
(Rom) Italien erlebt gerade eine Regierungskrise. Starke Kräfte von Rom über Berlin bis Brüssel sind am Werk, die Lega von Innenminister Matteo Salvini aus der Regierung zu verdrängen. Was in Österreich bereits gelungen ist, soll in Italien wiederholt werden. Die Vertreter der Souveränitätsbewegung sind auch dort, wo sie demokratisch Regierungsverantwortung übernehmen konnten, von den Schalthebeln entfernt werden – koste es, was es koste. Ob stattdessen eine Technikerregierung wie in Österreich oder eine Linksregierung folgt, wie sie gerade für Italien gezimmert wird, spielt keine wirkliche Rolle. Wichtig ist, daß die EU-kritischen Parteien beseitigt und EU-freundliche Vertreter installiert werden. Daran arbeitet in Italien auf Wunsch von Santa Marta auch die Kirche. Die katholische Richtung, die dieser Linie folgt, verfügt nun sogar über ein Manifest, das ein Ziel definiert, ob für Washington, Budapest, Rom oder Wien: die Beseitigung der Souveränitätsbewegung.
Ein soeben bei Il Mulino, dem bedeutendsten, linken Wissenschaftsverlag Italiens erschienenes Buch erhält in den offiziellen katholischen Medien große Aufmerksamkeit und breiten Raum. Der Titel „La scommessa cattolica“ läßt sich mit „Die katholische Herausforderung“ übersetzen. Der Untertitel stellt die Frage, ob es noch einen Zusammenhang zwischen dem Schicksal unserer Gesellschaften und dem Christentum gibt.
Ambitioniertes Buch
Das Buch ist ambitioniert: Die Autoren erheben immerhin den Anspruch, einen Weg zur Erneuerung der Kirche aufzeigen zu wollen. Das Autorenduo ist ein Ehepaar. Es handelt sich um Chiara Giaccardi und ihren Ehemann Mauro Magatti. Beide sind Soziologen und lehren an der Katholischen Universität Sacro Cuore in Mailand. Magatti gehört zu den katholischen Denkern, die derzeit im Trend der offiziellen Ausrichtung der Kirche liegen. Daß ausgerechnet zwei Soziologen die schwierige Lösung der anhaltenden Kirchenkrise gefunden haben wollen, muß allerdings skeptisch stimmen.
Die Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, der Avvenire, widmete eine ganze Seite einem Vorabdruck des Buches. Famiglia Cristiana, das größte Wochenmagazin Italiens, veröffentlichte ein Interview mit dem Autorenduo von ganzen sieben Seiten. Die vielsagende Überschrift lautete:
„Ist der Moment gekommen für ein neues Vatikanisches Konzil?“
Ausgangspunkt des Buches ist eine Situationsanalyse, der kaum jemand widersprechen dürfte:
„Die katholische Kirche scheint veraltet und schwerfällig, vor allem in Europa, wo für den Großteil der Dreißigjährigen die ‚Gottesfrage‘ keinerlei Bedeutung hat.“
Die Analyse des Ehepaars Magatti ist gnadenlos, aber zutreffend:
„Zusammenbruch der religiösen Praxis in den am meisten entwickelten Gesellschaften; Schwierigkeiten besonders unter Jugendlichen und gebildeten Kreisen; massiver Rückgang der Berufungen. Aussagekräftige Symptome, zu denen noch der Ansehensverlust durch Finanz- und sexuelle Mißbrauchsskandale hinzukommen.“
Schaler Lösungsvorschlag
Soweit die Analyse, die allerdings bereits von zahlreichen anderen Autoren beschrieben wurde. Der springende Punkt ist allerdings die Frage, wie die Kirche diese Krise überwinden kann. Genau darauf will das Buch von Magatti/Giaccardi Antwort geben, und genau damit beginnen die Schwachstellen.
Das Autorenduo liefert eine Vielzahl netter Rezepte, um es salopp zu sagen, doch das von ihnen servierte Gericht schmeckt schal. Nimmt man zum Buch noch die dazu veröffentlichten Interviews hinzu, entsteht ein Bild, das nicht überzeugen kann.
Die Hauptsorge der beiden Soziologen ist eine ganz andere als die genannte Erneuerung der Kirche, nämlich die Souveränitätsbewegung, und ihr zentrales Anliegen ist deren Bekämpfung.
Damit erklärt sich auch schon, warum Mauro Magatti derzeit im Trend liegt und zu den gefragten Kolumnisten des Corriere della Sera gehört.
