„Nein“, derzeit denke er nicht an Rücktritt

Papst Franziskus und der tote Winkel


Ein gutgelaunter Papst Franziskus erklärte gegenüber Reuters, nicht an einen Rücktritt zu denken.
Ein gutgelaunter Papst Franziskus erklärte gegenüber Reuters, nicht an einen Rücktritt zu denken.

(Rom) Nach der argen­ti­ni­schen Pres­se­agen­tur Télam ver­öf­fent­lich­te heu­te auch die inter­na­tio­na­le Pres­se­agen­tur Reu­ters, eine der Big Three der glo­ba­len Infor­ma­ti­on, ein Exklu­siv­in­ter­view mit einem sicht­lich gut­ge­laun­ten Papst Fran­zis­kus. Fran­zis­kus spricht dar­in über sei­ne Gesund­heit, Zukunfts­plä­ne, den Krieg in der Ukrai­ne und ande­re The­men mehr. Vor allem demen­tier­te er jedoch, der­zeit über einen Rück­tritt nachzudenken.

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Geführt wur­de das Inter­view von Phil­ip Pul­lel­la, dem Vati­kan-Kor­re­spon­den­ten von Reu­ters und über­zeug­ten Berg­o­glia­ner, der am 29. Juni, dem Hoch­fest Peter und Paul, den Kom­mu­nion­emp­fang von Nan­cy Pelo­si im Peters­dom zur poli­tisch gewünsch­ten Öffent­lich­keit verhalf.

Auf­ge­zeich­net wur­de das Inter­view am ver­gan­ge­nen Sams­tag, dem 2. Juli, in San­ta Mar­ta im Rah­men eines 90minütigen Gesprächs, das in ita­lie­ni­scher Spra­che geführt wurde.

Wegen des Zusam­men­tref­fens einer Rei­he unge­wöhn­li­cher Fak­to­ren gibt es Spe­ku­la­tio­nen, Fran­zis­kus könn­te auf dem von ihm für Ende August ein­be­ru­fe­nen Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um sei­nen Rück­tritt ankün­di­gen. Pul­lel­la atte­stiert Fran­zis­kus jedoch, wäh­rend des gesam­ten Inter­views „auf­merk­sam und ent­spannt“ gewe­sen zu sein. Über die Vor­stel­lung, im kom­men­den Monat zurück­tre­ten zu wol­len, „lach­te“ Fran­zis­kus nur. In Anspie­lung auf den Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. sag­te Franziskus: 

„All die­se Zufäl­le lie­ßen eini­ge Leu­te glau­ben, daß die glei­che ‚Lit­ur­gie‘ statt­fin­den wür­de. Aber das ist mir nie in den Sinn gekom­men. Im Moment nicht, nein, im Moment nicht. Wirklich.“

Zugleich bekräf­tig­te er sei­ne schon frü­her gemach­ten Aus­sa­gen, sich einen Rück­tritt durch­aus vor­stel­len zu kön­nen, soll­te sich sein Gesund­heits­zu­stand erheb­lich ver­schlech­tern und ihm die Lei­tung der Kir­che unmög­lich machen. Auf die Fra­ge, wann er damit rech­ne, sag­te Franziskus:

„Wir wis­sen es nicht. Gott wird es sagen.“

Am 2. Juli, als das Inter­view statt­fand, woll­te Fran­zis­kus eigent­lich in den Kon­go rei­sen. Wegen sei­ner Knie­be­schwer­den muß­te er die Rei­se jedoch absa­gen. Die Ärz­te hät­ten ihm gesagt: Wenn er nicht 20 Tage der The­ra­pie und Ruhe habe, wer­de er auch die für Ende Juli geplan­te Kana­da-Rei­se absa­gen müs­sen. Auf die Höf­lich­keits­fra­ge Pul­lel­las, wie es ihm gehe, scherz­te der Papst:

„Ich lebe noch. Mir geht es gut, es geht mir all­mäh­lich besser.“

Dank einer Laser- und Magnet­the­ra­pie sei eine Ver­bes­se­rung fest­zu­stel­len. Zugleich wies Fran­zis­kus Gerüch­te zurück, bei ihm sei Krebs dia­gno­sti­ziert wor­den. Das sei nur „Palast­tratsch“. Ein Zusam­men­hang der Gelenks­ent­zün­dung mit der Coro­na-Imp­fung wur­de nicht the­ma­ti­siert. Statt­des­sen bekräf­tig­te Fran­zis­kus, sich nicht mehr am Knie ope­rie­ren las­sen zu wol­len, weil die Voll­nar­ko­se bei der Ope­ra­ti­on im Vor­jahr „nega­ti­ve Neben­wir­kun­gen“ hatte.

Nach der Rückkehr aus Kanada nach Rußland und in die Ukraine? 

Fran­zis­kus bestä­tig­te, daß Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin in Kon­takt mit dem rus­si­schen Außen­mi­ni­ster Ser­gej Law­row steht, um eine mög­li­che Mos­kau-Rei­se in die Wege zu lei­ten. Die Zei­chen stün­den der­zeit aber „nicht gut“.

Pul­lel­la beton­te, daß der Papst Ruß­land vor­wirft, daß sei­ne Trup­pen in der Ukrai­ne „grau­sam kämp­fen“. Nicht wie­der­holt wur­de gegen­über der bri­ti­schen Pres­se­agen­tur, was Fran­zis­kus dem ita­lie­ni­schen Cor­rie­re del­la Sera gesagt hat­te, daß am Aus­bruch des Krie­ges aber „die NATO schuld“ sei.

