Ein „Humanae-Vitae-Effekt“?

Zur Ansprache des Heiligen Vaters beim Regina Caeli auf dem Petersplatz


Papst Franziskus beim Regina Caeli am 9. Mai.
Papst Franziskus beim Regina Caeli am 9. Mai.

Ein Bei­trag von Cle­mens Vic­tor Oldendorf.

Anzei­ge

Für gestern waren deutsch­land­weit Segens­fei­ern ange­kün­digt, zu denen auch homo­se­xu­ell emp­fin­den­de Men­schen, die in Bezie­hun­gen leben, ein­ge­la­den waren. Aller­dings nicht aus­schließ­lich sol­che, son­dern auch Paa­re, die aus ande­ren Grün­den nicht kirch­lich hei­ra­ten kön­nen. Im Hin­blick auf die Bezie­hun­gen zwei­er Män­ner oder Frau­en, die unter Ein­be­zug einer sexu­el­len, gleich­ge­schlecht­lich ori­en­tier­ten Moti­va­ti­on zusam­men­le­ben, hat die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on jüngst noch­mals erklärt, zu einer Seg­nung der­ar­ti­ger Part­ner­schaf­ten habe die Kir­che kei­ne Vollmacht.

Gero P. Weis­haupt hat dan­kens­wer­ter­wei­se in einem CNA-Inter­view „Das ist kei­ne Erfin­dung des Kate­chis­mus“ dar­ge­stellt, wel­che Kon­se­quen­zen eine Über­tre­tung die­ses Ver­bots aus sei­ner Sicht als Kir­chen­recht­ler zei­ti­gen müss­te und ins­be­son­de­re die anschlie­ßen­de Behaup­tung des bekann­te­ren Mün­ste­ra­ner Kano­ni­sten Tho­mas Schül­ler zurück­ge­wie­sen, die Bischö­fe hät­ten in die­ser Sache ein soge­nann­tes Remon­stra­ti­ons­recht, das sogar das Recht ein­schlie­ße, die Bestim­mun­gen, deren Abän­de­rung sie anre­gen könn­ten, bis zu einer etwa­igen, tat­säch­li­chen Ände­rung zwi­schen­zeit­lich in ihren jewei­li­gen Juris­dik­ti­ons­be­rei­chen nicht anwen­den zu müs­sen. Kath­news stellt sei­nen Lesern die­ses Inter­view Weis­haupts unter ver­än­der­tem Titel noch­mals zur Ver­fü­gung „Mit sol­chen Pseu­do­seg­nun­gen macht man den Leu­ten etwas vor“. Lei­der hat Weis­haupt dar­auf ver­zich­tet, Schül­ler eben­falls auf katho​lisch​.de ent­ge­gen­zu­tre­ten, wo die­ser sich geäu­ßert hat.

Beim Mit­tags­ge­bet des Regi­na Cae­li vor zwei Tagen ging der Hei­li­ge Vater nun aus­ge­hend von dem von ihm zugrun­de­ge­leg­ten Gleich­nis vom Wein­stock und den Reb­zwei­gen im 15. Kapi­tel des Johan­nes­evan­ge­li­ums sogar auf die The­ma­tik Lie­be und fal­sche Lie­ben ein, sprach dabei aber bezeich­nen­der­wei­se nicht über die mensch­li­che Sexua­li­tät und mög­li­che ihrer Zerr­for­men, son­dern über Geld, Erfolg und Selbst­sucht. Auch in den Gruß­wor­ten, die auf das Gebet und den Segen des Pap­stes folg­ten, wand­te die­ser sich nicht an Deutsch­land oder for­mu­lier­te eine Mah­nung, von für gestern ange­kün­dig­ten Segens­fei­ern für Zwei­er­be­zie­hun­gen von homo­se­xu­ell emp­fin­den­den Per­so­nen Abstand zu nehmen.

Papst spricht sich für zivilrechtliche Eingetragene Partnerschaften aus

Es ist bekannt und kann nicht als miss­ver­ständ­li­che Äuße­rung erklärt wer­den, dass der Hei­li­ge Vater sich inner­halb des staat­li­chen Bereichs ein­deu­tig zugun­sten der Mög­lich­keit zivil­recht­li­cher Ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaf­ten aus­ge­spro­chen hat, die auch zwei Per­so­nen glei­chen Geschlechts offenstehen.