Magatti formuliert es in einem Interview mit Formiche so:
„Diese Antwort, die als Souveränismus bekannt ist, sehe ich als problematisch, sei es aus politischer wie auch aus religiöser Sicht.“
Und weiter:
„Wir erleben die Wiederkehr einer Verbindung von Politik und Religion. Das Problem ist, diese Rückkehr zu verstehen, welche Gründe sie hat, und zu vermeiden, daß sie schädliche Folgen zeitigt. Das ist ein problematisches Element des Souveränismus: Die Rückkehr der Religion und der Politik, die sich verbünden, um eine Art von neuer Heiliger Allianz zu bilden gegen den Kosmopolitismus, denn sie ist dazu bestimmt, Spaltungen, Gegensätze, Kämpfe, Mauern und Kulturkampf zu provozieren.“
Alle Vorschläge der beiden Soziologen zur Erneuerung der Kirche münden im selben Punkt: Die Souveränitätsbewegung und die sogenannte „rechte Versuchung“ müssen bekämpft werden.
Theoretischer Unterbau für die Linie von Santa Marta?
Das entspricht der Linie von Santa Marta, wenngleich sie nicht offiziell deklariert wird. Darin folgen zahlreiche kirchliche Hierarchen, Bischofskonferenzen, Bischöfe und Priester und kirchliche Organisationen dem Papst. Auch die Begründung, die Magatti nennt, wird bereits auf breiter Front praktiziert. Papst Franziskus vollzog in den vergangenen Jahren eine bisher in diesem Ausmaß kaum gekannte Politisierung der Kirche. Sein Umfeld behauptet jedoch, daß es sich dabei „nicht um Politik“ handle, denn es sei die Gegenseite, die eine inakzeptable Vermengung von Politik und Religion betreibe, auf die man lediglich reagiere. Kritiker sprechen von einem dialektischen Wortspiel, wie es aus der Politik bekannt ist. Nicht von ungefähr hieß es nach dem ersten Jahr des Pontifikats von Papst Franziskus, nach dem „Philosophen auf dem Papstthron“ (Johannes Paul II.) und dem „Theologen auf dem Papstthron“ (Benedikt XVI.) sei nun der „Soziologe auf dem Papstthron“. Im siebten Jahr seines Pontifikats sprechen Beobachter vielmehr vom „Politiker auf dem Papstthron“.
Pater Antonio Spadaro SJ, der Schriftleiter der römischen Jesuitenzeitschrift und einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus, machte in den vergangenen Wochen deutlich: Um die Souveränisten der Lega aus der Regierung zu verdrängen, sei Santa Marta sogar bereit, einer Linksregierung aus Fünfsternebewegung (M5S) und Linksdemokraten (PD) den Segen zu erteilen, obwohl eine solche Kombination die nicht verhandelbaren Werte mit Füßen tritt.
Wo Fünfsternebewegung und Linksdemokraten bereits koalieren, in Piemont und in der Emilia-Romagna, haben sie die gesamte Agenda linker gesellschaftspolitischer Experimente vorangetrieben: von der „Leihmutterschaft“ bis zur Abtreibung, von der Propaganda für die schrankenlose Masseneinwanderung bis zur Homosexualisierung. Es war die Lega, die den M5S im Zaum hielt.
Paradoxerweise bezeichnet sich Magatti als Gegner biotechnischer Experimente. Gleichzeitig fordert er eine politische Formel, die Italien und die Staaten der westlichen Welt genau jenen Parteien und Koalitionen ausliefern soll, die diese Experimente ebenso sorglos wie skrupellos befürworten.
Die Kirche schweigt für Establishment-Regierung zum Lebensrecht
Von der Kirche erwarten sich die Katholiken Antworten zu Euthanasie und Abtreibung, zu „Leihmutterschaft“ und „Homo-Ehe“. Das sind die wirklichen Herausforderungen unserer Zeit, an denen sich die anthropologische Frage entscheiden wird. Wer sonst sollte Antwort geben, wenn nicht die Kirche?
Doch die derzeit tonangebende Kirchenhierarchie scheint nicht an Antworten interessiert zu sein und überläßt sie den sogenannten „fortschrittlichen“ Kräften. Die kirchlichen Hierarchen scheinen derzeit vielmehr daran interessiert, für Migranten und eine neue, schrankenlose Völkerwanderung und gegen die Souveränisten und die Souveränitätsbewegung zu sprechen.
Die Kirche ist keine Partei. Sie hat auch keine Wahlkämpfe zu führen. Sie hat aber die Wahrheit über den Menschen, die natürliche Ordnung und die Moral zu verkünden. Benedikt XVI. beklagte soeben, daß für die Kritiker seiner Stellungnahme zum sexuellen Mißbrauchsskandal in der Kirche Gott keine Rolle spielt. Er hält dem entgegen, daß Gott immer im Mittelpunkt zu stehen hat und über Gott gesprochen werden soll.
