(Rom/Jerusalem) Vier Tage nach seiner Ernennung wurde Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, dem neuen Patriarchen des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, von Papst Franziskus das Pallium angelegt. Seit mehr als vier Jahren leitete der italienische Franziskaner bereits das Patriarchat als Apostolischer Administrator, weshalb seine Ernennung von manchen erwartet wurde. Überraschend war hingegen die kurze, schmucklose Zeremonie gestern.
„Es plagen uns alte und neue Probleme“, schrieb der neue Patriarch in seinem ersten Brief an die Gläubigen seiner Jurisdiktion, „die kurzatmige Politik, die unfähig ist zu Visionen und Mut, ein immer mehr fragmentiertes und gespaltenes soziales Leben, eine Wirtschaft, die uns immer ärmer macht und nicht zuletzt diese Pandemie mit dem Zwang zu langsameren Rhythmen, die dem Leben widersprechen, an das wir gewohnt waren. Ich denke aber auch an unsere Schulen, die sich in immer größeren Schwierigkeiten befinden, an unsere kirchlichen Gemeinschaften, die manchmal so zerbrechlich sind, kurzum, an die vielen Probleme innerhalb und außerhalb von uns, die wir bereits kennen. Das alles lehrt uns schmerzlich, aber, wie ich hoffe, nachdrücklich, daß die Schritte und die Rhythmen des Menschen andere werden müssen, wenn er sich und die Welt retten will.“
Am 24. Juni 2016 hatte Papst Franziskus den damaligen Lateinischen Patriarchen Fouad Twal emeritiert. Twal hatte wenige Monate zuvor das kanonische Alter von 75 Jahren erreicht, ein Datum, das im Vatikan bereits mit einiger Ungeduld erwartet wurde. Die gebeutelte und schrumpfende Christenheit des Heiligen Landes sollte wegen seiner exponierten Position nicht zusätzlich in Unruhe versetzt werden, weshalb ein ruhiger Übergang angestrebt wurde. Dieser drängte allerdings, da die Finanzen des Patriarchats schwer zerrüttet waren. Damit endete der 1987 von Papst Johannes Paul II. begonnene Versuch, das lateinische Patriarchat in die Hände einheimischer, arabischer Christen zu legen.
Ein Patriarchat mit bewegter Geschichte
Die Geschichte des Lateinischen Patriarchats verlief sehr bewegt. Es wurde 1099 errichtet, parallel zur Ausrufung des Königreichs Jerusalem durch die Kreuzritter, denen die Befreiung des Heiligen Landes von den Muslimen gelungen war. Das Patriarchat war der erste Bischofssitz im Gebiet, das historisch zum griechischen Osten der Kirche gehörte. Eine solche Überschneidung der Jurisdiktion war verpönt, wurde aber aus lateinischer Sicht notwendig, weil sich kurz zuvor der griechische Osten im Großen Schisma von 1054 von Rom abgespalten hatte.
Als 1187 Jerusalem wieder von den Muslimen eingenommen wurde, verlor auch der Patriarch seinen Bischofssitz, den er nach Akkon an die Mittelmeerküste verlegte. Für die kurze Zeit von 1229 bis 1243 konnte er noch einmal in die Stadt zurückkehren, als Jerusalem letztmals von den Kreuzrittern übernommen wurde. Um ihm auch dann noch eine reale Jurisdiktion zu erhalten, wurde der Patriarch in Personalunion zugleich Bischof von Akkon. Als 1291 auch diese letzte Kreuzritter-Bastion fiel, war der Patriarch gezwungen, das Heilige Land zu verlassen und sich auf Zypern zurückzuziehen, das insgesamt zu einem Rückzugsgebiet der Kreuzritter wurde. Damit wurde das Lateinische Patriarchat immer mehr zum Titularpatriarchat, obwohl es zunächst auf Zypern noch Exilstrukturen gab und noch mehrere Amtsinhaber sich das ganze 14. und auch Teile des 15. Jahrhunderts hindurch um die Rückgabe der Heiligen Stätten bemühten. Ab 1374 residierten die meisten Patriarchen in Rom.
