Neue Dubia und ein altes Spiel?


Während Papst Franziskus neue Kardinäle kreierte, liegen auf seinem Schreibtisch seit mehr als 40 Tagen die Dubia von fünf namhaften Kardinälen zur bevorstehenden Synodalitätssynode.
Während Papst Franziskus neue Kardinäle kreierte, liegen auf seinem Schreibtisch seit mehr als 40 Tagen die Dubia von fünf namhaften Kardinälen zur bevorstehenden Synodalitätssynode.

(Rom) Fünf Kar­di­nä­le haben im ver­gan­ge­nen Som­mer fünf Dubia (Zwei­fel) an Papst Fran­zis­kus gerich­tet, die zen­tra­le Aspek­te der bevor­ste­hen­den Syn­oda­li­täts­syn­ode betref­fen. Dubia sind die inner­kirch­lich legi­ti­me Form, um vom Kir­chen­ober­haupt die Klä­rung offe­ner Fra­gen, zu denen Zwei­fel bestehen, zu erwir­ken. Doch Fran­zis­kus reagiert, wie er es bereits 2016 getan hat, als ihm vier Kar­di­nä­le Dubia zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia unter­brei­te­ten: Er schweigt (aber nicht ganz). Das Vor­brin­gen der Dubia ist den­noch von gro­ßer Bedeutung.

Anzei­ge

Die Namen fünf nam­haf­ter Kar­di­nä­le ste­hen unter den Dubia, die nun öffent­lich bekannt­ge­ge­ben wur­den. Es sind: Wal­ter Kar­di­nal Brand­mül­ler (Deutsch­land), Ray­mond Kar­di­nal Bur­ke (USA), Juan Kar­di­nal San­d­oval Íñi­guez (Mexi­ko), Robert Kar­di­nal Sarah (Gui­nea) und Joseph Kar­di­nal Zen Ze-kiun (Chi­na). Sie reprä­sen­tie­ren alle Erd­tei­le aus­ge­nom­men Ozea­ni­en, doch darf mit Sicher­heit ange­nom­men wer­den, daß der Anfang des Jah­res ver­stor­be­ne Kar­di­nal Geor­ge Pell die Dubia unter­zeich­net hät­te, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Magi­ster ist es auch, dem die Kar­di­nä­le die Ver­öf­fent­li­chung ihrer Zwei­fel anver­trau­ten. Er leg­te heu­te eine Chro­no­lo­gie der jüng­sten Dubia vor, die am 10. Juli Papst Fran­zis­kus und dem Prä­fek­ten des Glau­bens­dik­aste­ri­ums über­mit­telt wur­den. Anders als 2016, als die Kar­di­nä­le Wal­ter Brand­mül­ler, Ray­mond Bur­ke, Car­lo Caf­farra und Joa­chim Meis­ner Dubia zu Amo­ris lae­ti­tia vor­leg­ten, reagier­te Papst Fran­zis­kus die­ses Mal umge­hend. Bereits am näch­sten Tag setz­te er ein Ant­wort­schrei­ben auf, das die Kar­di­nä­le am 13. Juli erreich­te. Die­se kamen jedoch über­ein, daß die Ant­wort, trotz ihrer Län­ge von sie­ben auf Spa­nisch geschrie­be­nen Sei­ten, kei­ne Ant­wort ist. Der Papst reagier­te zwar schnell, doch mit einem aus­wei­chen­den und vagen Wort­schwall, sodaß kei­nes der Dubia von ihm geklärt wurde.

Aus die­sem Grund faß­ten die fünf Kar­di­nä­le den Ent­schluß, ihre Zwei­fel nach 40 Tagen, am 21. August, erneut dem Papst vor­zu­le­gen, dies­mal aller­dings in einer schär­fe­ren Formulierung.

Die fünf Fra­gen betref­fen zen­tra­le Berei­che der Glau­bens­leh­re und der Moral und bezie­hen sich auf die Syn­oda­li­täts­syn­ode, deren erste Ses­si­on am 4. Okto­ber begin­nen wird. Die zwei­te Ses­si­on soll dann im Herbst 2024 folgen.

