Italiens Regierung und Bischöfe einigen sich auf Wiederzulassung der Messe – irgendwann

Coronavirus und die politischen Operationen im Hintergrund


Desinfizierung einer Kirche. Corona in allen Variannten: Krise, Satire, Wahn, Interessen und politische Manöver.
Desinfizierung einer Kirche. Corona in allen Varianten: Krise, Satire, Wahn, Interessen und politische Manöver.

(Rom) Auf Ver­mitt­lung von San­ta Mar­ta haben sich die ita­lie­ni­sche Regie­rung und die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz wie­der ver­stän­digt. Am 26. April war es zum Bruch gekom­men, nach­dem die Regie­rung in ihrem Dekret für die „Pha­se 2“ zum Coro­na­vi­rus eine Wie­der­zu­las­sung der öffent­li­chen Mes­sen aus­ge­schlos­sen hatte.

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Die­se war zuvor wie­der­holt in Aus­sicht gestellt und den Gläu­bi­gen durch die Bischö­fe bereits ange­kün­digt wor­den. Da die Regie­rung die „Pha­se 2“ mit Mon­tag, dem 4. Mai, begin­nen ließ, dräng­te die Bischofs­kon­fe­renz auf die Wie­der­zu­las­sung der Mes­sen bereits am Sonn­tag, dem 3. Mai, weil für die Chri­sten­heit der Sonn­tag zählt.

Da platz­te am 26. April die Bom­be. Mini­ster­prä­si­dent Giu­sep­pe Con­te (par­tei­los) lehn­te eine Wie­der­zu­las­sung, die zuletzt noch zwei Tage zuvor von der zustän­di­gen Mini­ste­rin ange­kün­digt wor­den war, kate­go­risch ab. Die Empö­rung unter den Bischö­fen und dem gläu­bi­gen Volk war groß. Für die Bischö­fe ging es dabei nicht nur um die aus­blei­ben­den Locke­run­gen. Die Spit­ze der Bischofs­kon­fe­renz, die ver­han­delt hat­te, fühl­te sich von der Regie­rung vor den Kopf gesto­ßen. Hin­ter den Kulis­sen wur­den hef­ti­ge Wor­te gewech­selt. An die Öffent­lich­keit wur­de es zwar zurück­hal­ten­der, aber immer noch aus­rei­chend deut­lich kommuniziert.

Die Wogen gin­gen so hoch, daß sich der Vati­kan ein­schal­te­te. Papst Fran­zis­kus selbst wur­de ver­mit­telnd aktiv. Sei­ne Stim­me hat Gewicht im Palaz­zo Chi­gi, dem Amts­sitz des ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten, und eben­so im Qui­ri­nals­pa­last, dem Sitz von Staats­prä­si­dent Ser­gio Mat­tar­el­la. Sowohl der par­tei­lo­se Con­te als auch der Links­de­mo­krat Mat­tar­el­la ent­stam­men dem links­ka­tho­li­schen Spektrum. 