Um Anspruch und Präsenz im Heiligen Land sicherzustellen, hatte Papst Clemens VI. 1342 dem Kustos der Franziskanerkustodie des Heiligen Landes die Würde des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem verliehen, sofern diese nicht ausdrücklich einem anderen zugesprochen wurde. Die Ernennung Pizzaballas, der von 2004–2016 Kustos des Heiligen Landes war, könnte daher als spätes Anknüpfen an die Bulle Gratiam agimus von 1342 gesehen werden. Er ist seither der fünfte Franziskaner auf dem Patriarchenstuhl. Faktisch aber gab es für ein halbes Jahrtausend nur mehr einen Titel, an dem der Heilige Stuhl jedoch wegen der Heiligen Stätten festhielt.
Die Rückkehr des Patriarchen
Erst im 19. Jahrhundert taten sich neue Möglichkeiten auf, als das Osmanische Reich an Stärke verlor. 1842 errichteten die Anglikaner einen Bischofssitz in Jerusalem und im Juli 1847 die russisch-orthodoxe Kirche eine Missionsstation. Zur selben Zeit gab Papst Pius IX. bekannt, das Lateinische Patriarchat wiederherstellen zu wollen. Tatsächlich weihte er noch im Oktober desselben Jahres den tatkräftigen Giuseppe Valerga zum Bischof, der kurz darauf als erster Patriarch seit 1243 wieder Einzug in Jerusalem halten konnte.
Bis 1987 blieb das Amt fest in italienischer Hand, als Papst Johannes Paul II. mit dem in Nazareth geborenen Michel Sabbah den ersten arabischen Christen zum Patriarchen ernannte. Auf ihn folgte 2008 Fouad Twal aus Madaba in Jordanien, der bereits seit einigen Jahren Koadjutor war. Madaba, das bereits im Alten Testament genannt wird, aber in der Frühphase des Islams nach einem Erdbeben verödete, war 1880 nach über tausend Jahren von christlichen Familien wiederbesiedelt worden. Zwei italienische Priester des Lateinischen Patriarchats hatten sie im 60 Kilometer südlicher gelegenen Kerak bekehrt, das für seine mächtige, noch heute als Ruine beeindruckende Kreuzritterburg bekannt ist.
Durch ein Universitätsprojekt in seiner Heimat, die American University of Madaba, überlastete Twal die Finanzen des Patriarchats. Unter Msgr. Pizzaballa, den Franziskus 2016 mit der Ernennung zum Apostolischen Administrator zum Titularerzbischof erhob, konnte das Schlimmste abgewendet werden. Allerdings wird er auch als Patriarch noch lange an der Abtragung der Schulden in der Höhe von 100 Millionen Dollar zu arbeiten haben.
Die verschwindenden Christen
Auch beim Papstbesuch im Mai 2014 hatte es Unstimmigkeiten gegeben. Während sich der damalige Kustos P. Pizzaballa zurückhielt, flogen zwischen Patriarch Twal und päpstlichen Vertretern einige Funken. Bei der Begegnung mit den israelischen Großrabbinern, die gleichzeitig im Staat Israel als Verfassungsrichter fungieren, versteckte Franziskus sein Brustkreuz hinter dem Zingulum. Die einheimischen Christen fühlten sich aber durch den Heiligen Stuhl vor allem übergangen. Der Papst nützte zwar die Kulisse Jerusalems für seinen Auftritt mit Juden und Muslimen, doch sein Besuch galt nicht den Christen des Landes. Für diese wurde erst sehr spät und nach entsprechenden Bitten und Protesten ein Sonderprogramm eingeschoben. Dabei ist deren Präsenz im Heiligen Land vom Verschwinden bedroht:
Die Gesamtzahl der Katholiken steigt zwar leicht durch Gastarbeiter, doch jene der einheimischen Christen sinkt. Die Dramatik der Entwicklung läßt sich an den Zahlen ablesen. Im 12. Jahrhundert, als das Königreich Jerusalem auf seinem Höhepunkt stand, waren die Christen die Bevölkerungsmehrheit im Heiligen Land. In den vergangenen 75 Jahren brach ihr Anteil stärker ein als in den 750 Jahren davor. 1945 waren noch 30 Prozent der Einwohner des gesamten Heiligen Landes arabische Christen, heute sind es nur mehr 2,8 Prozent (1,4 Prozent der Einwohner Israels und knapp 5 Prozent der Einwohner in den von Israel besetzten Palästinensischen Autonomiegebieten). Lebten 1945 in Jerusalem noch 15 Prozent einheimische Christen, sind es heute keine 1,9 Prozent mehr.
