(New York) Wer die falschen Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Dies trifft derzeit Papst Franziskus, wobei nicht gesagt ist, daß er selbst es so sieht. US-Präsident Joe Biden, den Papst Franziskus Ende 2021 vor den Folgen einer faktischen Exkommunikation bewahrte, gab eine erstaunliche Stellungnahme ab, mit der er dem Papst und der katholischen Kirche in den Rücken fiel – und sich dabei auch noch auf Papst Franziskus berief.
Als der EWTN-Korrespondent im Weißen Haus, Owen Jensen, den US-Präsidenten am 1. Februar danach fragte, was er dazu sage, daß die katholischen Bischöfe des Landes die Abtreibungsfinanzierung durch Bundesmittel ablehnen, erklärte Joe Biden überraschend, daß Papst Franziskus und einige Bischöfe das anders sähen. Wörtlich sagte der US-Präsident:
„Nein, das tun nicht alle, auch der Papst nicht.“
Biden nannte keinen Bischof namentlich, der angeblich eine Abtreibungsfinanzierung mit Steuergeldern gutheißen würde. Papst gibt es aber nur einen. In diesem Fall nannte Biden allerdings keine Quelle für seine Behauptung, daß Franziskus keine Probleme mit einer öffentlichen Finanzierung der Tötung ungeborener Kinder hätte.
2018, 2020 und 2022 kritisierte Franziskus die Abtreibung vielmehr mit drastischen Worten als „engagieren“ oder „anheuern eines Auftragskillers“, „um jemand umzulegen“. Der Vergleich der Abtreibung mit einem Auftragsmord zieht sich wie ein roter Faden durch die päpstlichen Stellungnahmen zum Kindermord.
Owen Jensen (EWTN) stellte Biden die Frage im Zusammenhang mit dem derzeitig im US-Parlament behandelten Gesetzentwurf, mit dem ein dauerhaftes Finanzierungsverbot der Abtreibung aus Bundesmitteln festgeschrieben werden soll. Bisher erläßt der US-Kongreß jedes Jahr mit der Verabschiedung des Bundeshaushaltes ein solches Finanzierungsverbot. Es betrifft aber immer nur den jeweiligen Jahreshaushalt. Die Lebensrechtsbewegung, unterstützt von den Republikanern, strebt eine dauerhafte Lösung an. Dabei soll nicht nur die direkte Verwendung von Steuergeldern untersagt werden, sondern auch die indirekte Finanzierung von Abtreibungseinrichtungen für andere Dienstleistungen.
Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß die Demokraten, denen US-Präsident Biden angehört, nach dem Jahrhunderturteil des Obersten Gerichtshofes der USA, mit dem das Abtreibungsurteil Roe gegen Wade von 1973 gekippt wurde, ein Abtreibungsgesetz einführen möchten. Ein solches existierte in den USA zu keinem Zeitpunkt. Die millionenfache Tötung ungeborener Kinder von 1973 bis 2022 erfolgte aufgrund des genannten Urteils von 1973 ohne gesetzliche Grundlage.
Alle demokratischen Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses, also die Parteigenossen Bidens, hatten im Januar in einem anderen Aspekt der Abtreibungspolitik gegen ein Gesetz gestimmt, mit dem festgeschrieben werden soll, daß Kindern, die ihre eigene Abtreibung überleben, von den Abtreibern Erste Hilfe und eine notärztliche Versorgung zu leisten ist. Das Votum der Demokraten erfolgte, obwohl die heute 32 Jahre alte Sarah Zagorski, die ihre Abtreibung überlebt hatte, anwesend war und an die Abgeordneten appelliert hatte, diese Kinder, die man jetzt meist einfach unversorgt sterben läßt, zu schützen. Mit der republikanischen Mehrheit wurde das Gesetz zwar beschlossen, doch die 210 Demokraten schleuderten mit ihrem Votum Zagorski ins Gesicht, daß jemand wie sie eigentlich nicht leben dürfte.
Das Pro-Life-Komitee der Bischofskonferenz der USA, das für Lebensrechtsfragen zuständig ist, hatte sich im Januar für ein striktes und dauerhaftes Finanzierungsverbot ausgesprochen.
Der Einsatz von öffentlichen Geldern müsse dem Schutz des Lebens und der Hilfe für schwangere Frauen in einer Konfliktsituation dienen. Sie dürften nie gegen Mutter und Kind eingesetzt werden, schon gar nicht, um die Mutter gegen das Kind auszuspielen, so Bischof Michael Burbidge, Vorsitzender des Pro-Life-Komitees.
