Der Gründonnerstag in Rebibbia

Papst Franziskus und die programmatische Unsichtbarkeit


Papst Franziskus besucht auch 2024 am Gründonnerstag ein Gefängnis, dieses Mal wird es das römische Frauengefängnis Rebibbia sein.
Papst Franziskus besucht auch 2024 am Gründonnerstag ein Gefängnis, dieses Mal wird es das römische Frauengefängnis Rebibbia sein.

(Rom) Auch in der zwölf­ten Kar­wo­che sei­nes Pon­ti­fi­kats macht Papst Fran­zis­kus den Grün­don­ners­tag unsicht­bar. 2024 wird er an die­sem Tag das Frau­en­ge­fäng­nis Rebibbia von Rom besu­chen und sei­ne Bischofs­kir­che und Diö­ze­se ver­waist las­sen. Dabei han­delt es sich nicht um eine zufäl­li­ge, son­dern um eine pro­gram­ma­ti­sche Abwesenheit.

Anzei­ge

Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt ver­öf­fent­lich­te gestern eine ent­spre­chen­de Mit­tei­lung der Prä­fek­tur des Päpst­li­chen Hau­ses:

„Am 28. März, dem Grün­don­ners­tag, wird der Hei­li­ge Vater um 16.00 Uhr dem Frau­en­ge­fäng­nis Rebibbia in Rom einen Pri­vat­be­such abstat­ten, um die Hei­li­ge Mes­se in Coe­na Domi­ni zu fei­ern und mit den Gefan­ge­nen und dem Per­so­nal der Ein­rich­tung zusammenzutreffen.“

Erst­mals wur­de damit der Besuchs­ort etwas frü­her bekannt­ge­ge­ben. Bis­her geschah dies erst im letz­ten Augen­blick. Beach­tens­wer­ter ist der eben­falls neue Hin­weis, daß es sich dabei um einen „Pri­vat­be­such“ han­deln wird, also so, wie Fran­zis­kus am 24. Sep­tem­ber 2023 über­ra­schend dem römi­schen Palaz­zo Madama einen „Pri­vat­be­such“ abstat­te­te, um sich ohne Kreuz­zei­chen und ohne erkenn­ba­res Gebet am Sarg von Gior­gio Napo­li­ta­no, dem kom­mu­ni­sti­schen ehe­ma­li­gen ita­lie­ni­schen Staats­prä­si­den­ten, zu verabschieden.

Der einzige Tag im Jahr, doch Franziskus…

Der Grün­don­ners­tag ist der ein­zi­ge Tag im Kir­chen­jahr, an dem den Bischö­fen der katho­li­schen Kir­che vor­ge­schrie­ben ist, die hei­li­ge Lit­ur­gie in ihrer Bischofs­kir­che mit ihrer Diö­ze­se – und daher für alle Gläu­bi­gen des Bis­tums zugäng­lich – zu zele­brie­ren. Die Mis­sa in Coe­na Domi­ni bil­det den sicht­ba­ren Auf­takt zu den hei­lig­sten Tagen der Chri­sten­heit, dem Tri­du­um Pascha­le oder Tri­du­um Sacrum, also den drei hei­li­gen Tagen, die vom Letz­ten Abend­mahl über den Kreu­zes­tod bis zur Auf­er­ste­hung rei­chen. Die­ses Oster­tri­du­um ist von einer immensen Bedeutungsdichte.

Als Bischof von Rom zele­briert der Papst die Grün­don­ners­tags­lit­ur­gie also in sei­ner Bischofs­kir­che, der Late­ran­ba­si­li­ka, die nicht von unge­fähr die „Mut­ter aller Kir­chen“ genannt wird. So war es zumin­dest bis 2012, als Papst Bene­dikt XVI. sein letz­tes Oster­tri­du­um als Kir­chen­ober­haupt fei­er­te. Seit der Wahl von Fran­zis­kus ist die Grün­don­ners­tags­lit­ur­gie des Pap­stes ver­schwun­den. Fran­zis­kus macht sie syste­ma­tisch unsicht­bar. Nicht ein ein­zi­ges Mal fei­er­te er sie öffent­lich und mit sei­ner Diö­ze­se, obwohl er mehr als jeder Vor­gän­ger dar­auf pocht, „Bischof von Rom“ zu sein. Die­ser Wider­spruch ist dabei noch der unbedeutendste.