Ein vermintes Gebiet
Weder Patriarch Twal noch Kustos Pizzaballa waren 2014 in den päpstlichen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eingebunden. Dieser sorgte nachträglich im Vatikan für einige Irritationen, deren Grund seither wie ein Tabu behandelt wird. In der Holocaustgedenkstätte wurden Franziskus sechs hochbetagte Juden vorgestellt. Offiziell hieß es dazu im Programm des Gedenkrituals: „Sechs Holocaustüberlebende repräsentieren die sechs Millionen Juden, die während des Holocaust ermordet wurden.“
Einige Zeit später erhielt der Vatikan Hinweise, daß zwei der sechs Holocaustüberlebenden von derselben Gedenkstätte als „ermordet“ geführt werden. Die Irritation im vatikanischen Staatssekretariat darüber war erheblich, daß dem Papst in einer öffentlichen Zeremonie von größter politischer Brisanz Personen in so „ungewöhnlicher“ Doppelfunktion präsentiert wurden: als Holocaustüberlebende und Holocausttote zugleich. Ein Vatikandiplomat meinte: „In Jerusalem stellt man dem Papst schon Tote vor“, um hinzuzufügen: „Wir freuen uns, daß sie ‚auferstanden‘ sind.“
Die Pallienverleihung in Santa Marta
Der neue Patriarch Pizzaballa lebt seit 1990 in Jerusalem. Er weiß, daß das Heilige Land ein geistlich tief berührendes, aber auch ein politisch gefährliches Terrain ist.
Franziskus legte gestern dem ernannten Patriarchen nach der morgendlichen Messe in Santa Marta das Pallium an. Ein ungewöhnlicher Schritt, da der Franziskaner von seinem Patriarchenstuhl noch nicht Besitz ergriffen hat, und die Pallien immer am 29. Juni, dem Fest Peter und Paul, feierlich im Petersdom allen im Jahr zuvor ernannten Metropoliten angelegt wurden – zumindest bis vor kurzem.
Papst Franziskus brach nämlich 2015 mit dieser Praxis und überreicht seither am 29. Juni die Pallien nur mehr, die erst zu einem späteren Zeitpunkt vom zuständigen Apostolischen Nuntius im jeweiligen Erzbistum feierlich angelegt werden. Im Falle des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem nahm Franziskus erneut eine Änderung vor, indem er zu einem außergewöhnlichen Zeitpunkt die Pallienverleihung doch selbst vornahm. Nicht bekannt ist, welchen Grund er für die Eile hatte.
In Rom gibt es allerdings genügend Insider, die bei einer solchen Anfrage mit einer lapidaren Bemerkung abwinken: „Franziskus mag Regeln eben nicht besonders“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)
Mission, ich höre immer nur Mission, bitte mal erklären was der Begriff beinhalten soll?
Alle Religionen sind doch gleich und Christus scheut sich nicht, den anderen Religionen Heil zu senden (II. Vatikanum).
Bekehrung anderer ist ohnehin verboten, also was bedeutet Mission ?
Das ist eben die Umdeutung aller Begriffe im 2. Vat.: Mission heisst nicht Christianisierung, sondern zum „brüderlichen Dialog um eine christliche Stimme beizutragen“…oder so ähnlich. Mit diesem geistigen Vorbehalt wird munter über Mission drauflosgeplaudert.
Eva hat mit dem Teufel auch Dialog geführt. Man sieht ja was dann passiert ist.