Das päpst­li­che Gewicht hat sei­nen Grund. Seit Aus­bruch der Coro­na­kri­se, von der eini­ge Tei­le Nord­ita­li­ens stär­ker getrof­fen wur­den, drängt Mini­ster­prä­si­dent Con­te auf eine Ent­schul­dung Ita­li­ens durch Ver­ge­mein­schaf­tung der ita­lie­ni­schen Schul­den. Die EU soll zur Schul­den­ge­mein­schaft wer­den und die Schul­den Ita­li­ens kol­lek­tiv schul­tern. Mit Roma­no Pro­di als Mini­ster­prä­si­dent hat­te ein ande­rer Links­ka­tho­lik Ita­li­en 1996 in die EU-Wäh­rungs­ge­mein­schaft geführt, obwohl die Spat­zen vom Dach pfif­fen, daß Ita­li­en nicht die dafür nöti­gen Kri­te­ri­en erfüll­te. Alle wuß­ten es, schau­ten jedoch weg, weil man eine poli­ti­sche Ent­schei­dung getrof­fen hat­te. Seit­her hat Ita­li­en davon pro­fi­tiert, was für eine spar­sa­me Aus­ga­ben­po­li­tik nicht för­der­lich war. Poli­ti­ker machen ger­ne „Geschen­ke“, um sich Wah­len zu sichern und die eige­ne Kli­en­tel zu befrie­di­gen. Ita­li­en hat durch das Euro-Kor­sett aller­dings auch Nach­tei­le, da ihm eine sou­ve­rä­ne Wäh­rungs­po­li­tik als regu­lie­ren­des Instru­ment ent­zo­gen wur­de. Ob sich der Weg aus den Schul­den und den lee­ren Kas­sen Euro­bonds, Coro­nabonds oder sonst­wie nennt, ist letzt­lich sekun­där. Die „magi­sche“ For­mel, die Con­te als Hebel ein­setzt, ist das Wort „Soli­da­ri­tät“. Der Jurist aus Apu­li­en mahnt eine „euro­päi­sche Soli­da­ri­tät“ ein und meint damit die Sanie­rung der ita­lie­ni­schen Staats­fi­nan­zen. Ursu­la von der Ley­en ist ihm zu Dank ver­pflich­tet, denn ihre Wahl zur EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin wur­de von der Fünf­ster­ne­be­we­gung gesi­chert, auf deren Vor­schlag Con­te Mini­ster­prä­si­dent wur­de. Von der Ley­en fehl­ten im Juli 2019 neun Stim­men im EU-Par­la­ment. Da wur­de die bis dahin EU-skep­ti­sche Fünf­ster­ne­be­we­gung im letz­ten Augen­blick zu einer EU-freund­li­chen Hal­tung umge­dreht. Wie das gelin­gen konn­te, dar­über ist nichts bekannt. Dafür opfer­te die Fünf­ster­ne­be­we­gung sogar die Koali­ti­on mit der EU-kri­ti­schen Lega von Matteo Sal­vi­ni. Daß die­se in Ber­lin und Brüs­sel ohne­hin nicht geliebt war, erleich­ter­te die Ope­ra­ti­on. Die fünf­zehn Abge­ord­ne­ten der Fünf­ster­ne­be­we­gung sicher­ten schließ­lich Von der Ley­ens Wahl in Brüs­sel und in Rom wur­de eine EU-freund­li­che Regie­rung mit den Links­de­mo­kra­ten instal­liert.

Con­te hat aber noch einen Ver­bün­de­ten: Papst Fran­zis­kus. Das Kir­chen­ober­haupt ver­wen­det seit Wochen auf­fäl­lig oft die glei­chen Voka­beln wie der Mini­ster­prä­si­dent und for­dert eine „euro­päi­sche Soli­da­ri­tät“. Zu auf­fäl­lig, um ein Zufall zu sein.

Für die­se Unter­stüt­zung, die prak­tisch, aber nicht unbe­dingt gut für Ita­li­en ist und vor allem die Net­to­zah­ler unter den EU-Mit­glieds­staa­ten teu­er zu ste­hen kommt, zeig­te sich Con­te nun erkennt­lich. Nach eini­gem Hin und Her kam es am 2. Mai zu einer Ver­stän­di­gung zwi­schen Regie­rung und Bischofs­kon­fe­renz. Man habe „gemein­sa­me Lini­en für ein Abkom­men“ gefun­den, teil­te Kar­di­nal Gual­tie­ro Bas­set­ti, der Vor­sit­zen­de der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, am Sams­tag mit.