Seit­her sind wei­te­re 40 Tage ver­gan­gen, ohne daß sie eine Ant­wort von San­ta Mar­ta erhal­ten haben. Des­halb haben die fünf Kar­di­nä­le sich ent­schlos­sen, ihre Dubia öffent­lich bekannt­zu­ma­chen. Damit fol­gen sie dem Vor­ge­hen jener vier Kar­di­nä­le, die 2016 Dubia zu Amo­ris lae­ti­tia vor­leg­ten. Zwei der dama­li­gen Unter­zeich­ner sind ver­stor­ben, ohne eine Ant­wort zu bekom­men. Die ande­ren bei­den sind nun wie­der­um Initia­to­ren und Unter­zeich­ner der neu­en Dubia. In der Tat über­schnei­den sie sich auch inhaltlich.

Den Inhalt der Dubia faßt Magi­ster zusammen:

„Die Unter­zeich­ner fra­gen den Papst, ob die Kir­che in Fra­gen des Glau­bens und der Moral das Gegen­teil von dem leh­ren kann, was sie immer gelehrt hat, und ob einer Syn­ode wie der lau­fen­den, die sich auch aus ein­fa­chen Getauf­ten zusam­men­setzt, die Auto­ri­tät ver­lie­hen wer­den kann, die immer aus­schließ­lich dem Papst und den Bischö­fen zustand.“

Neben die­sen grund­sätz­li­chen Zwei­feln gehen die fünf Pur­pur­trä­ger auch auf eini­ge kon­kre­te Punk­te ein:

  • die Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paare
  • den Zugang von Frau­en zum Weihesakrament
  • die bedin­gungs­lo­se Abso­lu­ti­on in der Beich­te für alle und immer

Die blitz­schnel­le Ant­wort von Fran­zis­kus, die am 11. Juli erfolg­te, trägt zwar sei­ne Unter­schrift, ent­spricht aber in ihrem Schreib­stil dem päpst­li­chen Pro­te­gé und Ghost­wri­ter Vic­tor Manu­el Fernán­dez, den Fran­zis­kus zum neu­en Glau­bens­prä­fek­ten ernann­te und am Sams­tag zum Kar­di­nal kre­ierte. Sei­ne Tex­te sind wort­reich, blu­mig, aber inhaltsschwach. 

Die neu­en Dubia, mit denen die fünf Kar­di­nä­le auf die Nicht-Ant­wort des Pap­stes reagier­ten, sind so for­mu­liert, daß sie ein­deu­tig mit einem „Ja“ oder „Nein“ zu beant­wor­ten sind – „ohne Schlupf­lö­cher“, wie San­dro Magi­ster ergänzt. Die­se sind unter Fran­zis­kus zum römi­schen Mar­ken­zei­chen gewor­den, wo „Klä­run­gen“ not­wen­dig wur­den. So hat­te Glau­bens­prä­fekt Luis Kar­di­nal Lada­ria SJ auf ein Dubi­um zur Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re 2021, mit Zustim­mung von Fran­zis­kus, eine klä­ren­de Ant­wort gege­ben. Doch kurz nach­dem das Doku­ment der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­öf­fent­licht wor­den war, fiel Fran­zis­kus sei­nem Glau­bens­prä­fek­ten in den Rücken und wider­sprach mehr­fach. Auf die­se Wei­se aber wer­den Doku­men­te römi­scher Insti­tu­tio­nen über­flüs­sig und wert­los, wie die Unter­zeich­ner der neu­en Dubia befan­den. Es muß Fran­zis­kus selbst sein, der vor aller Welt kla­re und ein­deu­ti­ge Ant­wor­ten gibt.

Genau das aber sagt Fran­zis­kus ganz und gar nicht zu. Er mag es nicht, sich fest­na­geln zu las­sen, eine ein­deu­ti­ge und unmiß­ver­ständ­li­che Ant­wort zu geben. Und noch weni­ger mag er es, gedrängt zu wer­den. Was er mag, ist völ­li­ger Hand­lungs­spiel­raum und die Mög­lich­keit, bei Bedarf eine Aus­sa­ge in eine ande­re Rich­tung kor­ri­gie­ren zu kön­nen, not­falls auch, daß sie dem Gegen­teil des zuvor Gesag­ten entspricht.

Genau die­se Ver­schwom­men­heit, die schwarz und weiß mei­det und sich bevor­zugt im Grau­be­reich auf­hält, in dem man gege­be­nen­falls abtau­chen und sich ver­stecken kann, das ist es, was Fran­zis­kus zusagt.