Auf sei­nen Wunsch, Ruß­land zu besu­chen, habe Mos­kau vor weni­gen Mona­ten geant­wor­tet, die Zeit sei „noch nicht reif“. Inzwi­schen könn­te sich aber „etwas geän­dert haben“, so Franziskus.

„Ich wür­de ger­ne (in die Ukrai­ne) gehen und möch­te zuerst nach Mos­kau. Wir tausch­ten Nach­rich­ten dar­über aus, denn ich dach­te, wenn der rus­si­sche Prä­si­dent mir ein klei­nes Zeit­fen­ster geben wür­de, um der Sache des Frie­dens zu dienen…“

Sobald er aus Kana­da zurück­kom­me, ste­he die Rei­se nach Ruß­land und in die Ukrai­ne ganz oben auf sei­ner Prio­ri­tä­ten­li­ste. Vor einem Besuch in Kiew möch­te Fran­zis­kus unbe­dingt nach Mos­kau, um „in irgend­ei­ner Wei­se zu hel­fen“, zum Frie­den zu gelangen.

Franziskus, die Abtreibung und der tote Winkel

Acht Tage nach dem Jahr­hun­der­tur­teil des Ober­sten Gerichts­ho­fes der USA gegen die Abtrei­bung und für das Lebens­recht unge­bo­re­ner Kin­der nahm Fran­zis­kus erst­mals dazu Stellung.

Er „respek­tie­re“ die Ent­schei­dung, ver­fü­ge aber „nicht über genü­gend Infor­ma­tio­nen, um sich aus recht­li­cher Sicht dazu zu äußern“. Er ver­ur­teil­te aber, so Pul­lel­la, die Abtrei­bung aufs Schärf­ste und ver­glich sie mit dem „Anheu­ern eines Auf­trags­kil­lers“. Die katho­li­sche Kir­che lehrt, daß das Leben im Augen­blick der Emp­fäng­nis beginnt. Über­haupt fra­ge er sich:

„Ist es legi­tim, ist es rich­tig, ein Men­schen­le­ben zu ver­nich­ten, um ein Pro­blem zu lösen?“

Fran­zis­kus wie­der­hol­te damit sei­ne Hal­tung, die Abtrei­bung zu ver­ur­tei­len, aber zur Abtrei­bungs­ge­setz­ge­bung zu schwei­gen. Abtrei­bungs­po­li­ti­kern wie Joe Biden und Nan­cy Pelo­si will er nicht in die Que­re kom­men. Was aber kann blo­ße Theo­rie gegen die Macht des Fak­ti­schen bewir­ken? Laut Fran­zis­kus‘ eige­ner Über­zeu­gung offen­bar herz­lich wenig, denn erst jüngst, im Inter­view mit Télam, bekräf­tig­te er sei­ne Über­zeu­gung, daß die Pra­xis vor Theo­rie geht. 

Pul­lel­la sprach auch die Fra­ge des Kom­mu­nion­emp­fangs für Abtrei­bungs­po­li­ti­ker an, ein in den USA sehr umstrit­te­nes Thema.

Die Vor­sit­zen­de des US-Reprä­sen­tan­ten­hau­ses, Nan­cy Pelo­si, ein­fluß­rei­che Abtrei­bungs­lob­by­istin, wur­de von ihrem Hei­mat­bi­schof von San Fran­cis­co im ver­gan­ge­nen Mai wegen ihrer Hal­tung zur Abtrei­bung exkom­mu­ni­ziert. Des­sen unge­ach­tet geht sie in einer libe­ra­len Pfar­rei in Washing­ton zur Kom­mu­ni­on. Am 29. Juni emp­fing sie die hei­li­ge Eucha­ri­stie auch im Peters­dom in Anwe­sen­heit von Papst Franziskus.

Das Signal war gewollt und ein­deu­tig: Die Exkom­mu­ni­ka­ti­on durch irgend­ei­nen Bischof in den USA, einen „kon­ser­va­ti­ven“ (Pul­lel­la), sei irrele­vant, wenn der Papst Abtrei­bungs­po­li­ti­kern den Kom­mu­nion­emp­fang erlaubt. Und was ant­wor­te­te Fran­zis­kus auf die Fra­ge Pul­lel­las? Ent­täu­schend wenig:

„Wenn die Kir­che ihren pasto­ra­len Cha­rak­ter ver­liert, wenn ein Bischof sei­nen pasto­ra­len Cha­rak­ter ver­liert, dann ent­steht ein poli­ti­sches Pro­blem. Das ist alles, was ich sagen kann.“

Fran­zis­kus über­geht den Kom­mu­nion­emp­fang durch Pelo­si und attackiert statt­des­sen Erz­bi­schof Cor­di­leo­ne von San Fran­cis­co, ohne ihn beim Namen zu nennen. 

Was läßt sich also aus sei­ner zuvor getä­tig­ten ver­ba­len Ver­ur­tei­lung der Abtrei­bung schlie­ßen? Ist es glaub­wür­dig, wenn der „Papst der Gesten“ so tut, als wür­de er die Bedeu­tung von Gesten nicht durch­schau­en? Zumal sol­cher, an denen er selbst betei­ligt war.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Reu­ters (Screen­shots)

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