
(Rom) Steht der argentinische Bischof Msgr. Nicolás Baisi von Puerto Iguazú als nächster auf der Abschußliste von Papst Franziskus? Der zu Lateinamerika sehr gut informierte spanische Journalist, Historiker und Publizist Francisco José Fernández de la Cigoña ließ vor einigen Tagen aufhorchen, als er berichtete, daß Papst Franziskus in diesen Tagen einen Apostolischen Visitator nach Puerto Iguazú schickt. Einer solcher „brüderlicher Besuch“ ist im derzeitigen Pontifikat oft der erste Schritt zu einer schon festgesetzten Strafaktion.
Msgr. Baisi wurde 1993 für das Bistum San Miguel in der Provinz Buenos Aires zum Priester geweiht. Er studierte dann am Angelicum in Rom, wirkte in der Seelsorge, war stellvertretender Caritas-Direktor und Mitglied des diözesanen Priesterrats. 2010 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. für die Erzdiözese La Plata zum Weihbischof von Erzbischof Héctor Rubén Aguer. Erzbischof Aguer, der ein Vierteljahrhundert Bergoglios Gegenspieler im argentinischen Episkopat war, spendete Baisi die Bischofsweihe.
Msgr. Aguer wurde 2018 von Papst Franziskus mit Vollendung des 75. Lebensjahres emeritiert und zu seiner Demütigung durch den Papst-Protegé Victor Manuel Fernández ersetzt, der inzwischen zum römischen Glaubenspräfekten und Kardinal aufgestiegen ist. Die Entsendung des Papst-Vertrauten Fernández nach La Plata hatte zur Folge, daß der Aguer nahestehende Weihbischof Baisi dort nicht mehr erwünscht war. So wurde Msgr. Baisi von Franziskus zum Bischof der Diözese Puerto Iguazú im äußersten Nordosten des Landes ernannt, die erst 1986 von Papst Johannes Paul II. errichtet worden war. Mit einer halben Million Einwohner auf 18.000 Quadratkilometern und 36 Pfarreien gehört sie zu den verhältnismäßig kleineren Diözesen Argentiniens. Bischof Baisi ist Suffragan des Erzbischofs von Corrientes.
Zum Visitator für das Bistum Puerto Iguazú ernannte Papst Franziskus Msgr. Jorge Enrique Concha Cayuqueo OFM, den Bischof der chilenischen Diözese Temuco. Der argentinische Blogger Caminante Wanderer bestätigte die Nachricht und merkte an, daß man „bereits wisse“, wie solche Besuche enden:
„Baisi wird in den ersten Monaten des kommenden Jahres unter Druck gesetzt werden, zurückzutreten. Und wenn er das nicht tut, wird man ihm seine Diözese entziehen, wie es bei Bischof Strickland geschehen ist. Das ist die Barmherzigkeit, das ist die Synodalität, das ist das Zuhören und das ist es, was Franziskus für alle bereithält, für ‚alle, alle, alle‘.“
Bekannt ist, daß Papst Franziskus sehr ungehalten über den Wahlsieg von Javier Milei reagierte. Der Ökonom wird in wenigen Tagen, am 10. Dezember, als neuer Präsident Argentiniens vereidigt werden. Nach dem Beispiel der US-Präsidenten ist er dann zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef des Landes. Das Enigma Milei wird sich erst anhand seiner Amtshandlungen klären. Positiv fiel im Wahlkampf seine klare Haltung für das Lebensrecht ungeborener Kinder und gegen Abtreibung auf. Irritierend wirkte hingegen am 27. November sein Besuch am Grab des Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson in New York, „um für seinen Wahlsieg zu danken“.
Ziehen die Lubawitscher in die Casa Rosada ein?
