
General Piero Laporta liefert im Stakkato-Stil markante, teils ungewöhnlich erfrischende, teils verblüffende Hinweise auf das aktuelle geopolitische Geschehen, zu dem es sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Dabei ist jene des Generals nicht nur hörenswert, sondern bietet eine Gelegenheit, die eigene Meinung daran zu überprüfen.
Israel, Gaza und die Ukraine. Wie auch immer es endet, Xi Jinping hat bereits gewonnen
Von General Piero Laporta*
Zu viele verfolgen den Konflikt im Gazastreifen mit der gleichen emotionalen Schärfe wie ein Fußballspiel: die Lieblingsmannschaft gegen den historischen Gegner, Milan gegen Inter, Bayern München gegen Borussia Dortmund. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen Krieg mit Toten und vielen Risiken, und nicht nur andere, sondern auch der Staat Israel hat das Recht, ihn zu führen, wenn er in seinem Existenzrecht bedroht wird, denn er hat das Recht zu existieren.
Hat Israel Fehler gemacht? Ja.
Hat Israel Greueltaten begangen? Ja.
Dennoch hat es ein Existenzrecht, weil es sich dieses im Krieg von 1948/1949 erworben hat, den die umliegenden muslimischen Länder geführt haben, weil sie den Beschluß der UN-Vollversammlung, einen jüdischen und einen arabischen Staat zu gründen, nicht akzeptiert haben. Das ist Realpolitik.
„Staaten werden geboren und sterben im Krieg“, sagte bekanntlich Charles de Gaulle. Und es ist gut, sich diesen und andere Kernsätze der Geopolitik immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Israel hat den Krieg und die vier folgenden Kriege gewonnen. Daher hat es realpolitisch ein Recht zu existieren.
Nichtsdestotrotz könnte Israel ebenso realpolitisch wieder verschwinden, wenn es einen einzigen Krieg verliert, auch gegen ein Palästina, das, bevor es von den Rothschilds und der City of London erfunden wurde, so nie existiert hat. Diejenigen, die daran zweifeln, sollten bedenken, daß die Jerusalem Post das Kind der Palestinian Post ist, die von den Zionisten gegründet wurde.
Als der jüdische Staat entstand, hatten die sowjetischen Geheimdienste einen guten Tag, indem sie sich das Lemma „Palästina“ aneigneten, um der einheimischen arabischen Bevölkerung eine Identität zu geben, die sich ihrerseits auf die Sowjets und die arabischen Nachbarn verließ und alle Kriege verlor.
„Staaten werden im Krieg geboren und sterben im Krieg“, selbst der Vatikanstaat, von dem zu Recht innige Aufrufe zum Frieden ausgehen, ist das Ergebnis unzähliger Kriege, von denen des Risorgimento bis zum Ersten Weltkrieg.
Was ist ein Imperium, was ist Krieg?
Ein weiteres Gesetz, das schon immer galt: Imperien geht mit den Jahren die Luft aus und sie brechen zusammen. Kurz gesagt, sie sind zwar langlebiger als ein Soufflé, aber dennoch dazu bestimmt, die Luft zu verlieren. Panta rhei, alles vergeht, auch Imperien, die dekadenten vor den widerstandsfähigeren.
Es ist daher notwendig zu definieren, was ein Imperium ist und was Krieg ist. Setzen wir einmal „Herrschaft“ als intuitiv voraus. Das Imperium ist die Herrschaft über eine Vielzahl von Nationen. Die Nation wird durch ein Volk, ein Territorium und durch seine Traditionen ausgemacht – und durch das nationale Interesse, auf das wir noch zurückkommen werden.
„Krieg ist“ nach Carl von Clausewitz „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Lenin kehrte die Begriffe um: „Politik ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“. Das ist die Schule, aus der Wladimir Putin kommt, dessen muß man sich bewußt sein, bevor man ihn heiligspricht.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs galt für die USA die Regel: „Politik ist die Fortsetzung des Business mit anderen Mitteln“. Als die beiden Kennedy-Brüder ermordet wurden (wer weiß, warum man sich gewöhnlich nur an einen von ihnen erinnert), vergaßen sie aber die Mahnung des Generals und Präsidenten Dwight D. Eisenhower: „Jede produzierte Schußwaffe, jedes vom Stapel gelaufene Kriegsschiff, jede abgeschossene Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungrig sind und nichts zu essen haben, an denen, die frieren und nichts anzuziehen haben.“
Auch für Joe Biden (2009–2017 und seit 2021) wie zuvor für seine Vorgänger, besonders die Bushs, Vater und Sohn (1981–1993, 2001–2009), ist „Krieg die Fortsetzung des Business mit anderen Mitteln“.