Kar­di­nal Lada­ria, ein Jesu­it wie Fran­zis­kus, wes­halb der Papst von ihm mit abso­lu­ter Loya­li­tät rech­nen konn­te, wur­de inzwi­schen vom Papst durch sei­nen erwähn­ten Zieh­sohn Kar­di­nal Fernán­dez ersetzt. Der 2021 in der Homo-Fra­ge von Fran­zis­kus vor aller Welt gede­mü­tig­te Lada­ria zog aus dem Ver­hal­ten des Pap­stes, nun, da er nicht mehr dienst­ver­pflich­tet ist, sei­ne per­sön­li­chen Kon­se­quen­zen und gab bekannt, daß er nicht an der Syn­oda­li­täts­syn­ode teil­neh­men werde.

Papst Fran­zis­kus schafft sich ein neu­es Kar­di­nals­kol­le­gi­um: Am Sams­tag kre­ierte er 21 neue Kar­di­nä­le, von denen 18 in einem künf­ti­gen Kon­kla­ve stimm­be­rech­tigt sein werden

Die kla­re Vor­ga­be der am 21. August vor­ge­leg­ten Dubia, die ein „Ja“ oder ein „Nein“ ver­lan­gen, erhielt von Fran­zis­kus kei­ne Ant­wort mehr. Und sie wer­den auch kei­ne erhal­ten. Rom wird dar­auf behar­ren, bereits geant­wor­tet zu haben. 

Die Dubia vom 21. August sind bewußt in jenem Stil der Klar­heit for­mu­liert wie die Dubia von 2016. Eine der bei­den Ant­wor­ten ent­spricht der kirch­li­chen Leh­re, die ande­re ihrem Gegen­teil. Fran­zis­kus müß­te sich damit ein­deu­tig beken­nen oder offen erklä­ren, nicht mehr mit der über­lie­fer­ten Leh­re über­ein­zu­stim­men und damit das Petrus­amt verlieren.

Bereits 2016 gab es, wie sein Umfeld durch­sickern ließ, zor­ni­ge Aus­brü­che in San­ta Mar­ta wegen der ihm damals vor­ge­leg­ten Dubia zu Amo­ris lae­ti­tia. Der päpst­li­che Zorn rich­te­te sich aus­drück­lich gegen die For­mu­lie­rungs­art: Ein Nein zur kirch­li­chen Leh­re kam a prio­ri nicht in Fra­ge, denn es hät­te den Anfang vom siche­ren Ende eines unrühm­li­chen Pon­ti­fi­kats bedeu­tet. Ein Ja zur kirch­li­chen Leh­re, die eine Selbst­ver­ständ­lich­keit für einen Papst sein soll­te, woll­te Fran­zis­kus aber nicht abge­ben, weil es das gan­ze „Werk“ sei­nes Pon­ti­fi­kats in Fra­ge stel­len wür­de, die kirch­li­che Leh­re in der Theo­rie unver­än­dert zu las­sen, aber in der Pra­xis umzu­ge­stal­ten und auf den Kopf zu stellen.

Fran­zis­kus möch­te ein „Ja, aber“ zur Ant­wort geben, ein „Ja“, dem eine lan­ge, nicht enden wol­len­de Erklä­rung über Schat­tie­run­gen, Grau­stu­fen, Aus­nah­men aller Art und gra­du­el­le Abstu­fun­gen fol­gen würde.

Die fünf Kar­di­nä­le wen­den sich heu­te mit fol­gen­der Erklä­rung an das gläu­bi­ge Volk

Mitteilung an die Laien zu den an Papst Franziskus gerichteten „Dubia“

Brü­der und Schwe­stern in Chri­stus!

Wir, Mit­glie­der des hei­li­gen Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, haben im Bewußt­sein der Pflicht aller Gläu­bi­gen, „den hei­li­gen Hir­ten ihre Gedan­ken über das, was das Wohl der Kir­che betrifft, mit­zu­tei­len“ (can. 212 § 3), und vor allem der Ver­ant­wor­tung der Kar­di­nä­le, die „dem Papst … als Ein­zel­ne … beson­ders in der täg­li­chen Sor­ge um die Gesamt­kir­che bei­ste­hen“ (can. 349), in Anbe­tracht ver­schie­de­ner Erklä­run­gen eini­ger hoher Prä­la­ten bezüg­lich der Durch­füh­rung der näch­sten Bischofs­syn­ode, die ein­deu­tig im Wider­spruch zur stän­di­gen Leh­re und Dis­zi­plin der Kir­che ste­hen und die bei den Gläu­bi­gen und ande­ren Men­schen guten Wil­lens gro­ße Ver­wir­rung her­vor­ge­ru­fen haben – in einem Fall sogar einen Irr­tum – und wei­ter­hin her­vor­ru­fen, dem Papst unse­re tief­ste Besorg­nis mitgeteilt.