Bedeu­tend ist, daß am Grün­don­ners­tag der Ein­set­zung des Aller­hei­lig­sten Altar­sa­kra­ments durch Jesus Chri­stus und untrenn­bar damit ver­bun­den der Ein­set­zung des Wei­he­prie­ster­tums gedacht wird. Anders aus­ge­drückt: An die­sem Tag setz­te Jesus Chri­stus die hei­li­ge Lit­ur­gie ein. Damit ist eben­so untrenn­bar die Bedeu­tung der Kir­che als Sakral­raum ver­bun­den, ins­be­son­de­re des Pres­by­te­ri­ums, für das gilt, was Gott in der ersten direk­ten Begeg­nung zu Moses sag­te: „Der Ort, wo Du stehst, ist hei­li­ger Boden“ (Ex 3,5).

Die Bedeutung für die Kirche ist substantiell, konstitutiv und essentiell

Es gehört zu den unge­klär­ten Rät­seln des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats, war­um Fran­zis­kus dies alles unbe­ach­tet läßt und seit 2013 ein zwar wich­ti­ges Ele­ment der Grün­don­ners­tags­lit­ur­gie in den Mit­tel­punkt rückt, das aber nicht das wich­tig­ste ist: die Fuß­wa­schung. Er tut dies auf Kosten des Wich­ti­ge­ren und das geschieht nicht zufäl­lig, wie die nun bevor­ste­hen­de zwölf­te Wie­der­ho­lung zeigt, son­dern syste­ma­tisch und daher also pro­gram­ma­tisch. Ein Rät­sel ist es, weil Fran­zis­kus die­sen Schritt bis heu­te nicht erklärt hat.

Die Fuß­wa­schung zeigt er dabei als „sozia­le Geste“ im Gewand eines poli­tisch kor­rek­ten Akti­vis­mus, wie die Fuß­wa­schung an Mos­lems zeig­te. Die Ein­set­zung des Wei­he­sa­kra­ments (Prie­ster­tum) und des Altar­sa­kra­ments (Eucha­ri­stie) tre­ten durch den päpst­li­chen Besuch an einem unbe­kann­ten, geschlos­se­nen Ort hin­ter die Geste der Fuß­wa­schung zurück. Ein­her ging 2016 damit, daß Fran­zis­kus eine gene­rel­le Ände­rung ein­führ­te und die­se sym­bo­li­sche Hand­lung seit­her auch an Frau­en und Mäd­chen voll­zo­gen wer­den kann.

Das scheint alles sehr nett und im Zeit­al­ter der Gen­der-Ideo­lo­gie vie­len wahr­schein­lich „längst über­fäl­lig“, doch in Wirk­lich­keit geht es um den rich­ti­gen Blickwinkel.

Die Fuß­wa­schung ist eben kei­ne sozia­le Geste als Aus­druck und Auf­for­de­rung zu gene­rel­ler Demut nach dem Mot­to: je grö­ßer der sozia­le Rang­un­ter­schied, desto grö­ßer die Demut. Die Fuß­wa­schung nahm Jesus Chri­stus an den Apo­steln vor als Zei­chen dafür, daß die apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on immer ein demü­ti­ges Die­nen sein muß. Um dies zum Aus­druck zu brin­gen, wuschen Päp­ste immer Bischö­fen und Kar­di­nä­len die Füße, da sie ihre direk­ten Unter­ge­be­nen sind. Der Sinn ist also wesent­li­cher tie­fer als nur eine net­te und demü­ti­ge Geste.

Tra­di­tio­nell ist der Grün­don­ners­tag wegen der Ein­set­zung des Prie­ster­tums der Tag, viel­leicht der ein­zi­ge im Jahr, an dem über das sakra­men­ta­le Prie­ster­tum gepre­digt wur­de. Auch das ist ver­schwun­den, denn gegen­über Gefan­ge­nen und meist anders­gläu­bi­gen Migran­ten erüb­rigt sich das The­ma eher.

Zufall oder Programm?

Alles Zufall? Das sakra­men­ta­le Prie­ster­tum, das Altar­sa­kra­ment und die Grün­dung der Kir­che mit den dar­aus fol­gen­den Ansprü­chen gehö­ren zu den „Hür­den“ im öku­me­ni­schen und inter­re­li­giö­sen Dialog.