Da keine öffentliche Aussage von Papst Franziskus bekannt ist, die sich mit der von Biden behaupteten decken würde, stellt sich eine Frage: Bezog sich der US-Präsident auf eine Aussage, die ihm Franziskus unter vier Augen gegeben hatte, als er Biden im November 2021 in Audienz empfing? Der Vatikan hatte damals, völlig unüblich, die Direkt-Übertragung des Empfangs gestrichen. Es liegt am Vatikan, eine Klarstellung vorzunehmen. Eine solche ist allerdings, wie die Vergangenheit lehrt, wohl nicht zu erwarten.
Neben dem Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz Erzbischof Timothy Broglio kritisierte vor allem Bischof Joseph Strickland von Tyler Biden für seine Stellungnahme. Der US-Präsident habe Papst Franziskus „falsch wiedergegeben“, denn es sei keine solche Aussage des Papstes bekannt. Auf Twitter schrieb Bischof Strickland, daß es dem US-Präsidenten nicht erlaubt sein dürfe, die Worte des Papstes einfach zu verdrehen:
„Es kann nicht sein, daß Herr Biden die Worte von Papst Franziskus auf diese Weise verdreht. Ich fordere das Presseamt des Vatikans auf, mit Nachdruck klarzustellen, daß Papst Franziskus Abtreibung zu Recht als Mord bezeichnet. Es ist an der Zeit, Bidens falschen Katholizismus anzuprangern.“
Das aber ist das Dilemma, in dem sich Santa Marta mit seinen eigentümlichen politischen Sympathien verfangen hat. Franziskus hatte im Herbst 2021 Biden ja gerade davor bewahrt, daß dessen „falscher Katholizismus“ angeprangert wird.
Es ist die Ambivalenz von Papst Franziskus in der Abtreibungsfrage, seinen Worten keine Taten folgen zu lassen. Diese Haltung ist von denselben politischen Interessen geleitet, die so unglaubliche Situationen erst möglich machen wie jene, daß Joe Biden im November 2021 die Audienz bei Franziskus verließ und eine „Kommunion für alle“ behauptete. Oder nun die Situation, daß der mächtigste Mann der Welt behaupten kann, der Papst habe nichts gegen eine Abtreibungsfinanzierung aus Steuergeldern.
Der Widerspruch ist eklatant: Wegen Bidens Abtreibungspolitik hatte Benedikt XVI. für seinen Tod verfügt, daß US-Präsident Joe Biden, obwohl erst der zweite Katholik im Weißen Haus, nicht an der Totenmesse im Vatikan teilnehmen soll. Benedikt XVI. setzte damit jenes klare Zeichen, auf das viele Katholiken von Franziskus vergeblich warten. Derselbe US-Präsident, der von Benedikt XVI. ausgeladen wurde, tritt als „Sprecher“ von Papst Franziskus auf, und das ausgerechnet zur Abtreibungsfrage.
Das Grundproblem ist die Prioritätensetzung, die Papst Franziskus bereits im September 2013 zu verstehen gab, daß für ihn die politische Annäherung zur kirchenfernen Linken im Zweifelsfall Vorrang habe. Die Folgen sind unübersehbar.
Damit hat auch zu tun, daß Franziskus nie ein Wort der Zustimmung, der Unterstützung oder des Lobes für die Lebensrechtsbewegung in den USA, für die Lebensschutzpolitik der Republikaner oder für jene Mehrheit der Höchstrichter fand, die mit ihrem Jahrhunderturteil vom Juni 2022 eine historische Wende in der Abtreibungsfrage formuliert haben, indem sie der Zielsetzung der lebensfeindlichen und menschenverachtenden Abtreibungsagenda einen Riegel vorschoben, die Abtreibung als Verfassungs- oder gar Menschenrecht zu behaupten.
Bischof Strickland erinnerte daran, daß die Kirche „seit ihren Ursprüngen die moralische Bösartigkeit jeder Abtreibung bekräftigt hat. Diese Lehre hat sich nicht geändert und sie bleibt unverändert. Die Abtreibung zum Zweck oder als Mittel ist ein schwerwiegender Verstoß gegen das Sittengesetz.“
Der Bethlehemitische Kindermord stand am Beginn von Jesu Leben. Er gilt als Protoereignis der Menschenfeindlichkeit, die sich heute in der Abtreibung zeigt.
Deshalb fordert die Kirche, so Bischof Strickland, daß „ein Menschenleben vom Augenblick der Empfängnis an absolut geachtet und geschützt werden muß“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Youtube/EWTN/Twitter (Screenshots)