Unbe­streit­bar wider­spricht Fran­zis­kus damit aus­drück­lich einer Wei­sung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on von 2003 Aus aktu­el­lem Anlass, wor­in katho­li­sche Poli­ti­ker die Ori­en­tie­rung erhiel­ten, sich gegen die Schaf­fung sol­cher recht­li­cher Rege­lun­gen ein­zu­set­zen, sich jeden­falls in kei­ner Form dafür aus­zu­spre­chen. Die­se dama­li­ge Stel­lung­nah­me der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sah frei­lich den Fall vor, dass es in einem Staat momen­tan kei­ne Mög­lich­keit gebe, sol­che gesetz­li­chen Bestim­mun­gen gänz­lich zu ver­hin­dern oder, wo sie bereits bestehen, sie wie­der abzu­schaf­fen. Nach­dem es mitt­ler­wei­le in nahe­zu allen west­li­chen Staa­ten sogar die Ehe für alle gibt, kann man die Posi­ti­on des regie­ren­den Pap­stes zumin­dest so ver­ste­hen: Er ist gegen eine Zivil­ehe, für die die Ver­schie­den­ge­schlecht­lich­keit der Ehe­part­ner zwar wei­ter­hin mög­lich, aber nicht mehr unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung ist, spricht sich aber für Part­ner­schaf­ten aus, die auch zwei Män­ner oder Frau­en zivil­recht­lich ein­tra­gen las­sen können.

Franziskus nicht insgeheim doch für Segensfeiern

Man soll­te das bis zum Beweis des Gegen­teils nicht so ver­ste­hen, dass Fran­zis­kus ins­ge­heim doch auch für Segens­fei­ern sei, in denen die Bezie­hun­gen Homo­se­xu­el­ler, die (mög­li­cher­wei­se) nicht ent­halt­sam leben (wol­len), geseg­net werden.

Aller­dings hat der Hei­li­ge Vater am Sonn­tag die Gele­gen­heit unge­nutzt ver­strei­chen las­sen, prak­ti­zier­te Homo­se­xua­li­tät als ein Bei­spiel miss­ver­stan­de­ner oder fal­scher Lie­be anzu­spre­chen. Was ist nun, wenn nach den gest­ri­gen Segens­fei­ern die von Gero P. Weis­haupt skiz­zier­ten kir­chen­recht­li­chen Kon­se­quen­zen, die er und ande­re erwar­ten, ausbleiben?

Ein Hum­a­nae-Vitae-Effekt ist zu befürch­ten. Damit ist nichts gegen die Leh­re die­ser Enzy­kli­ka Papst Pauls VI. gesagt, aber sie wur­de von Anfang an und wird wei­ter­hin nur von einer Min­der­heit von Katho­li­ken akzep­tiert und umge­setzt. Ähn­lich hat Johan­nes Paul II. die wei­te­re Dis­kus­si­on um die Frau­en­or­di­na­ti­on 1994 zwar unter­sagt, aber damit gera­de nicht been­det. Auf einer gewis­sen Ebe­ne funk­tio­niert der klas­si­sche Gehor­sams­me­cha­nis­mus des Lehr­am­tes nicht mehr, und dem­entspre­chend kön­nen Doku­men­te wie Hum­a­nae Vitae, Ordi­na­tio sacer­do­ta­lis oder jetzt das Respon­sum der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sogar kon­tra­pro­duk­tiv sein. Wer bit­te von den Theo­lo­gen und sogar Bischö­fen, die seit 1994 Ordi­na­tio sacer­do­ta­lis fort­ge­setzt wider­spre­chen (laut Gero P. Weis­haupt müss­te bereits das den Tat­be­stand des Schis­mas ver­wirk­li­chen) und – über den Etap­pen­schritt eines Dia­ko­nats ver­mit­telt – auf eine Ände­rung die­ser Leh­re und Pra­xis hin­ar­bei­ten, wur­de denn bis jetzt mit einer gerech­ten Stra­fe belegt, die Exkom­mu­ni­ka­ti­on nicht ausgenommen?

Nach­dem sich Papst Fran­zis­kus am Sonn­tag nicht im Vor­feld an die Kir­che in Deutsch­land gewandt hat, erwar­te ich auch nach dem gest­ri­gen Akti­ons­tag nicht plötz­lich etwas anderes.