Die Chabad-Lubawitscher sind eine im Wachsen begriffene chassidische Strömung innerhalb des heutigen Judentums. Ursprünglich stammen sie aus dem einst polnisch-litauischen Westen des russischen Zarenreichs. Dort ist diese Strömung, die von einem obersten Rebbe geführt wurde, der sein Amt faktisch vererbte, vor 250 Jahren entstanden. Wegen ihrer Ablehnung des Kommunismus ging ihr Oberhaupt, der sechste Rebbe 1928 nach Warschau und 1939 von dort nach New York. In Brooklyn befindet sich das Hauptquartier der Lubawitscher, die wegen ihres messianischen Charakters auch als Endzeitsekte gelten.

Die Chabad-Lubawitscher erwarten die Ankunft des im Alten Testament verheißenen Messias, da sie, wie insgesamt das nachchristliche Judentum, Jesus Christus als Sohn Gottes ablehnen. Ihnen wird nachgesagt, diese Ankunft beschleunigen zu wollen und daher einen kathartischen Charakter zu haben, etwas was sich bei ähnlichen Bewegungen wie den Katharern, den Strelizen und in Zügen auch dem Islam für die Welt als gefährlich erwies, zumal heute, da der Nahe Osten ein Pulverfaß ist. Das Augenmerk der Lubawitscher richtet sich gerade auf Jerusalem und den Tempelberg.
Israels amtierender Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beruft sich auf eine Begegnung mit dem siebten und letzten Rebbe Schneerson Anfang der 90er Jahre. Dieser habe gesagt, daß Netanjahu ein „Auserwählter Gottes“ sei und der „letzte Ministerpräsident“ Israels sein werde, bevor der Messias komme. Die Lubawitscher sind innerhalb des Judentums umstritten, vor allem wegen ihrer politischen Ambitionen. So lehnen sie, wie Netanjahu, Verhandlungen mit den Palästinensern ab, was im Umkehrschluß bedeutet, daß die Konfrontation gesucht wird.
Auch Donald Trump war nach dem Wahlsieg 2016 mit seinem jüdischen Schwiegersohn zum Grab des 1994 verstorbenen Schneerson „gepilgert“, um für seine Wahl zu danken. 2020 berichtete das religionssoziologische Institut PEW, daß 16 Prozent der US-amerikanischen Juden, wenn auch unregelmäßig, Kontakt zu den Lubawitschern haben. Diese schicken Familien als „Emissäre“ in die verschiedensten Länder der Erde, die als ihre Botschafter auftreten, auch im deutschen Sprachraum. In den USA leben die meisten Juden, mehr als in Israel
Das Wahldebakel des argentinischen Papstes
Damit jedoch zurück zu Argentinien. Mileis Wahlsieg fügte mit seinen 56 Prozent der Stimmen den Peronisten die schlimmste Niederlage seit dem Ende der Militärdiktatur zu. Papst Franziskus zeigte zuletzt zwar einige Bereitschaft, seiner Heimat Argentinien doch noch einen Besuch abzustatten, scheint diesen jedoch an den Wahlausgang gekoppelt zu haben. Die Peronisten sind zwar noch immer die stärkste Parlamentsfraktion, doch dürfte das Franziskus nicht reichen. Wenn er nach Argentinien reist, müßte er sich von Milei empfangen lassen. Dergleichen lehnte er schon bei Mauricio Macrí ab, geschweige denn also beim neuen Amtsinhaber. Die Papstreise nach Argentinien könnte damit in so weite Ferne gerückt sein, daß sie wohl gar nicht mehr stattfinden wird.
Francisco José Fernández de la Cigoña berichtete, daß der päpstliche Ärger über den Wahlausgang dazu führte, daß Franziskus Invektiven gegen Teile des argentinischen Episkopats äußerte, denen er „Verrat“ vorwirft. „Die Wut“ des Papstes über den Wahlsieg Mileis sei „enorm“, so Caminante Wanderer: „Er sucht nach Schuldigen und will Rache“. Die Bischöfe, ist Franziskus überzeugt, hätten nicht alles getan, um die Stimmabgabe für Milei zu verhindern und den peronistischen Kandidaten Sergio Massa zu unterstützen.