Der Grün­don­ners­tag unter Papst Fran­zis­kus hat es ins­ge­samt in sich. Am Grün­don­ners­tag 2018 ver­öf­fent­lich­te Euge­nio Scal­fa­ri, der athe­isti­sche Freund des Pap­stes mit frei­mau­re­ri­scher Tra­di­ti­on, ein Inter­view mit dem Kir­chen­ober­haupt, des­sen Inhalt Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke als „uner­träg­lich“ bezeichnete:

„Daß ein bekann­ter Athe­ist den Anspruch erhebt, eine Revo­lu­ti­on in der Leh­re der katho­li­schen Kir­che zu ver­kün­den, und dabei behaup­tet, im Namen des Pap­stes zu spre­chen und die Unsterb­lich­keit der mensch­li­chen See­le und die Exi­stenz der Höl­le zu leug­nen, ist ein schwer­wie­gen­der Skandal.“

Unge­klärt ist bis heu­te, wem Fran­zis­kus in die­sen „unsicht­ba­ren“ Zele­bra­tio­nen alles die hei­li­ge Kom­mu­ni­on spen­det. Wäh­rend die Pre­digt, die Fran­zis­kus bei die­ser Gele­gen­heit hält, eini­ge Stun­den nach der Zele­bra­ti­on ver­öf­fent­licht wird, gilt ein voll­stän­di­ger Ver­zicht auf Film­auf­nah­men, weil es in den ersten Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats zu Auf­re­gung und Pole­mi­ken kam, weil Fran­zis­kus Frau­en und Mus­li­men die Füße wusch und ihnen auch die Kom­mu­ni­on spen­de­te. Offi­zi­ell wur­den, trotz der Nach­fra­gen, die aus­rei­chend doku­men­tier­ten Tra­di­ti­ons­brü­che und Sakri­le­ge vom Hei­li­gen Stuhl weder zuge­ge­ben noch kommentiert.

Eine Anomalie

Die Abwe­sen­heit des Bischofs an die­sem Tag von sei­ner Bischofs­kir­che stellt eine Anoma­lie dar.

Fran­zis­kus läßt sei­ne Bischofs­kir­che und sei­ne Her­de ver­waist und besucht am Grün­don­ners­tag bevor­zugt ein Gefäng­nis. Bei den „Unsicht­ba­ren“ hin­ter den Gefäng­nis­mau­ern macht er auch die Mis­sa in Coe­na Domi­ni unsichtbar.

Die Gefan­ge­nen zu besu­chen ist eine wich­ti­ge Tat und gehört zu den leib­li­chen Wer­ken der Barm­her­zig­keit. Dafür stün­den dem Papst aller­dings vie­le Tage im Jahr zur Ver­fü­gung. Und viel­leicht könn­te Fran­zis­kus ein­mal ein Lebens­zen­trum oder eine Schwan­ge­ren­be­ra­tungs­stel­le der Lebens­rechts­be­we­gung besu­chen, wo täg­lich unter schwer­sten Anfein­dun­gen um das Leben der unge­bo­re­nen Kin­der gerun­gen und der ‚Weg­werf­kul­tur‘ wider­stan­den wird. Aber auch dann, bit­te nicht wäh­rend der Grün­don­ners­tags­lit­ur­gie. Ein Gefäng­nis­be­such zur kon­se­quen­ten Ver­dun­ke­lung des Grün­don­ners­tags ist hin­ge­gen ein schwer­wie­gen­der Schritt.

Die bis­he­ri­gen Orte, an denen sich Fran­zis­kus am Grün­don­ners­tag der Diö­ze­se Rom und der Welt­kir­che ent­zo­gen hat:

  • 2013: Besuch im Jugend­ge­fäng­nis von Casal del Mar­mo bei Rom
  • 2014: Besuch einer Behin­der­ten­ein­rich­tung bei Rom
  • 2015: Besuch im Gefäng­nis Rebibbia in Rom
  • 2016: Besuch im Flücht­lings­heim in Castel­nuo­vo di Por­to in Latium
  • 2017: Besuch im Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis von Palia­no in Latium
  • 2018: Besuch im Gefäng­nis Regi­na Coeli in Rom
  • 2019: Besuch im Gefäng­nis von Vel­le­tri in Latium
  • 2020: Unter Ver­weis auf die Corona‑Pseu­dopande­mie gestrichen
  • 2021: Unter Ver­weis auf die Coro­na-Pseu­do­pan­de­mie gestrichen
  • 2022: Besuch im Gefäng­nis von Civi­ta­vec­chia in Latium
  • 2023: Besuch im Jugend­ge­fäng­nis von Casal del Mar­mo bei Rom
  • 2024: Besuch im Frau­en­ge­fäng­nis Rebibbia in Rom

Am Ende bleibt der bit­te­re Bei­geschmack, denn es gilt zu sehen, in wel­chen Berei­chen Fran­zis­kus Ände­run­gen vor­nimmt und in wel­chen nicht. Dann wird ein Muster deut­lich, das auf das Wesent­li­che der katho­li­schen Kir­che abzielt, im kon­kre­ten Fall das Aller­hei­lig­ste, das sakra­men­ta­le Prie­ster­tum und die hei­li­ge Liturgie.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Goo­gle­Maps (Screen­shot)

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