Unter Rück­griff auf die bewähr­te Pra­xis, einem Obe­ren „dubia“ [Fra­gen] vor­zu­le­gen, um ihm Gele­gen­heit zu geben, durch sei­ne „respon­sa“ [Ant­wor­ten] die Leh­re und Dis­zi­plin der Kir­che zu klä­ren, haben wir Papst Fran­zis­kus mit unse­rem Schrei­ben vom 10. Juli 2023 fünf „dubia“ [Fra­gen] vor­ge­legt, von denen eine Kopie bei­gefügt ist. Papst Fran­zis­kus hat uns mit Schrei­ben vom 11. Juli 2023 geantwortet.

Nach dem Stu­di­um die­ses Brie­fes, der nicht der Pra­xis der „respon­sa ad dubia“ [Ant­wor­ten auf Fra­gen] folg­te, haben wir die „dubia“ neu for­mu­liert, um eine kla­re Ant­wort zu erhal­ten, die auf der immer­wäh­ren­den Leh­re und Dis­zi­plin der Kir­che beruht. Mit unse­rem Schrei­ben vom 21. August 2023 haben wir die umfor­mu­lier­ten „dubia“ dem Papst vor­ge­legt, eine Kopie davon ist bei­gefügt. Bis heu­te haben wir kei­ne Ant­wort erhalten.

In Anbe­tracht der Ernst­haf­tig­keit der Ange­le­gen­heit der „dubia“, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die oben erwähn­te bevor­ste­hen­de Ses­si­on der Bischofs­syn­ode, haben wir es für unse­re Pflicht gehal­ten, Sie, die Gläu­bi­gen, zu infor­mie­ren (can. 212 § 3), damit Sie nicht Ver­wir­rung, Irr­tum und Ent­mu­ti­gung aus­ge­setzt sind, und Sie zu bit­ten, für die Gesamt­kir­che und ins­be­son­de­re für den Papst zu beten, damit das Evan­ge­li­um immer kla­rer gelehrt und immer treu­er befolgt wird.

Mit freund­li­chen Grü­ßen in Christus,

Wal­ter Card. Brand­mül­ler
Ray­mond Leo Card. Bur­ke
Juan Card. San­d­oval Íñi­guez
Robert Card. Sarah
Joseph Kar­de. Zen Ze-kiun

Rom, 2. Okto­ber 2023

Und nun das Schrei­ben und die fünf Dubia, wie sie die fünf Kar­di­nä­le am 21. August Papst Fran­zis­kus vor­ge­legt haben:

An Seine Heiligkeit Franziskus, den Papst

Hei­li­ger Vater!

Wir sind sehr dank­bar für die Ant­wor­ten, die Ihr uns freund­li­cher­wei­se gege­ben habt. Wir möch­ten zunächst klar­stel­len, daß wir Euch die­se Fra­gen nicht aus Furcht vor dem Dia­log mit den Men­schen unse­rer Zeit gestellt haben, auch nicht aus Angst vor den Fra­gen, die sie uns über das Evan­ge­li­um Chri­sti stel­len könn­ten. Denn wir sind eben­so wie Eure Hei­lig­keit davon über­zeugt, daß das Evan­ge­li­um dem mensch­li­chen Leben Fül­le ver­leiht und Ant­wor­ten auf alle unse­re Fra­gen bie­tet. Die Sor­ge, die uns bewegt, ist eine ande­re: Wir sehen mit Sor­ge, daß es Seel­sor­ger gibt, die an der Fähig­keit des Evan­ge­li­ums zwei­feln, die Her­zen der Men­schen zu ver­wan­deln, und ihnen schließ­lich kei­ne gesun­de Leh­re, son­dern „Leh­ren nach ihren eige­nen Wün­schen“ (vgl. 2 Tim 4,3) vor­schla­gen. Wir sind auch besorgt dar­über, daß nicht ver­stan­den wird, daß die Barm­her­zig­keit Got­tes nicht dar­in besteht, unse­re Sün­den zuzu­decken, son­dern viel grö­ßer ist, weil sie uns befä­higt, auf Sei­ne Lie­be zu ant­wor­ten, indem wir Sei­ne Gebo­te hal­ten, das heißt, uns bekeh­ren und an das Evan­ge­li­um glau­ben (vgl. Mk 1,15).