Um genau zu sein, war „der Kandidat“ von Franziskus eigentlich sein Freund, der linksradikale Peronist Juan Grabois. Alle argentinischen Besucher habe Franziskus vor den Vorwahlen auf Grabois Kandidatur hingewiesen. Doch dann konnte dieser keine sechs Prozent der Stimmen auf sich vereinen und mußte sich Massa, dem anderen peronistischen Kandidaten, geschlagen geben, in dessen Lager er für den Wahlkampf einschwenkte.
Dennoch wurde Massa von Milei mit deutlichem Vorsprung geschlagen. Die bisherigen bürgerlichen und rechten Kandidaten hatten Franziskus als Primas von Argentinien und dann als Papst respektvoll geschont, obwohl er selbst aus seinen politischen Sympathien und Antipathien kein Hehl machte. Die bergoglianische Abneigung gegen Präsident Macrí (2015–2019) und die Demütigungen, die er für dieses Staatsoberhaupt bereithielt, wurden offensichtlich nicht von allen übersehen.
Milei aber war nicht mehr bereit wegzuschauen. Er griff Franziskus im Wahlkampf rücksichtslos an und bezeichnete ihn mehrfach als „Vertreter des Bösen auf Erden“ und „Kommunisten“. Franziskus wiederum hatte Mileis Kandidatur mit dem Jahr 1933 und Hitlers Machtergreifung im Deutschen Reich verglichen. Diese Maßlosigkeit – Milei ist Politiker und auf dem Sprung zur Apostasie zum Judentum – ist nicht nur dem Temperament des neuen argentinischen Staatsoberhaupts geschuldet, sondern auch dem Verhalten von Franziskus. Insgesamt wurde viel Porzellan zerschlagen und ein Klima der Rohheit erzeugt.
Franziskus‘ Argwohn seit dem Wahlausgang richte sich innerhalb der Kirche in Argentinien vor allem gegen rechtgläubige Bischöfe. Diese könne man heute in Argentinien, darin sind sich der Spanier Fernández de la Cigoña und der Argentinier Caminante Wanderer einig, an den Fingern einer Hand abzählen. Aus der Perspektive des regierenden Papstes gehe es um jene Bischöfe, die er „als nicht sehr funktional für seine Ideologie betrachtet“, so Fernández de la Cigoña.
Franziskus betreibe keine ethnische Säuberung, aber eine „ethische Säuberung“ gegen ihm unliebsame Bischöfe, so Caminante Wanderer. Gemeint ist damit, daß Franziskus jene Bischöfe aus ihren Ämtern entfernt, die auf der überlieferten Morallehre der Kirche beharren und Kritik an der päpstlichen Agenda üben. Franziskus schaltete in Argentinien bereits Erzbischof Aguer und die Bischöfe Martínez und Taussig aus und schickt Bischof Baisi noch vor Weihnachten den Visitator. „Es wäre nicht verwunderlich“, so Caminante Wanderer, „wenn auch Bischof Samuel Jofré, Bischof von Santa Maria, bald fallen würde.“
Der Beweis für den „Sündenfall“ der genannten Bischöfe neben Msgr. Aguer liegt in Form eines Fotos vor. Alle drei, Martínez, Taussig und Baisi, besuchten 2019 Benedikt XVI. im vatikanischen Kloster Mater Ecclesiae. Baisi sei Erzbischof Aguer besonders ähnlich, vor allem „in seiner Tapferkeit“, so Caminante Wanderer.