Über Gott sprechen heißt auch, das Lebensrecht eines jeden Menschen zu verteidigen, auch der ungeborenen Kinder und der „nutzlosen“ Kranken, Behinderten und Alten; heißt auch, der gesunden, natürlichen Ordnung widersprechende Biotechniken wie In-Vitro-Fertilisation und Leihmutterschaft abzulehnen; heißt auch, die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau und die intakte Familie als sicherer Hort für die Kinder zu verteidigen.
Eine Kirche, die nur mehr eine Art NGO ist, die modische Ziele verfolgt, die Soziologen empirisch ermittelt haben, ist jedoch eine Kirche, die nichts taugt, denn eine solche Kirche braucht niemand. Benedikt XVI. hat vor einer solchen Entwicklung gewarnt.
Der geforderte, aber nicht gewollte Dialog
Vollends unbrauchbar werden die Rezepte des Autorenduos, wo es die „Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Politik, Religion, Wirtschaft und Technik“ anreget, nachdem es zuvor einer ungesunden Allianz dieser Kräfte das Wort geredet hat, um den „Feind“, die EU-kritischen Kräfte, zu bekämpfen, die für die Selbstbestimmung der Völker und deren Bewahrung und ihrer Kultur eintreten.
Das Problem ist, daß die Kräfte, denen das Ehepaar Magatti so etwas wie ein theoretisches Manifest liefert, keinen Dialog wollen, auch nicht die beiden Soziologen, denn das eigentliche Anliegen ist Feinderkennung und Feindbekämpfung. Dafür sind sie bereit, über alle wirklichen Herausforderungen hinwegzusehen, wie es P. Antonio Spadaro in den sozialen Netzwerken deutlich macht. Der Massenmord an ungeborenen Kindern, die Zersetzung von Ehe und Familie sind klaffende Wunden für Kirche, Gesellschaft und Staat. Doch anstatt sie anzusprechen, sollen die Katholiken die Augen davor verschließen, Hauptsache die Souveränitätsbewegung wird besiegt.
Damit stellt sich die Frage: Welche Ziele will diese Linie von Santa Marta erreichen? Ebenso die Frage: Wer definiert diese Linie, die sich so deutlich mit jener des internationalen Establishments deckt?
Die Soziologen Magatti und Giaccardi erheben einen Anspruch, dem sie mit ihrem Buch nicht gerecht werden. Ihr Lösungsvorschlag, um die Kirchenkrise zu beenden und die Erneuerung der Kirche zu erreichen, ist in Wirklichkeit wertlos, da er lediglich die politische Agenda von Santa Marta und der globalen Eliten unterstützt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Ich glaube ganz fest, dass es zu den Themen Euthanasie, Abtreibung und Ehe keiner Diskussion seitens der Heiligen Mutter Kirche mit den weltlichen Mächten geben muß. Vielmehr ist es bereits klar festgelegt für jeden Katholiken. Dies ist nicht „verhandelbar“ oder zu relativieren. Wenn der Papst diese Punkte relativiert oder verwässert begibt er sich mehr und mehr in eine Rolle, die der des falschen Propheten gleicht. Wir müssen , in diesen beängstigenden Zeiten, mehr für ihn Beten. Beten dass er von seinem furchtbaren weltlichen Kurs abkommt er sich besinnt und zurückkehrt als ein guter Hirte.
Die Vorschläge dieses engagierten Pärchens sind für Glaubende und Suchende irrelevant bis unsympathisch, aber bei den Mächtigen und globalen Eliten könnte sich die am Boden liegende Kirche eine Atempause verschaffen, indem sie die Kehle hin hält, um nicht gleich totgebissen zu werden…
„Europa, wo für den Großteil der Dreißigjährigen die ‚Gottesfrage‘ keinerlei Bedeutung hat.“
Die 15–30-jährigen suchen die Wahrheit, die ihnen aber die abgefallene Mainstreamkirche verweigert. Deshalb hat die Mainstreamkirche keinerlei Bedeutung, denn wir brauchen keinen schlechten “ katholischen“ Aufguss der antichristlichen Weltpolitik sondern katholische Verkündigung und katholisches Bekenntnis und zwar besonders von Papst und Bischöfen, das aber wird eben verweigert.
Wie stellen wir uns überhaupt den falschen Propheten vor? Können wir uns überhaupt die Möglichkeit vorstellen, dass dieser innerhalb der katholischen Kirche arbeitet und aus ihr kommt? Ich glaube, dieser Möglichkeit so zu denken verweigern sich noch die meisten, denn es ist in der Tat ungeheuerlich.