Imperium EU
Das unwahrscheinlichste Imperium? Die Europäische Union: unbewaffnet, ohne internationale staatliche Rechtspersönlichkeit, beherrscht von einer nicht gewählten Oligarchie; ihre Währung, der Euro, ist nur so lebendig, wie die USA und die Bundesrepublik Deutschland, bzw. deren jeweilige Eliten, es – aus teils gegensätzlichen Gründen – wollen. In der EU gibt es über 200 ethnische Gruppen, die unmöglich eingeschmolzen werden können (und auch nicht sollen). Die christliche Kultur hätte sie vereinen und das notwendige Bindeglied sein können: Das wurde jedoch 2003 entschieden abgelehnt, sogar in der Variante „jüdisch-christliche Wurzeln“. Heute feiern sie Ramadan. Das nennt sich Selbstmord.
Imperium China
China ist das solideste Imperium. Beherrscht von einer kompakten und pyramidalen Diktatur; modern, reich an Kultur, Arbeitskraft und wissenschaftlichem und technischem Können. Es mangelt an Rohstoffen, weshalb sie bezogen werden müssen, wo immer sie zu bekommen sind.
China zählt zwar 55 anerkannte ethnische Minderheiten, von denen aber nur wenige relevant sind. Insgesamt ist das Land sehr homogen: 1) die Han stellen mit fast 92 Prozent die große Mehrheit des Staatsvolkes; 2) die Zhuangs, die zweitgrößte Volksgruppe, ein Tai-Volk, machen nur 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus; 3) die Uiguren, turksprachige Muslime, 0,8 Prozent, 4) die tungusischen Mandschus 0,7 Prozent; 4) die Hui, muslimische Han, ebenfalls 0,7 Prozent; 5) die Miao, südchinesische Bergvölker, 0,6 Prozent usw.
Die Kontrolle des riesigen Territoriums ist eisern, kapillar und artikuliert, um die 1.425.267.780 Einwohner im Auge zu behalten. Um jeden Tag für jeden Chinesen 100 Gramm Reis zu gewährleisten, werden täglich 15 Millionen Tonnen Reis benötigt, zusätzlich sieben Millionen Tonnen Wasser, um den Reis zu kochen und dafür unzählige Tonnen Gas.
Wären diese fast anderthalb Milliarden Menschen sich selbst überlassen, würden sie verhungern, denn täglich 15 Millionen Tonnen Reis anzubauen, zu ernten, bereitzustellen und zu kochen (Wasser, Brennstoff) – jeden Tag – erfordert eine Organisation, die nicht nur präzise und pünktlich funktioniert wie die Schweiz, sondern auch rücksichtsloser ist. Man bedenke, daß Chinas Reisernte 2023 mit 144 Millionen Tonnen prognostiziert wurde. Kurz gesagt, das Regime sagt den Menschen: entweder Reis oder Demokratie. Was ziehen die Menschen wohl vor? Der Vatikan tut meines Erachtens gut daran, sein Abkommen mit Peking zu erneuern, unabhängig davon, ob es gut oder schlecht ist, denn es gibt eine Zukunft, mit der man sich auseinandersetzen muß.
Imperium Rußland
Die Russische Föderation ist ein Imperium mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen, das trotz zahlreicher innerer und vor allem äußerer Angriffe seit dem Ende der Sowjetunion, die sich in der Heiligen Nacht 1991 (nach unserem Kalender) auflöste, dennoch zusammenhält.
Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind Russen. Andere ethnische Gruppen sind: 1) Tataren (3,8 Prozent); 2) Ukrainer (1,3 Prozent); 3) Baschkiren (1,1 Prozent); 4) Tschuwaschen (1 Prozent); 5) Tschetschenen (0,9 Prozent) und 6) Armenier (0,8 Prozent). Es gibt weitere 190 kleine, offiziell anerkannte ethnische Gruppen. Die Verschmelzung bei Wahrung kultureller Eigenheiten funktioniert bis auf Ausnahmen.
