Fiducia supplicans und das nächste Konklave

Das kommende Konklave dürfte nicht ohne überraschende Wendungen sein


Fiducia supplicans bringt unerwartete Bewegung in die bisherigen Frontstellungen in der Kirche
Fiducia supplicans bringt unerwartete Bewegung in die bisherigen Frontstellungen in der Kirche

Von Rober­to de Mattei*

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Die Pro­mul­ga­ti­on der Erklä­rung des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re Fidu­cia sup­pli­cans am 18. Dezem­ber 2023 und die dar­auf fol­gen­den Reak­tio­nen bie­ten uns einen mög­li­chen Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis des kom­men­den Konklaves.

Der Autor der Erklä­rung ist der enge Mit­ar­bei­ter und Ghost­wri­ter von Papst Fran­zis­kus, Vic­tor Manu­el Fernán­dez, der am 1. Juli 2023 zum Prä­fek­ten des neu­en Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re ernannt und am dar­auf­fol­gen­den 30. Sep­tem­ber zum Kar­di­nal kre­iert wur­de. Das Doku­ment wur­de von Papst Fran­zis­kus ex audi­en­tia unter­zeich­net, was es unan­fecht­bar macht. Nor­ma­ler­wei­se soll­te das Doku­ment Aus­druck des ordent­li­chen Lehr­am­tes der Kir­che sein, ist es aber nicht, weil es durch die Abwei­chung von der kirch­li­chen Leh­re jeg­li­chen Cha­rak­ter der „Lehr­amt­lich­keit“ verliert.

Die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans stellt jedoch ein regel­rech­tes und ech­tes „berg­o­glia­ni­sches Mani­fest“ dar, und zwar auf­grund eines spe­zi­fi­schen Merk­mals, das bereits im Moder­nis­mus vor­han­den war: Sie bekräf­tigt die Treue zum Lehr­amt der Kir­che, wäh­rend sie es mit einer skru­pel­lo­sen intel­lek­tu­el­len Akro­ba­tik umstößt. Ins­be­son­de­re leug­net Fidu­cia sup­pli­cans, daß eine homo­se­xu­el­le Bezie­hung jemals mit der Ehe gleich­ge­setzt wer­den könn­te, aber indem es die Mög­lich­keit der Seg­nung die­ser Bezie­hung zuläßt, bil­ligt es sie und wider­spricht in die­sem Punkt dem Lehr­amt, das die wider­na­tür­li­che Sün­de immer ver­ur­teilt hat. Es ver­si­chert, daß der Segen außer­lit­ur­gisch ist, aber da man nur das seg­nen (bene dice­re, loben) kann, was an sich gut ist, behaup­tet es damit eine gleich­ge­schlecht­li­che Bezie­hung als etwas Gutes an sich. Es lehnt die Seg­nung der homo­se­xu­el­len Bezie­hung als sol­che ab, aber da nicht eine ein­zel­ne Per­son geseg­net wird, son­dern das angeb­li­che „Paar“, das nicht auf­ge­for­dert wird, die uner­laub­te Bezie­hung zu been­den, seg­net es das Band, das die bei­den „Part­ner“ sünd­haft vereint.

Ist es da ver­wun­der­lich, daß Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, eme­ri­tier­ter Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die­se Seg­nung als sakri­le­gi­schen und blas­phe­mi­schen Akt bezeichnete?

Die Äuße­rung von Kar­di­nal Mül­ler war klar und deut­lich, aber sie ist nicht die ein­zi­ge, die in den ver­gan­ge­nen Tagen erschie­nen ist. Die neue Tat­sa­che, die uns einen Schlüs­sel zur Inter­pre­ta­ti­on des bevor­ste­hen­den Kon­kla­ves bie­tet, ist das Auf­tre­ten von Bischö­fen und Kar­di­nä­len, die nie zuvor öffent­lich ihre Irri­ta­ti­on oder Kri­tik an Papst Fran­zis­kus geäu­ßert haben. Bis­her waren die wich­tig­sten Reak­tio­nen auf das Abdrif­ten des berg­o­glia­ni­schen Pon­ti­fi­kats die Sup­pli­ca filia­le, die 2016 von Hun­dert­tau­sen­den von Gläu­bi­gen auf der gan­zen Welt unter­zeich­net wur­de, die Cor­rec­tio filia­lis, die 2017 von einer Grup­pe katho­li­scher Theo­lo­gen und Intel­lek­tu­el­ler vor­ge­legt wur­de, und die Dubia, die von eini­gen bedeu­ten­den Kar­di­nä­len, dar­un­ter die Kar­di­nä­le Ray­mond Leo Bur­ke und Wal­ter Brand­mül­ler, 2016 und 2023 vor­ge­legt wurden.