Erklä­rung der Pres­se­stel­le der Bischofskonferenz

Wel­cher Druck dabei von San­ta Mar­ta auf die Bischofs­kon­fe­renz aus­ge­übt wur­de, läßt sich der Pres­se­er­klä­rung Nr. 36/​2020 des Pres­se­bü­ros der Bischofs­kon­fe­renz ent­neh­men. Dar­in wird Kar­di­nal Bas­set­ti mit den Wor­ten zitiert:

„Ich brin­ge mei­ne Genug­tu­ung, die der Bischö­fe und gene­rell der kirch­li­chen Gemein­schaft dar­über zum Aus­druck, daß wir zu gemein­sa­men Lini­en für ein Abkom­men gelangt sind, das es – in den kom­men­den Wochen auf der Grund­la­ge der Ent­wick­lung der epi­de­mio­lo­gi­schen Kur­ve – erlau­ben wird, die Zele­bra­ti­on der Mes­sen mit Volk wiederaufzunehmen.“

Die Ver­trö­stung auf „kom­men­de Wochen“ und ohne Nen­nung eines kon­kre­ten Ter­mins ist eine erneu­te Nie­der­la­ge für die Bischofs­kon­fe­renz. Aller­dings mit einem Unter­schied: Sie wird im Gegen­satz zur ersten Nie­der­la­ge vom 26. April, die mit Empö­rung auf­ge­nom­men wur­de, posi­tiv ver­mit­telt, denn hin­ter die­ser „Eini­gung“ steht Papst Fran­zis­kus. Eine Kri­tik ist damit aus­ge­schlos­sen. San­ta Mar­ta, wie es in Rom heißt, wünscht kei­ne Inter­fe­ren­zen in die guten Bezie­hun­gen des Vati­kans zur der­zei­ti­gen ita­lie­ni­schen Links­re­gie­rung aus Fünf­ster­ne­be­we­gung und Links­de­mo­kra­ten. An deren Zustan­de­kom­men im Som­mer 2019 hat­te San­ta Mar­ta tat­kräf­tig mit­ge­wirkt (sie­he auch Ist es Auf­trag der Kir­che, die Sou­ve­rä­ni­täts­be­we­gung zu bekämp­fen?).

Der Pri­mat der Poli­tik, der das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus prägt, zeigt sich selbst dort, wo es um die Sub­stanz geht, näm­lich die öffent­li­che Kul­tus­frei­heit der Kir­che. Inof­fi­zi­ell trö­stet man sich damit, daß die öffent­li­chen Mes­sen bis Ende Mai wie­der­zu­ge­las­sen wer­den sol­len. Auf poli­ti­scher Ebe­ne gibt es wel­che, die gar kein so gro­ßes Inter­es­se an einem bal­di­gen Abklin­gen der Coro­na­kri­se zu haben scheinen.

Kar­di­nal Gual­tie­ri bedank­te sich in der Pres­se­er­klä­rung sogar bei der ita­lie­ni­schen Regie­rung. Wofür? Für eine unkon­kre­te Zeit­an­ga­be „in den kom­men­den Wochen“? 

Die „Eini­gung“ signa­li­siert zwei­er­lei: Die öffent­li­che Mes­se kann war­ten, sagt die Regie­rung, wäh­rend Super­märk­te und Fri­seu­re seit Mon­tag wie­der öff­nen dür­fen. Die öffent­li­che Mes­se kann war­ten, sekun­diert auch San­ta Mar­ta, denn die gigan­ti­sche Umschul­dungs­ak­ti­on, eine von meh­re­ren poli­ti­schen Ope­ra­tio­nen, die unter dem Vor­wand des Coro­na­vi­rus der­zeit welt­weit, beson­ders aber in der EU im Gan­ge sind, habe Vorrang.

Und der Vor­sit­zen­de der Bischofs­kon­fe­renz, Kar­di­nal Bas­set­ti, vom Papst 2017 per­sön­lich ein­ge­setzt und 2014 zum Kar­di­nal kre­iert, muß sich dafür öffent­lich bedanken.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Avvenire/​CEI (Screen­shots)

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