(Rom) Papst Franziskus empfing gestern den Gründer und ehemaligen Vorsitzenden der Gemeinschaft von Sant’Egidio, Andrea Riccardi, und anschließend die neue Führungsspitze der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung.
Audienz für Andrea Riccardi von Sant’Egidio
Die 1968 gegründete Gemeinschaft von Sant’Egidio, benannt nach einer Kirche im römischen Stadtteil Trastevere, verfügt inzwischen mit dem Erzbischof von Bologna, Msgr. Matteo Zuppi, über einen Kardinal, der zudem als Papabile im kommenden Konklave gilt.
Die Gemeinschaft, die am 1. September, dem Fest des heiligen Ägidius, ihren Gründungstag feiert, ist in ihrer von Anfang an auch politischen Ausrichtung so einflußreich oder zumindest so machtaffin, daß selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr schon die Aufwartung machte. Ein weiterer Vertreter der Gemeinschaft ist der ehemalige Familien- und nunmehrige Lebensrechtsminister des Heiligen Stuhls, Kurienerzbischof Vincenzo Paglia. Auf sie geht der umstrittene interreligiöse „Geist von Assisi“ zurück.
Die Gemeinschaft berichtet auf ihrer Internetseite über die Audienz, greift dafür aber erstaunlicherweise auf eine Meldung der staatlichen Presseagentur ANSA zurück. Eigene Informationen über die Begegnung bietet sie keine.
ANSA nennt als Gesprächsthemen „den Kampf gegen die wachsende Armut und die Notwendigkeit, angemessene Antworten auf die Probleme zu geben, die mit der Covid-19-Pandemie durch die Leiden vieler Familien, der alten Menschen und anderer verletzlicher Personen der Gesellschaft entstanden sind“.
Papst Franziskus gehört zu den Vorreitern der globalen Impf-Kampagne und fand bisher kein kritisches Wort zur faktischen Impf-Pflicht, die gesunden Menschen auferlegt wird, die von Corona gar nicht bedroht sind. Ihnen wird, wenn sie sich nicht impfen lassen, mit der sofortigen Suspendierung vom Dienst ohne Gehalt und möglicher Entlassung gedroht. Das Kirchenoberhaupt schaut weg und hämmert auf die Impf-Trommel.
Die wirkliche Armut erlebte bis zu den staatlichen Corona-Maßnahmen einen stetigen Rückgang. Es darf daher bezweifelt werden, daß die genannten Themen allein im Mittelpunkt der Audienz standen. Die Gemeinschaft von Sant’Egidio wird von Franziskus als Paralleldiplomatie genützt. Diese Rolle legte sich die Gemeinschaft bereits unter Johannes Paul II. zu. Während Benedikt XVI. kaum darauf zurückgriff, vielmehr die Arbeit des damaligen Staatssekretariats durch einige Eigenmächtigkeiten der Gemeinschaft, vor allem in Nordafrika, konterkariert wurde, kommt der informelle Charakter der Sant’Egidio-Diplomatie dem Handlungsmuster von Papst Franziskus entgegen.
Audienz für die neue Führungsspitze der Gottesdienstkongregation
Anschließend gewährte Franziskus der neuen, von ihm ernannten Führungsspitze der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung eine Audienz. Zu ihm vorgelassen wurden Kurienerzbischof Arthur Roche, Kurienerzbischof Vittorio Viola und Kurienbischof Aurelio García Macías. Alle drei wurden von Franziskus am 27. Mai in ihre Spitzenämter berufen: Msgr. Roche als Präfekt, Msgr. Viola als Sekretär und Msgr. García als Untersekretär.
Zuvor hatte Franziskus am 20. Februar Kardinal Robert Sarah wegen Erreichens der Altersgrenze als Präfekten der Kongregation entbunden. Bereits unter Kardinal Sarah, dessen Ernennung durch Franziskus im Herbst 2014 als „Betriebsunfall“ galt, da der Kardinal aus Afrika der liturgischen Sensibilität von Benedikt XVI. weit näher stand als der von Franziskus, hatte Msgr. Roche, der Sekretär, das eigentliche Sagen in der Kongregation und den Zugang zum Papst.
Zum neuen Sekretär ernannte Franziskus den bisherigen Bischof von Tortona, Msgr. Vittorio Viola OFM, der den Bischofsring von Msgr. Annibale Bugnini, dem „Baumeister“ des Novus Ordo Missae, trägt, dessen Schule er angehört.
