(Rom) Am vergangenen Freitag veröffentlichte Eugenio Scalfari ein Plädoyer für die Verteidigung von Papst Franziskus. Gestern legte er mit einer weiteren Kolumne auf der Titelseite von La Repubblica nach. Der Grund: Papst Franziskus hatte am Samstag erneut zum Telefonhörer gegriffen und Scalfari angerufen.
Es sei ein „für mich wertvoller und bewegender“ Telefonanruf gewesen, so Scalfari gerührt. Zugleich bekräftigte der Doyen des italienischen Linksjournalismus wieder einmal, daß er und Franziskus „Freunde“ sind.
„Ich bin immer noch bewegt von diesem Telefongespräch und hoffe, daß Seine Heiligkeit und ich uns noch treffen können, wie es bis vor kurzem fast regelmäßig der Fall war.“
Scalfari ist immerhin schon 96 Jahre alt. Seinem kirchenfernen Publikum erklärte Scalfari gestern zunächst, warum er den Anruf berichtet.
„Ich gebe Nachricht davon, weil Papst Franziskus eine Persönlichkeit war und ist, die sich der Bedeutung des menschlichen Geschöpfs unabhängig von seiner Religion und Moral bewußt ist.“
Ob der von Scalfari verwendete christliche Begriff „Geschöpf“ eine salopper Griff ins Wörterbuch, ein Betriebsunfall oder ein Sinneswandel ist, läßt sich nicht sagen.
Wenn die auf der Titelseite begonnene und auf Seite 33 fortgesetzte Kolumne inhaltlich an dieser Stelle nicht näher wiedergegeben wird, dann deshalb, weil Scalfari trotz dieser Einleitung nichts von dem preisgibt, was Papst Franziskus und er am Telefon besprochen haben. Daher fehlen in dem gestern veröffentlichten Text auch die berüchtigten Aussagen unter Anführungszeichen, die Scalfari in der Vergangenheit dem Papst zuschrieb und die jeweils für großes Aufsehen sorgten.
Da der Telefonanruf am Tag nach Scalfaris Kolumne „Warum Papst Franziskus verteidigen“ erfolgte, muß im schlimmeren, aber wahrscheinlicheren Fall angenommen werden, daß Franziskus sich bei seinem Freund dafür bedankte, im günstigeren, aber unwahrscheinlicheren Fall, daß Franziskus klarstellte, als Ziel nicht eine Eine-Welt-Religion, also eine Welteinheitsreligion, anzustreben, und auch nicht der Ansicht zu sein, daß Gott nicht christlich sei. Beides hatte Scalfari am Vortag von Franziskus behauptet.
Unwahrscheinlich nicht nur wegen des päpstlichen Verhaltens gegenüber Scalfari in den vergangenen sieben Jahren, sondern auch wegen der gestern veröffentlichten Kolumne, die keinen Hinweis auf eine solche Klarstellung erkennen läßt.
Doch wie gesagt: Was Papst Franziskus und Eugenio Scalfari am Samstag miteinander besprochen haben, bleibt vorerst ein Geheimnis.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Repubblica (Screenshot)