Rußland hat 145 Millionen Einwohner. Es ist das bevölkerungsreichste Land Europas, aber die Bevölkerungsdichte beträgt nur 8,5 Einwohner pro Quadratkilometer, im europäischen Teil sind es 30 Einwohner (zum Vergleich: Bundesrepublik Deutschland 235 Einwohner, Schweiz 218, Österreich 108). Das Land hat eine 4.000 Kilometer lange Grenze mit China. Wenn Rußland einen Panzer pro Kilometer aufstellen würde, was aus militärischer Sicht ein seidener Faden ist, müßte es allein dort 4.000 Panzer haben, die es nicht hat. Auf der anderen Seite ist Rußland eine erstklassige Atom- und Militärmacht. Die Volksrepublik China verfügt über eine gigantische Zahl von Soldaten, aber nicht über die strategischen Nuklearkräfte Rußlands, das zudem über die Rohstoffe verfügt, die Peking dringend braucht. Ihr Bündnis steht also geradezu ans Himmelsgewölbe geschrieben. Historisch ist das aber eine ganz neue Situation. Durch etliche Jahrhunderte war Rußland auf Konstantinopel ausgerichtet, dann nach Westen, vor allem Deutschland…
Imperium USA
Schließlich das US-Imperium, das am meisten in der Krise steckt. Auf seinem Territorium leben 340 Millionen Menschen unterschiedlichster Ethnien und Rassen, deren Gewichtungen sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verschoben haben. Die Amalgamierung erfolgt oberflächlich, anders als es noch unter den Europäern geschah, die die USA gründeten. Aufstiegsmöglichkeiten und Business kaschieren das Trennende notdürftig, sind aber kein sehr solides Bindemittel, zumal ein Drittel der Bevölkerung beim Aufstieg nicht dabei ist. Zudem wird das Land von den oberen zehn Prozent kontrolliert, innerhalb derer es ein oberstes Prozent gibt, das das wirkliche Sagen hat. Die Zusammensetzung dieses obersten Prozentes ist ganz anders als die der Gesamtbevölkerung.
Die effektive Ausdehnung der USA ist zudem nicht auf ihr Territorium begrenzt, sondern global und betrachtet die ganze Welt als Interessensphäre, einschließlich der EU und auch einschließlich Rußlands und Chinas. Die USA würden diese gerne ersticken, haben aber nicht mehr die Kraft dazu.
Die führende Position der USA in Europa und im angelsächsischen Raum (mit Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland und, am Rande, auch Japan) ist weit weniger glänzend, als sie es einmal war. Der Krieg in der Ukraine und im Gaza-Streifen sowie das sich zuspitzende Aufeinanderprallen von Donald Trump und Joe Biden (hinter dem das Weltwirtschaftsforum in Davos operiert und hinter vielen weiteren Vorhängen das britische Königshaus, an dem inzwischen der Krebs nagt) haben die NATO für die Machtprojektion mit oder ohne UN-Mandat unbrauchbar gemacht, wie es hingegen noch im Irak, auf dem Balkan samt dem Kosovo, in Afghanistan und im „Arabischen Frühling“ in Libyen, Ägypten, Tunesien und besonders in Syrien der Fall war.
Der brodelnde Kessel
In diesem Siedekessel der Imperien ohne langfristige Perspektiven, abgesehen von China, befindet sich Israels Bevölkerung von neun Millionen Menschen, auf einem Gebiet von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns. 73,2 Prozent der israelischen Bevölkerung (7.208.000 Menschen) sind Juden, 21,1 Prozent (2.080.000 Menschen) sind Araber (fast zur Gänze Muslime, nur mehr eine verschwindend kleine Minderheit Christen). Es wäre ein kleines Imperium mit nur zwei ethnischen Gruppen und zwei Nationen, allerdings zwei völlig unvereinbaren, nicht verschmelzbaren. Die Mehrheit der Minderheit will das Ende Israels. Das nennt sich unvereinbar.
Zynisch oder realpolitisch, je nach Sichtweise, müßte man sagen: Israels Fehler 1948 war es, keine radikale ethnische Säuberung vorgenommen zu haben, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg im Osten oder im Laufe der Geschichte so oft geschehen ist. Wer daran zweifelt, sollte die Istrier, die deutschen Vertriebenen, die Kurden, die Armenier und die Indianer in den USA fragen.
Nach dem, was am 7. Oktober geschehen ist, aufgrund welcher Hintergründe auch immer, hat Israel keine Wahl, denn das nationale Interesse ist die Summe all dessen, was zur wirtschaftlichen, territorialen und sozialen Sicherheit beiträgt. Gaza ist gegen die Sicherheit Israels und keines der vier Imperien (USA, China, Rußland oder die EU) kann Israels Sicherheit garantieren.
