(Rom/San Salvador) Am Wochenende veröffentlichte Kardinal Gregorio Rosa Chavez von El Salvador auf seiner Facebook-Seite die Nachricht, daß Papst Franziskus 2018 das zentralamerikanische Land besuchen wird, um Erzbischof Oscar Romero heiligzusprechen. Ebenso schnell erfolgte allerdings ein Rückzieher durch den Kardinal.
Die Ermordung von Erzbischof Oscar Romero
à“scar Arnulfo Romero y Galdámez (1917 – 1980) war Erzbischof von San Salvador. Ende der 70er Jahre war El Salvador in seinem Inneren politisch zerrissen. Das gilt auch für das Militär, in dem unterschiedliche Offiziersgruppen durch Putsch und Gegenputsch die Macht an sich reißen. Im Klima der 70er Jahre, mit ihrem Vordringen marxistischer Kräfte und der Befreiungstheologie, politisierte sich auch Romero.
Der Erzbischof bemühte sich nach dem Militärputsch die Gewährung von Militärhilfe durch die USA, zur Stützung der Militärjunta, abzuwenden. Am 24. März 1980 wurde der Erzbischof während der Heiligen Messe erschossen. Laut der 1992 tätigen, staatlichen Comisión de la Verdad para El Salvador (Wahrheitskommission für El Salvador) waren geheime Todesschwadronen der Streitkräfte dafür verantwortlich, die der Militärjunta nahestanden. Strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde ein einzelner Offizier. Nach Unruhen linker Organisationen, dem Militärputsch und der Ermordung des Erzbischofs kam es zu blutigen Auseinandersetzungen und Machtkämpfen zwischen der rechten Militärjunta und der marxistischen Untergrundbewegung FMLN, die 75.000 Menschenleben forderten.
Erzbischof Romero hatte vor seinem Tod angedeutet, daß er ermordet werde, er wisse nur noch nicht, „ob von den Rechten oder den Linken“.
Aufgrund der politischen Zusammenhänge bemächtigen sich linke und linkskatholische Kräfte der Figur Romeros, besonders in Lateinamerika und im Westen, und machten ihn zum politischen „Heiligen“. Deshalb und zur Förderung der Wiederversöhnung in El Salvador hielt sich der Vatikan im seit 1994 angestrengten Heiligsprechungsverfahren zurück. Für ein solches trat als innerkirchlicher Lobbyist vor allem die Gemeinschaft von Sant’Egidio auf. Deren früherer geistlicher Assistent, der heutige Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, seit vergangenem Jahr umstrittener Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben und Großkanzler des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie, ist Postulator des Verfahrens.
Benedikt XVI. ließ Verfahren einfrieren – „Heiligsprechung“ durch andere Konfessionen
Papst Benedikt XVI. hatte 2008 das Kanonisierungsverfahren einfrieren lassen. Der Grund waren Zweifel an den Motiven von Romeros Ermordung. Für die Anerkennung seines Todes als Martyrium ist die Ermordung aus Haß gegen den Glauben und nicht aus politischen Gründen Voraussetzung. Bedenken gab es auch wegen einiger Positionen, die der Erzbischof eingenommen hatte. Zudem fehlte es – bis heute – an einem von der Kirche anerkannten Wunder, das auf die Fürsprache des Erzbischofs zurückgeführt wird.
Irritiert haben auch „Heiligsprechungen“ Romeros durch andere Konfessionen. Die deutschen Alt-Katholiken machten ihn bereits in den 90er Jahren zum „Heiligen“, die Episkopalianer der USA 2006 „probeweise“ und die US-Lutheraner 2013 offiziell. Die anglikanische Church of England nahm Romero 1998 in das Pantheon der zehn „Märtyrer des 20. Jahrhunderts“ auf, die seither das Hauptportal (Westportal) von Westminister Abbey zieren.
Einen Monat nach Wahl von Franziskus Wiederaufnahme des Verfahrens
Mit der Wahl von Papst Franziskus änderte sich die Situation schlagartig. Nur einen Monat nach dem Konklave wurde das von Benedikt XVI. zurückgestellte Seligsprechungsverfahren wiederaufgenommen, wie Postulator Paglia am 22. April 2013 nach einem Treffen mit Franziskus bekanntgeben konnte. Zugleich warnte Generalvikar Jesus Delgado von San Salvador vor einer politischen Instrumentalisierung des Seligsprechungsverfahrens: „Ich hoffe, daß die Causa nicht politisiert wird“.