Bild: Vati­can Media/​Youtube (Screen­shot)

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5 Kommentare

  1. Ja, der Ver­zicht auf Sank­tio­nen bei schwer­wie­gen­den Abwei­chun­gen oder trot­zi­gem Wider­spruch in wich­ti­gen Fra­gen, hat die Kir­che zum zahn­lo­sen Tiger gemacht. Das war die anti-auto­ri­tä­re 68er-Weich­spü­lung. Dar­in ist dem Autor voll und ganz zuzustimmen.
    Des­halb sind Klar­stel­lun­gen wie die der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on aber nicht „kon­tra­pro­duk­tiv“. Andern­falls käme zur Kapi­tu­la­ti­on in der Pra­xis (Ver­zicht auf recht­li­che Sank­tio­nen) auch noch die Kapi­tu­la­ti­on in der Theo­rie hin­zu (Ver­zicht auf Dar­le­gung und Bekräf­ti­gung der Lehre).
    Der Autor klam­mert sich ins­ge­samt, wie es scheint, an einen ziem­lich dün­nen Stroh­halm, was Papst Fran­zis­kus betrifft. Der Papst weiß, was er tut, und er tut bewusst, was er tut.
    Indem er die Lega­li­sie­rung Ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaf­ten unter­stützt, über­schrei­tet er eine rote Linie. Ein Papst darf nichts unter­stüt­zen, was der gött­li­chen Ord­nung wider­spricht, auch nicht aus tak­ti­schen Grün­den (etwa weil die Kir­che gegen die „Homo-Ehe“ ist, spricht er sich für Ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaf­ten aus, damit die „Welt“ ein Bon­bon erhält, zufrie­den­ge­stellt ist und ein Kon­flikt ver­mie­den wird).

    • Stimmt. Fin­de ich auch. Aller­dings sehe ich nicht, dass der Autor des­halb sei­ner­seits die Ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft gut­heißt. Fran­zis­kus hat das neu­lich tat­säch­lich gesagt, kann ich mich sicher dran erin­nern. Und wenn man den Text von 2003 liest, dann gibt es dar­in einen Pas­sus, der so ist, wie der Arti­kel sagt. Ist ja ver­linkt. Ich hab die Stel­le gefunden.

      • Die­se Stel­le in Num­mer 10 dürf­te gemeint sein: „Wenn es nicht mög­lich wäre, ein Gesetz die­ser Art voll­stän­dig auf­zu­he­ben, könn­te es ihm (dem kath. Poli­ti­ker) mit Beru­fung auf die in der Enzy­kli­ka Evan­ge­li­um vitae ent­hal­te­nen Anwei­sun­gen « gestat­tet sein, Geset­zes­vor­schlä­ge zu unter­stüt­zen, die die Scha­dens­be­gren­zung eines sol­chen Geset­zes zum Ziel haben und die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf das Gebiet der Kul­tur und der öffent­li­chen Moral ver­min­dern ». Vor­aus­set­zung dafür ist, dass sein « per­sön­li­cher abso­lu­ter Wider­stand » gegen sol­che Geset­ze « klar­ge­stellt und allen bekannt » ist.“ 

        Der „per­sön­li­che abso­lu­te Wider­stand“ scheint sich aber bei Fran­zis­kus eben doch höch­stens auf eine „Ehe für alle“ zu beschrän­ken, nicht auf „Geset­ze die­ser Art“ ins­ge­samt zu erstrecken, denn pro Ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft ist er ja. Das ist eine Ände­rung gegen­über 2003, und es ist der Papst, der sie voll­zieht. Schon eine Schwie­rig­keit, wie bestimmt auch Olden­dorf zuge­ben müsste.

  2. Der Mar­xis­mus ver­schont die Kri­mi­nel­len und kri­mi­na­li­siert sei­ne Geg­ner. Alex­an­der Solschenizyn

  3. Ent­schul­di­gung lie­be Vor­po­ster wenn ich „dazwi­schen­grät­sche“.
    Wie­vie­le „rote Lini­en“ gibt es denn noch, die Rom überschreitet ?
    Hier eine klei­ne Aus­wahl, nur Stichwörter:
    Reli­gi­ons­frei­heits Dekret, Öku­me­nis­mus Dekret, Dekret über die Kol­le­gia­li­tät, Gau­di­um et Spes, Lumen Gen­ti­um, die Enzy­kli­ka Eccle­sia Dei, die Enzy­kli­ka Redemptor Homi­nis, der Korankuss, das Assi­si Tref­fen, die Pacha­ma­ma Apostasie.
    Ganz ehr­lich, mich stö­ren die sog. „roten Lini­en“ – Homo Agen­da, Zöli­bats Auf­he­bung und wie es immer heisst, nicht mehr.
    Es sind die Aus­wüch­se der Kon­zils­kir­che die sie in den siche­ren Unter­gang füh­ren wird.
    Chri­stus hat von denen nicht gespro­chen bei der Ver­hei­ssung in Caesarea Phil­ip­pi, son­dern von denen, die treu blei­ben und so sei­ne Kir­che bilden.

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