Dies­mal ist es anders. Nach­ein­an­der ertön­ten mit unter­schied­li­chen Ton­la­gen die Stim­men der Bischö­fe von Gha­na, Sam­bia, Mala­wi, Togo, Ben­in, Kame­run, Kenia, Nige­ria, Kon­go, Ruan­da, Ango­la und São Tomé, also prak­tisch alle afri­ka­ni­schen Bischö­fe, wäh­rend das Sym­po­si­um der Bischofs­kon­fe­ren­zen von Afri­ka und Mada­gas­kar einen Auf­ruf zu einer kon­zer­tier­ten Akti­on lan­cier­te, der von Kar­di­nal Fri­do­lin Ambon­go, dem Erz­bi­schof von Kin­sha­sa, unter­zeich­net wur­de, der am 5. Okto­ber 2019 von Papst Fran­zis­kus den Pur­pur erhal­ten hatte.

Die­sen kri­ti­schen Stim­men schlos­sen sich die pol­ni­schen Bischö­fe, die Bischö­fe bei­der Riten der Ukrai­ne, des latei­ni­schen und des grie­chisch-katho­li­schen, die Erz­diö­ze­se Ast­a­na in Kasach­stan und vie­le ande­re über die gan­ze Welt ver­streu­te Diö­ze­sen, wie jene von Mon­te­vi­deo, an. Kar­di­nal Dani­el Fer­nan­do Stur­la, Erz­bi­schof von Mon­te­vi­deo, wur­de eben­falls am 14. Febru­ar 2015 von Papst Fran­zis­kus zum Kar­di­nal ernannt und gehört wie Kar­di­nal Ambon­go zu den Wäh­lern im kom­men­den Konklave.

Man mag sagen, daß sie eine Min­der­heit sind, und das sind sie auch. Eine noch klei­ne­re Min­der­heit sind aber die Bischö­fe, die sich aus­drück­lich hin­ter die Erklä­rung des Glau­bens­dik­aste­ri­ums gestellt haben. Es ist inter­es­sant fest­zu­stel­len, daß die schärf­ste Kri­tik an Fidu­cia sup­pli­cans gera­de von den „Rän­dern“ kommt, die Papst Fran­zis­kus so oft als Trä­ger der authen­ti­schen reli­giö­sen und mensch­li­chen Wer­te beschwo­ren hat.

Inter­es­sant ist jedoch, dass die schärf­ste Kri­tik an Fidu­cia sup­pli­cans gera­de von jenen „Peri­phe­rien“ geäu­ßert wur­de, die Papst Fran­zis­kus so oft als Trä­ger authen­ti­scher reli­giö­ser und mensch­li­cher Wer­te beschwo­ren hat, wäh­rend sich die Phi­lo­so­phie des Doku­ments eini­ge Bischofs­kon­fe­ren­zen zu eigen mach­ten, etwa jene Bel­gi­ens, der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und der Schweiz, die die am mei­sten ver­welt­lich­ten Epi­sko­pa­te reprä­sen­tie­ren, und auch jene, die am wei­te­sten ent­fernt sind von den exi­sten­zi­el­len Pro­ble­men der „Rän­der“.

Die über­wie­gen­de Mehr­heit der Bischö­fe und Kar­di­nä­le hat sich ent­we­der nicht geäu­ßert oder, wenn sie es doch getan haben, vor­ge­schla­gen, Fidu­cia sup­pli­cans auf einer Linie zu inter­pre­tie­ren, die mit dem Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che und dem vor­her­ge­hen­den Respon­sum der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vom 15. März 2021 über die Mög­lich­keit der Seg­nung gleich­ge­schlecht­li­cher Part­ner­schaf­ten über­ein­stimmt und kei­nen Bruch dar­stellt. Die Posi­ti­on die­ser Kar­di­nä­le und Bischö­fe ist sowohl in lehr­mä­ßi­ger als auch in pasto­ra­ler Hin­sicht unüberwindbar. 

Die Grün­de für die Zwei­deu­tig­keit in der For­mu­lie­rung sind wahr­schein­lich in der Angst zu suchen, nicht in offe­nen Kon­flikt mit Papst Fran­zis­kus und den ihn unter­stüt­zen­den Medi­en­mäch­ten zu gera­ten. Die­se mag­ma­ti­sche und ver­wirr­te Mit­te ist jedoch nicht „berg­o­glia­nisch“ und ihr Aus­druck im Kar­di­nals­kol­le­gi­um bil­det die schwan­ken­de „Drit­te Par­tei“ zwi­schen den bei­den Min­der­hei­ten, die sich im näch­sten Kon­kla­ve gegen­über­ste­hen wer­den: auf der einen Sei­te der der Leh­re treue Pol der Kir­che, auf der ande­ren Sei­te jener, der dem „neu­en Para­dig­ma“ ver­pflich­tet ist. Die Aus­ein­an­der­set­zung wird in einer Situa­ti­on der Sedis­va­kanz statt­fin­den, wenn Papst Fran­zis­kus bereits abge­tre­ten sein wird, die Medi­en schwei­gen und jeder Wäh­ler allein vor Gott und sei­nem eige­nen Gewis­sen steht. Das genügt, um anneh­men zu kön­nen, daß das näch­ste Kon­kla­ve umkämpft, nicht kurz und viel­leicht nicht ohne über­ra­schen­de Wen­dun­gen sein wird.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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