(Rom) Papst Franziskus macht bekanntlich keinen Urlaub. Er reduziert lediglich seine Aktivitäten in den Sommermonaten Juli und August. Diese Zeit nützt er für anderes wie das Schreiben an die Priester zum 160. Todestag des Pfarrers von Ars. Gestern, am Gedenktag des heiligen Johannes Maria Vianney, wurde es veröffentlicht. Darin schreibt Franziskus den Priestern, daß sie den Kopf hinhalten. Wie steht es dabei um sein Vorbild?
Am Rande des Angelus gab Franziskus gestern die Veröffentlichung seines Schreibens an die Priester bekannt. Dabei gebrauchte er den Begriff „sacerdozio ministeriale“, der zwar schon zuvor bekannt war, aber erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil allgemeine Verbreitung fand, um ein „Amtspriestertum“ vom „allgemeinen Priestertum“ zu unterscheiden. Der Verweis auf das Weihesakrament anstatt auf das Amt mit bürokratischem Beigeschmack wäre angesichts der spannungsgeladenen Stimmung vor der im Oktober stattfindenden Amazonassynode vielleicht angemessener.
Das gewählte Datum und der Heilige sind nicht ohne Bedeutung. 2010, zum Abschluß des Priesterjahres, das Papst Benedikt XVI. 2009 ausgerufen hatte, sollte der heilige Pfarrer von Ars zum Patron und Modell der Priester erhoben werden. Dazu kam es nicht, weil die Absicht von Benedikt XVI von einflußreichen Kirchenkreisen durch Boykott hintertrieben wurde. Damals war Kardinal Claudio Hummes der zuständige Präfekt der Kleruskongregation, der heute einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus ist.
Als Reaktion ersetzte Benedikt Kardinal Hummes durch Kardinal Piacenza, den Franziskus nach seiner Wahl als Auftakt einer größeren Säuberungsaktion aus dem Amt entfernte. Hummes stand schließlich auf der Mittelloge des Petersdomes, als sich der neugewählte Papst Franziskus dem Volk zeigte.
Gesten, wie die Wahl des gestrigen Tages, gehören zum Regierungsstil von Franziskus, der als „Papst der Gesten“ gilt.
Das Schreiben an die Priester ist eine Reaktion auf den sexuellen Mißbrauchsskandal, der das Priestertum im Sommer 2018 in den USA erschütterte. Franziskus bemüht sich um Zuspruch für die Priester:
„Ihr arbeitet wie der Pfarrer von Ars ‘an der Front‘, tragt auf Euren Schultern die Last des Tages und der Hitze (vgl. Mt 20,12) und ‚haltet‘ in zahlreichen Situationen täglich ‚den Kopf hin‘, ohne Euch wichtig zu nehmen, damit das Volk Gottes umsorgt und begleitet wird.“
Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis Franziskus diesen Schritt setzte.
Dazwischen lag eisernes Schweigen zu seiner eigenen Rolle im Zusammenhang mit einigen der aufsehenerregendsten Skandale durch Bischöfe und Kardinäle, die ihm allesamt nahestanden (und stehen). Das Schweigen durchbrach Franziskus auch nicht jetzt in seinem Schreiben an die Priester.
Dazwischen lag auch das Schreiben von Benedikt XVI., der jene deutlichen Worte zum Mißbrauchsskandal fand, zu denen sich Franziskus bis heute nicht durchringen konnte. Vor allem stellte Benedikt die Ereignissen in den eigentlichen Kontext und größeren Zusammenhang. Auch das vermißt die Priesterschaft und das gläubige Volk von Franziskus trotz des gestrigen Schreibens.
Im Juli 2018 enthüllte die New York Times das skandalöse homosexuelle Doppelleben von Kardinal Theodore McCarrick. Am 26. August legte der ehemalige Nuntius in den USA, Kurienerzbischof Carlo Maria Viganò, sein „Zeugnis“ zum Fall McCarrick und einer Homo-Lobby in der Kirche vor, das Franziskus schwer belastet.
Am 10. September 2018 solidarisierte sich der geschrumpfte C9-Kardinalsrat mit Papst Franziskus und wies die Anschuldigung von Erzbischof Viganò kategorisch zurück. Zugleich schrieb der Kardinalsrat in seiner Presseerklärung vom „Bewußtsein, daß der Heilige Stuhl in der aktuelle Debatte dabei ist, die eventuelle und notwendigen Klarstellungen zu formulieren“.
Die versprochenen „Klarstellungen“ sind aber bis heute nicht erfolgt. Die offenen Fragen sind unbeantwortet geblieben, ob zu McCarrick, Wuerl, Zanchetta, Pineda oder Barros. Zu ihnen schweigt Franziskus nach wie vor. Es scheint deshalb nicht so, als würde die derzeitige Führung im Vatikan „den Kopf hinhalten“. Eher das Gegenteil.
Ende Mai 2019 machte sich Franziskus in einem Interview mit dem mexikanischen Fernsehsender Televisa sinngemäß darüber lustig, daß ein Teil der Journalisten wie „kaprophile Förderer der Kaprophagie“ handeln würden. Diese Begriffe gebrauchte Franziskus wörtlich in einem Interview mit der flämischen Wochenzeitung Tertio im Dezember 2016. In ähnlicher Form werden sie seit Ende August 2018 vom päpstlichen Umfeld auf Erzbischof Viganò gemünzt, um zu signalisieren, daß der Nuntius im Ruhestand „nicht würdig“ sei, ernstgenommen zu werden. Deshalb sollte ihm auch nicht geglaubt geglaubt noch müßte auf seine Fragen geantwortet werden.
„Den Kopf hinhalten“, von dem Papst Franziskus in seinem Schreiben an die Priester spricht, dürften sich manche anders vorstellen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/VaticanNews (Screenshot)
Ein echter Priester wird garantiert nicht ausschliesslich für ihn wirken, sondern „damit das Volk Gottes umsorgt und begleitet wird“… (Naja, die antichristlichen AnthropoTheisten haben freilich auch ihre Priester…)