Bischof Baisi wagte Kritik an der bergoglianischen Programmatik
Der unmittelbare Anlaß, den Visitator zu entsenden, ist jedoch ein Schreiben, das Bischof Baisi nach der Frühjahrsvollversammlung der Argentinischen Bischofskonferenz am 19. Mai 2023 an den Generalsekretär derselben schickte. Darin faßte Msgr. Baisi seine Eindrücke von der Bischofskonferenz zusammen, der er seit drei Jahren angehört. Diese beschäftige sich ständig, so seine Kritik, mit „sozialpolitischen Fragen“:
„Ich denke, wir sehen leichter die Fehler und die Probleme der Politiker als unsere eigenen.“
Deshalb drängte Baisi in dem Schreiben, daß es wichtiger wäre, „spezifisch pastorale Probleme anzusprechen wie Katechese, Caritas, Liturgie, die religiöse und kulturelle Situation in unserem Land“.
„Ein Bischof, das sage ich mit Schmerz, der in seiner Diözese nur 52 Prozent Katholiken hat, so denke ich, ist ein Thema, um das wir uns Sorgen machen und kümmern sollten. Der Prozentsatz jener, die sich in unserem Land als Katholiken erklären, nimmt jedes Jahr ab. Wenn es aber unsere Aufgabe ist, in die ganze Welt zu gehen und das Evangelium zu verkünden, sollte das nicht unser erstes Anliegen sein? Das ist unsere Mission.“
Bischof Baisi regte zudem an, daß man den Rückgang des Glaubenslebens in Ländern mit großer christlicher Tradition „wie Spanien und Irland“ genau beobachten sollte, stattdessen würden sich die Bischöfe so verhalten, „als müßten wir über alles Bescheid wissen und über alles sprechen“, doch das sei weder die Aufgabe der Bischöfe noch der Priester. „Wichtig“ sei vielmehr, daß sich die Bischöfe mit der Gender-Ideologie und der Abtreibung befassen. Die Geburten in Argentinien sind innerhalb weniger Jahre von 750.000 auf 550.000 eingebrochen.
„Abtreibung, Verhütungsmittel, geburtenfeindliche Propaganda breiten sich im Land aus.“
In der Jugend verursache die Homo-Propaganda durch Verwirrung ein „Massaker“, indem sie junge Menschen zu Schritten verleite, die diese ein Leben lang belasten und bereuen werden. Doch sie warten vergeblich auf eine Wort der Bischöfe, obwohl die Kirche die Lehrmeisterin der Menschheit ist und niemand besser Bescheid wisse über Wesen und Sein des Menschen als sie.
Schließlich kritisierte der Bischof auch die „synodale Arbeit“, indem er provokant fragte:
„Kommt, was wir fühlen und sagen, vom Heiligen Geist? Und das Zweite Gebot?“
Das Zweite Gebot lautet: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen“.
Bischof Baisi führte seine Kritik noch aus, indem er hinzufügte, daß es „nicht darum geht, daß wir der Kirche, sondern Christus folgen“. Es gehe darum, Gottes Gebote zu befolgen und Ihm nachzufolgen.
Das scheint in Santa Marta, wohin der Brief prompt gemeldet wurde, gar nicht gut angekommen zu sein.
Der von Franziskus ernannte Apostolische Visitator Msgr. Jorge Concha Cayuqueo OFM wurde von Papst Franziskus zum Weihbischof von Santiago de Chile und 2020 zum Bischof von Osorno ernannt, jenem Bistum, das wegen seines seinerzeitigen Bischofs Msgr. Juan Barros Madrid jahrelang im Zentrum heftiger Polemiken stand, da Franziskus gegen alle Widerstände an Barros festhalten wollte. 2023 wurde Msgr. Concha von Franziskus auf den Bischofsstuhl von Temuco versetzt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Voz de Catartas/Youtube/Caminante Wanderer (Screenshots)
Wie kann dieser Papst eigentlich noch von Brüderlichkeit,Nächstenliebe, Güte und Barmherzigkeit predigen?
Jetzt ist also schon der nächste Bischof dran.…
Wie in der Weltkirche, so auch in der Diözese. Erst die Visitation und dann danach eine schwerwiegende negative Entscheidung. Wenn ich schon Visitation höre.….