannte ihn Franziskus zum Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche und erhob ihn zugleich zum Titularerzbischof von Suava in der römischen Provinz Numidien, einem jener zahlreichen Bischofssitze, die im 7. Jahrhundert im Zuge der islamischen Eroberung untergegangen sind.
Der eigentlicher „Entdecker“ von Tolentino Calaça de Mendonça war Kardinal Gianfranco Ravasi, der ihn 2011 als Consultor des Päpstlichen Kulturrates vorschlug. Der Portugiese ist als „Fan“ der katalanischen Theologin und Ordensfrau Teresa Forcades bekannt, die eine „Queer-Revolution“ für die Kirche will. Forcades ist Vertreterin einer „feministischen Theologie“, einer „kritischen Theologie“ und der Befreiungstheologie. Sie deckt eine große Bandbreite ab.
Die Berufung eines Mannes als Exerzitienmeister für die Römische Kurie, der sich der Kontakte zu einer zweifelhaften Theologin wie Forcades rühmt und deren Theologie lobt, „scheint Ausdruck eines politischen Planes“ zu sein, wie Corrispondenza Romana im Februar 2018 schrieb, denn seine Freundschaft mit Forcades „beruht auf einer offenkundigen Gleichheit des Denkens“.
Kardinalskreierung „auf Vorrat“
Das Konsistorium wird Franziskus für den 29. Juni, das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, einberufen, an dem traditionell den im zurückliegenden Jahr ernannten Metropoliten das Pallium verliehen wird.
Wird Franziskus die Gelegenheit aber auch nützen, um neue Kardinäle zu ernennen? Ja, heißt es von vertraulicher Seite. Die Rede ist von zehn bis zwölf neuen Purpurträgern.
Dagegen spricht, daß derzeit exakt 120 Kardinäle in einem Konklave stimmberechtigt sind. Das entspricht der nach geltendem Recht vorgesehenen Höchstzahl, wie sie von Papst Johannes Paul II. festgelegt wurde. Nach derzeit absehbarem Ermessen dürfte sich bis zum 31. Juli nichts ändern, also deutlich über den Peter-und-Pauls-Tag hinaus. Am letzten Tag im Juli wird dann John Kardinal Tong Hon, der emeritierte Bischof von Hong Kong, sein 80. Lebensjahr vollenden und aus dem Kreis der Papstwähler ausscheiden.
Die gesamte Ernennung neuer Kardinäle Ende Juni würde somit „auf Vorrat“ erfolgen, was in der Kirchengeschichte beispiellos wäre.
Die genannte Höchstzahl wurde zwar bereits mehrfach für kurze Zeit überschritten, aber nur dann, wenn anschließend innerhalb weniger Monaten die Höchstgrenze, durch das altersbedingte Ausscheiden von Kardinälen, wieder unterschritten wurde. Zum Zeitpunkt der Neuernennungen war die Gesamtzahl der Papstwähler aber nie erreicht, denn genau das Unterschreiten der vorgesehenen Zahl machte Kreierungen notwendig und rechtfertigte sie.
Demnach könnte Papst Franziskus frühestens im März 2020 die genannte Zahl von zehn bis zwölf neuen Kardinälen ernennen. Spätestens am 25. Februar 2020 wird die Zahl der Papstwähler auf 113 sinken. Bei zehn Neuernennungen würde Ende November 2020 wieder die nicht zu überschreitende Höchstzahl von 120 erreicht. Bei zwölf Neuernennungen erst Anfang März 2021.
Johannes Paul II. nahm in seinem langen Pontifikat von mehr als 26 Jahren nur neunmal Kardinalskreierungen vor, erhob aber insgesamt 231 Mitglieder in Kirchensenat. Benedikt XVI. kreierte in den fast acht Jahren seines Pontifikats in fünf Konsistorien 90 Kardinäle. Papst Franziskus war bisher „am fleißigsten“. Für die Ernennung neuer Kardinäle Ende Juni spricht, daß er der erste Papst seit Einführung der Altersgrenze für Papstwähler ist, der jedes Jahr Kardinalserhebungen vornahm – in den vergangenen beiden Jahren jeweils am 28. Juni. Insgesamt kreierte er bisher 75 neue Kardinäle.
Als Papst ist Franziskus allerdings an keine Beschränkungen gebunden. In der Vergangenheit stellte das argentinische Kirchenoberhaupt ausreichend unter Beweis, sich über bisherige Gepflogenheiten hinwegzusetzen.
José Tolentino als Nachfolger von Kardinal Ravasi?
Weitere Anwärter auf das Kardinalspurpur an der Römischen Kurie sind neben Erzbischof José Tolentino Calaça de Mendonça, Erzbischof Filippo Iannone OCam, Vorsitzender des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte und Erzbischof Rino Fisichella, Vorsitzender des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung. Der Karmelit Iannone wurde im April 2018 von Papst Franziskus ernannt. Fisichella 2010 von Benedikt XVI.
Mit der Kardinalswürde, so der Correio da Manhã, könnte Tolentino Calaça de Mendonça auch neuer Vorsitzender des Päpstlichen Kulturrates werden. Kardinal Gianfranco Ravasi wird im kommenden Oktober 77. Trotz seiner Bemühungen konnte er nie die Gunst von Franziskus gewinnen. 2019 endet die fünfjährige Amtszeit Ravasis, die ihm Franziskus 2014 gewährte.
Unter den Inhabern von Bischofsstühlen, die traditionell mit dem Kardinalspurpur verbunden sind, warten inzwischen schon mehrere auf die Kardinalserhebung, ohne noch wirklich damit zu rechnen. Franziskus gab gleich mit seiner ersten Kardinalskreierung am 22. Februar 2014 zu verstehen, sich nicht an dieses Gewohnheitsrecht gebunden zu fühlen. Es ist vielmehr auch bei der sechsten Kardinalserhebung seines Pontifikats – wann immer sie stattfinden wird – mit einigen „exotischen“ Überraschungen zu rechnen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/CR