Anfang 2015 erkannte Papst Franziskus die Ermordung Romeros als Martyrium an und unterzeichnete das Seligsprechungsdekret. Am 23. Mai 2015 erfolgte die Seligsprechung in San Salvador, die von Kardinal Angelo Amato, dem Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse durchgeführt wurde. Bereits damals hatte man in Zentralamerika gehofft, Papst Franziskus könnte persönlich nach El Salvador kommen.
Kardinal dementiert nicht Nachricht, sondern die „Quelle“ der Nachricht zu sein
Das könnte 2018 der Fall sein, wenn die Nachricht von der Heiligsprechung stimmt. Am 14. August wurde der Facebook-Eintrag von Kardinal Rosa Chavez allerdings gelöscht. Der Kardinal erklärte in einer 25-Sekunden dauernden Audiobotschaft, die am Montag auf Twitter und Facebook verbreitet wurde, „nichts“ mit der Nachricht zu tun zu haben, daß Erzbischof Romero heiliggesprochen werde. Als „Quelle“ für die Nachricht sei sein Name genannt worden, doch habe er damit nichts zu tun.
Der Kardinal nahm in seiner Audiobotschaft aber nicht zur Sache selbst Stellung. Er dementierte nicht die Nachricht, daß Papst Franziskus Erzbischof Romero heiligsprechen wolle. Er dementierte lediglich, daß er die Information öffentlich bekannt gemacht habe.
Für die Heiligsprechung eines seligen Märtyrers ist ein Wunder notwendig, das auf seine Fürsprache zurückgeführt wird. Bisher wurde im Zusammenhang mit Erzbischof Romero kein Wunder anerkannt. Allerdings erklärte der Postulator, Erzbischof Paglia, Anfang März 2017 dem Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, daß sich die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse „in Kürze“ ein mutmaßliches Wunder untersuchen werde. Dabei handelt es sich um eine unerklärliche Heilung einer schwerkranken, schwangeren Frau, deren Leben und auch das ihres ungeborenen Kindes bedroht waren.
Papst Franziskus hatte am 27. April 2014 Johannes XXIII. sogar wunderlos heiliggesprochen. Der Konzilspapst gehört neben Romero zu den „Säulenheiligen“ progressiver Kirchenkreise. Seine Heiligsprechung wurde mit kirchenpolitischen Interessen in Verbindung gebracht, um die Heiligsprechung von Johannes Paul II., die Papst Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt XVI. geerbt hatte, zu „neutralisieren“ oder zumindest kirchenpolitisch „auszugleichen“.
Rosa Chavez von Franziskus zum Kardinal erhoben
Msgr. Gregorio Rosa Chavez, Weihbischof und neben Msgr. Jesus Delgado einer der beiden Generalvikare im Erzbistum San Salvador, wurde von Papst Franziskus am vergangenen 28. Juni überraschend in das Kardinalskollegium aufgenommen. Überraschend deshalb, weil es bisher völlig unüblich war, daß ein Weihbischof mit der Kardinalswürde ausgezeichnet wird, besonders aber, wenn sein Diözesanbischof nicht selbst Kardinal ist.
Rosa Chavez, der Vorsitzende der Caritas von El Salvador und der Caritas von Lateinamerika, bezeichnet Erzbischof Romero als seinen „geistigen Vater“. Er gilt als ein Hauptpromotor des Selig- und Heiligsprechungsverfahrens.
In den 80er Jahren hatte er an den Vermittlungsgesprächen zwischen der Militärregierung und der marxistischen Guerillabewegung Frente Farabundo Martà para la Liberación Nacional (FMLN, Nationale Befreiungsfront Farabundo Martà) teilgenommen. Der FMLN war Ende 1979 aus einem Zusammenschluß mehrerer revolutionärer, marxistischer Organisationen entstanden, was mit ein Faktor für die damalige politische Eskalation war. 1992 wurde aus dem FMLN eine politische Partei, die seit 2009 den Staatspräsidenten stellt, im Parlament aber als einzige Linkspartei mit 31 von 85 Sitzen in der Minderheit ist.
Die Audio-Botschaft, mit der Kardinal Rosa Chavez dementiert, die „Quelle“ für die Nachricht zu sein, daß Papst Franziskus 2018 El Salvador besuchen und Erzbischof Oscar Romero heiligsprechen wird:
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Facebook/Wikicommons/El Salvador (Screenshots)