Neuer Untersekretär ist der Spanier Msgr. Aurelio García Macías, dessen Auftrag darin bestehen soll, das Motu proprio Traditionis custodes umzusetzen.
Nicht empfangen wurde von Franziskus P. Corrado Maggioni SMM. Der Montfortaner war 2014, als Franziskus bis auf Msgr. Roche die gesamte Führungsspitze der Gottesdienstkongregation auswechselte (den Präfekten, Kardinal Antonio Cañizares, und zwei Untersekretäre) vom amtierenden Papst zum Untersekretär ernannt worden. Maggioni entstammt noch der Mannschaft von Msgr. Piero Marini, dem Zeremonienmeister von Papst Johannes Paul II., und gilt als entschiedener Bugnini-Anhänger. Msgr. Piero Marini, nicht zu verwechseln mit dem Zeremonienmeister von Papst Benedikt XVI., Msgr. Guido Marini, der von Franziskus am vergangenen Sonntag seines Amtes entbunden und anstelle von Msgr. Viola als Bischof nach Tortona geschickt wurde, war einer der engsten Mitarbeiter von Msgr. Annibale Bugnini.
P. Maggioni steht im Zusammenhang mit einer Kommission, deren Existenz vom Heiligen Stuhl weder verlautbart noch bestätigt wurde. Diese Kommission, der Maggioni und Piero Marini angehörten, verfaßte das im September 2017 von Franziskus promulgierte Motu proprio Magnum Principium, mit dem den Bischofskonferenzen Zuständigkeiten zur Übersetzung der liturgischen Texte übertragen wurden. Auftrag der Kommission und Ziel dieser „Dezentralisierung“ war, die Instruktion Liturgiam authenticam zu versenken, die 2001 von der Gottesdienstkongregation im Auftrag von Johannes Paul II. veröffentlicht worden war.
Liturgiam authenticam war den Bugnini-Schülern von Anfang an ein Dorn im Auge, weil sie in dieser Instruktion einen grundlegenden Text für die liturgische „Restauration“ sahen. In der Tat läutete sie den Versuch einer „Korrektur der ideologisierten liturgischen Übersetzungen“ ein, um die „verwüstete Liturgie“ wieder zu ordnen, wie Riposte catholique damals anmerkte. Die Instruktion hatte nämlich definiert, daß die Übersetzung der liturgischen Texte kein „kreatives Werk“ sein dürfe, sondern die Originaltexte „getreu und genau“ in die Volkssprache zu übertragen habe. In diesem Kontext ist auch das auf halbem Weg steckengebliebene Bestreben von Benedikt XVI. zu sehen, die Wandlungsworte „pro multis“ als „für viele“ (und nicht „für alle“) übersetzen zu lassen. Ein Bestreben, das, wo noch nicht ausreichend weit gediehen, durch seinen Amtsverzicht versenkt wurde, wie die neue italienische Übersetzung des Missale Romanum zeigt. Kardinal Sarah war bemüht, durch Richtlinien die Tragweite von Magnum Principium einzudämmen. 2017 kam es gleich mehrfach zu einem öffentlich wahrnehmbaren Schlagabtausch zwischen Papst Franziskus und Kardinal Sarah.
Die Abwesenheit Maggionis ist auch vor dem Hintergrund zu betrachten, daß Franziskus unmittelbar nach der Entlassung von Kardinal Sarah eine Apostolische Visitation der Gottesdienstkongregation anordnete.
Natürliche läßt sich das Fehlen Maggionis bei der gestrigen Audienz formal auch dadurch erklären, daß Franziskus nur die am 27. Mai neuernannten oder beförderten Spitzenvertreter der Gottesdienstkongregation empfangen wollte. Allerdings ist ein solcher Empfang nicht üblich. Stattdessen gibt es routinemäßige Audienzen, die ausschließlich der jeweilige Präfekt einer Kongregation wahrnimmt. Ein Sekretär wird nur vorgelassen, wenn der Präfektenstuhl vakant ist. Ein Untersekretär faktisch nie.
Die routinemäßigen Audienzen für den Präfekten der Gottesdienstkongregation finden zudem an Donnerstagen statt, nicht am Montag. Es ist daher anzunehmen, daß Franziskus der soeben von ihm ernannten Führung dieses Dikasteriums eine wichtige Mitteilung machte und einen konkreten Auftrag erteilte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)