Die haben alle ihre eigenen Kopfschmerzen und können sich nicht noch mehr engagieren. Die USA leiden aufgrund der inneren Spaltung und der weit verbreiteten Feindseligkeit gegenüber Israel, die mit der beschriebenen inneren Machthierarchie zu tun hat, unter tiefen internen Rissen.
Wenn wir aufhören würden, die Welt so zu betrachten, als bestünde sie aus zwei unerbittlichen gegensätzlichen Lagern, den Guten und den Bösen, würden wir erkennen, daß die fehlgeleitete Politik der Imperien und des Zionismus Israel an den Punkt gebracht hat, an dem es kein Zurück mehr zu geben scheint. Israels Regierung ist überzeugt und entschlossen, Rafah zu stürmen, die Hamas auszulöschen und auch den Südlibanon zu bombardieren, um, mit den USA und der EU im Rücken, der Hisbollah und dem Iran, hinter dem Rußland und China stehen, ein unmißverständliches Signal zu senden. Und dann?
Eines steht jedoch schon fest: Wie auch immer der Krieg in der Ukraine oder in Gaza ausgehen wird, Chinas Staatsführer Xi Jinping hat bereits gewonnen. Das ist die Tatsache, die es im Auge zu behalten gilt.
Während ich diese Zeilen schreibe, wird von Demonstrationen in Hamburg berichtet, die ein „Ende der Islamfeindlichkeit“ und die Errichtung des Kalifats fordern. Ist das ein Zufall? Mitten in Deutschland wird zu dieser Zeit das Kalifat gefordert? Ein Ende der Islamfeindlichkeit? Obwohl die Kirchen dieses einst christlichen Landes, durch tausend Jahre die Führungsmacht Europas, sich leeren und die Muslime, die nie zu diesem Land gehörten, in Massen vor den leeren Kirchen beten?
Aber nicht alles läuft schlecht. Die Zerschlagung der Davoser und der antichristlichen Front ist wichtig und im Gange. Netanjahu, ein Zionist und Davoser, steht gegen Biden, einen Radikalen und Davoser, und beide stehen gegen die Muslime, denen Davos in offenem Widerspruch gegen die Christen seit Jahrzehnten zuzwinkert. Ein Chaos, das ausnahmsweise tröstlich wirkt.
Und noch ein Wort zu Israel: Israel ist ein Bollwerk im Nahen Osten, nicht der Zionismus, daran sollten wir uns jeden Tag erinnern. Eine andere Sache ist der Zionismus, der destabilisiert und zu Israel gehört wie der Blinddarm zum menschlichen Körper. Israel muß sich vom Zionismus befreien, und dabei sollten wir es unterstützen. Wenn Israel den Krieg verliert, würde es sein Existenzrecht verlieren. Damit Israel den Krieg verliert, muß man sich dafür eine geballte Militärmacht vorstellen. Und dann? Dann wären wir an der Reihe.
Darum: Schauen wir zu, während die anderen, die es nicht lassen können, sich zerfleischen, und behalten wir unsere nationalen Interessen im Auge: wirtschaftliche Sicherheit, territoriale Sicherheit und soziale Sicherheit. Keines der heutigen vier Imperien garantiert uns diese Sicherheiten. Bauen wir vielmehr, wo immer möglich, den christlichen Staat wieder auf, den einzigen echten Garanten wahrer Zivilisation und Prosperität. Bleiben wir kluge und vorsichtige Beobachter der Kriege der anderen, auf daß sie nicht unsere werden, und tun wir das ohne falsche Sentimentalität, den stummen Bruder des Hasses, denn Christus siegt trotz des Krieges.
*Piero Laporta, Generalmajor (Divisionsgeneral) der Reserve, leitete im aktiven Dienst zuletzt das Amt für Wehrpolitik des italienischen Generalstabs, Katholik, verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Der Text klingt einigermaßen gut, aber er sollte mal mit Exilchinesen sprechen.
Glaubt Herr Laporta, als guter Katholik, die seit Jahrzehten betriebene Ein Kind Familienpolitik und der Kommunismus, der die Seelen jedes Menschen zerfrisst, hat keine tiefen Spuren hinterlassen, die sich jetzt, nach Jahrzehnten, eben auch in der Funktionalität bemerkbar machen?
Immerhin verlangt er jetzt nicht mehr, dass wir alldem gleichgültig zuschauen sollen, sondern gibt den vernünftigen Rat, das Reich Gottes, wo es denn eben geht, wieder aufzubauen