Mit der glei­chen Auf­rich­tig­keit, mit der Ihr uns geant­wor­tet habt, müs­sen wir hin­zu­fü­gen, daß Eure Ant­wor­ten die Zwei­fel, die wir geäu­ßert hat­ten, nicht aus­ge­räumt, son­dern viel­mehr noch ver­tieft haben. Wir sehen uns daher ver­an­laßt, die­se Fra­gen erneut und neu for­mu­liert an Eure Hei­lig­keit zu rich­ten, der Ihr als Nach­fol­ger des Petrus vom Herrn beauf­tragt seid, Eure Brü­der im Glau­ben zu stär­ken. Dies ist umso dring­li­cher ange­sichts der bevor­ste­hen­den Syn­ode, die vie­le dazu nut­zen wol­len, die katho­li­sche Leh­re zu genau den The­men zu ver­leug­nen, um die es in unse­ren „Dubia“ geht. Wir stel­len daher unse­re Fra­gen neu, sodaß sie mit einem ein­fa­chen „Ja“ oder „Nein“ beant­wor­tet wer­den können.

1. Eure Hei­lig­keit besteht dar­auf, daß die Kir­che ihr Ver­ständ­nis des Glau­bens­gu­tes ver­tie­fen kann. Dies ist in der Tat das, was Dei Ver­bum 8 lehrt und zur katho­li­schen Leh­re gehört. Ihre Ant­wort erfaßt jedoch nicht unser Anlie­gen. Vie­le Chri­sten, dar­un­ter auch Pasto­ren und Theo­lo­gen, argu­men­tie­ren heu­te, daß die kul­tu­rel­len und anthro­po­lo­gi­schen Ver­än­de­run­gen unse­rer Zeit die Kir­che dazu brin­gen soll­ten, das Gegen­teil von dem zu leh­ren, was sie immer gelehrt hat. Dies betrifft Fra­gen, die für unser Heil wesent­lich und nicht zweit­ran­gig sind, wie das Bekennt­nis des Glau­bens, die sub­jek­ti­ven Bedin­gun­gen für den Zugang zu den Sakra­men­ten und die Ein­hal­tung des Sit­ten­ge­set­zes. Wir wol­len daher unser „dubi­um“ neu formulieren:

  • Ist es der Kir­che heu­te mög­lich, Leh­ren zu ver­brei­ten, die im Wider­spruch zu dem ste­hen, was sie frü­her in Fra­gen des Glau­bens und der Moral gelehrt hat, sei es durch den Papst „ex cathe­dra“, sei es durch die Defi­ni­tio­nen eines öku­me­ni­schen Kon­zils, sei es durch das all­ge­mei­ne ordent­li­che Lehr­amt der über die gan­ze Welt ver­streu­ten Bischö­fe (vgl. Lumen Gen­ti­um, 25)?

2. Eure Hei­lig­keit hat dar­auf bestan­den, daß es kei­ne Ver­wechs­lung zwi­schen der Ehe und ande­ren Arten von Ver­bin­dun­gen sexu­el­ler Natur geben darf und daß daher jeder Ritus oder jede sakra­men­ta­le Seg­nung gleich­ge­schlecht­li­cher Paa­re, die zu einer sol­chen Ver­wechs­lung füh­ren wür­de, ver­mie­den wer­den soll­te. Unse­re Sor­ge ist jedoch eine ande­re: Wir sind besorgt, daß die Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re in jedem Fall Ver­wir­rung stif­ten könn­te, nicht nur dann, wenn sie den Anschein einer Ana­lo­gie zur Ehe erwecken könn­te, son­dern auch inso­fern, als homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen prak­tisch als etwas Gutes oder zumin­dest als ein mög­li­ches Gutes dar­ge­stellt wür­den, das Gott von den Men­schen auf ihrem Weg zu ihm ver­langt. Wir for­mu­lie­ren also unse­ren Zwei­fel neu:

  • Ist es mög­lich, daß ein Pfar­rer unter bestimm­ten Umstän­den die Ehe zwi­schen homo­se­xu­el­len Per­so­nen seg­nen kann und damit impli­ziert, daß homo­se­xu­el­les Ver­hal­ten als sol­ches nicht im Wider­spruch zum Gesetz Got­tes und zum Weg der Per­son zu Gott steht? In Ver­bin­dung mit die­sem „dubi­um“ muß ein wei­te­res auf­ge­wor­fen wer­den: Bleibt die vom uni­ver­sa­len ordent­li­chen Lehr­amt ver­tre­te­ne Leh­re gül­tig, wonach jede sexu­el­le Hand­lung außer­halb der Ehe und ins­be­son­de­re homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen eine objek­tiv schwe­re Sün­de gegen das Gesetz Got­tes dar­stel­len, unab­hän­gig von den Umstän­den, unter denen sie statt­fin­den, und der Absicht, mit der sie voll­zo­gen werden?

3. Ihr habt dar­auf bestan­den, daß die Kir­che eine syn­oda­le Dimen­si­on hat, daß alle, auch die Lai­en, auf­ge­ru­fen sind, dar­an teil­zu­neh­men und ihre Stim­me zu erhe­ben. Unse­re Schwie­rig­keit ist jedoch eine ande­re: Sie stel­len heu­te die künf­ti­ge Syn­ode als „Syn­oda­li­tät“ dar, als ob sie in Gemein­schaft mit dem Papst die höch­ste Auto­ri­tät der Kir­che dar­stel­len wür­de. Die Bischofs­syn­ode ist jedoch ein bera­ten­des Organ des Pap­stes, sie ver­tritt nicht das Bischofs­kol­le­gi­um und kann die in ihr behan­del­ten Fra­gen nicht lösen oder Dekre­te dazu erlas­sen, es sei denn, der Papst, des­sen Auf­ga­be es ist, die Beschlüs­se der Syn­ode zu rati­fi­zie­ren, hat ihr in bestimm­ten Fäl­len aus­drück­lich eine Bera­tungs­be­fug­nis erteilt (vgl. can. 343 C.I.C.). Das ist inso­fern ein ent­schei­den­der Punkt, als die Nicht­be­tei­li­gung des Bischofs­kol­le­gi­ums an Fra­gen, wie sie die bevor­ste­hen­de Syn­ode auf­wer­fen will und die die Ver­fas­sung der Kir­che selbst berüh­ren, genau der Wur­zel jener Syn­oda­li­tät zuwi­der­lau­fen wür­de, die sie zu för­dern vor­gibt. Erlau­ben Sie uns daher, unser „dubi­um“ neu zu formulieren:

  • Wird die Bischofs­syn­ode, die in Rom abge­hal­ten wer­den soll und der nur eine aus­ge­wähl­te Ver­tre­tung von Hir­ten und Gläu­bi­gen ange­hört, in den lehr­mä­ßi­gen oder pasto­ra­len Fra­gen, zu denen sie sich äußern soll, die höch­ste Auto­ri­tät der Kir­che aus­üben, die aus­schließ­lich dem römi­schen Papst und, „una cum capi­te suo“, dem Bischofs­kol­le­gi­um zukommt (vgl. can. 336 C.I.C.)?

4. In Eurer Ant­wort haben Eure Hei­lig­keit deut­lich gemacht, daß die Ent­schei­dung des hei­li­gen Johan­nes Paul II. in „Ordi­na­tio sacer­do­ta­lis“ end­gül­tig ist, und Ihr habt zu Recht hin­zu­ge­fügt, daß es not­wen­dig ist, das Prie­ster­tum nicht im Sin­ne der Macht, son­dern im Sin­ne des Dien­stes zu begrei­fen, um die Ent­schei­dung unse­res Herrn, die Wei­he nur Män­nern vor­zu­be­hal­ten, rich­tig zu ver­ste­hen. Ande­rer­seits habt Ihr im letz­ten Punkt Eurer Ant­wort hin­zu­ge­fügt, daß die Fra­ge noch wei­ter erforscht wer­den kann. Wir sind besorgt, daß eini­ge die­se Aus­sa­ge dahin­ge­hend inter­pre­tie­ren könn­ten, daß die Ange­le­gen­heit noch nicht end­gül­tig ent­schie­den ist. Johan­nes Paul II. erklärt in „Ordi­na­tio sacer­do­ta­lis“, daß die­se Leh­re vom ordent­li­chen und uni­ver­sa­len Lehr­amt unfehl­bar gelehrt wor­den ist und daher zum Glau­bens­gut gehört. Dies war die Ant­wort der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re auf ein „dubi­um“, das bezüg­lich des apo­sto­li­schen Schrei­bens erho­ben wur­de, und die­se Ant­wort wur­de von Johan­nes Paul II. selbst gebil­ligt. Wir müs­sen also unser „dubi­um“ neu formulieren:

  • Könn­te die Kir­che in Zukunft die Mög­lich­keit haben, Frau­en die Prie­ster­wei­he zu ertei­len und damit im Wider­spruch dazu ste­hen, daß der aus­schließ­li­che Vor­be­halt die­ses Sakra­ments für getauf­te Män­ner zum Wesen des Wei­he­sa­kra­ments gehört, das die Kir­che nicht ändern kann?

5. Am Ende bestä­tig­te Eure Hei­lig­keit die Leh­re des Kon­zils von Tri­ent, daß die Gül­tig­keit der sakra­men­ta­len Abso­lu­ti­on die Reue des Sün­ders vor­aus­setzt, die die Absicht ein­schließt, nicht mehr zu sün­di­gen. Und Ihr habt uns auf­ge­for­dert, nicht an der unend­li­chen Barm­her­zig­keit Got­tes zu zwei­feln. Wir möch­ten noch ein­mal beto­nen, daß unse­re Fra­ge nicht aus dem Zwei­fel an der Grö­ße der Barm­her­zig­keit Got­tes stammt, son­dern im Gegen­teil aus dem Bewußt­sein, daß die­se Barm­her­zig­keit so groß ist, daß wir uns zu Ihm bekeh­ren, unse­re Schuld beken­nen und so leben kön­nen, wie Er es uns gelehrt hat. Man­che wie­der­um könn­ten Eure Ant­wort aber so inter­pre­tie­ren, daß die blo­ße Annä­he­rung an die Beich­te eine aus­rei­chen­de Bedin­gung für den Erhalt der Abso­lu­ti­on ist, da sie impli­zit das Sün­den­be­kennt­nis und die Reue ein­schlie­ßen könn­te. Wir möch­ten daher unser „dubi­um“ neu for­mu­lie­ren:
Kann ein Pöni­tent die sakra­men­ta­le Abso­lu­ti­on gül­tig emp­fan­gen, wenn er zwar eine Sün­de zugibt, sich aber wei­gert, in irgend­ei­ner Wei­se die Absicht zu bekun­den, sie nicht wie­der zu begehen?

Vati­kan­stadt, 21. August 2023

Wal­ter Card. Brand­mül­ler
Ray­mond Leo Card. Bur­ke
Juan Card. San­d­oval Íñi­guez
Robert Card. Sarah
Joseph Kar­de. Zen Ze-kiun

Die fünf Kar­di­nä­le ver­tei­di­gen mit ihren Dubia die über­lie­fer­te Glau­bens- und Moral­leh­re der Kir­che. Die­sen Mark­stein haben sie in den Boden gerammt, ganz gleich, ob Papst Fran­zis­kus durch Schwei­gen, wie schon 2016, erneut ver­su­chen wird, die Sache aus­zu­sit­zen. Fran­zis­kus steht seit damals vor der Welt und der Kir­chen­ge­schich­te als der Papst da, der sich gewei­gert hat, sei­nen Brü­dern auf ern­ste Zwei­fel Ant­wort zu geben. Die­se Wei­ge­rung bekräf­tigt er seit dem 21. August. Je län­ger San­ta Mar­ta dazu schweigt, desto stär­ker leuch­ten die Dubia in die Welt hin­ein und bie­ten den Gläu­bi­gen einen wich­ti­gen Ori­en­tie­rungs­punkt und zwar weni­ge Tage vor Beginn einer Syn­ode, von der Kräf­te, die Fran­zis­kus sehr nahe­ste­hen, den gro­ßen Umbruch erhof­fen und ent­schlos­sen sind, ihn zu erreichen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: vati​can​.va (Screen­shots)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!