(Washington) Die New York Times, das internationale Flaggschiff des liberalen Mainstreams, setzt ihren Kurs fort, Papst Franziskus gegen US-Präsident Donald Trump in Stellung zu bringen. „Ist der Papst der Anti-Trump?“ fragte die Tageszeitung in ihrer gestrigen Sonntagsausgabe.
New York Times, das Sprachrohr der Trump-Gegner
Man darf daraus schließen, daß die New York Times nicht ihre Haltung gegenüber dem Papsttum oder der katholischen Kirche geändert hat. Was derzeit vielmehr geschieht, ist etwas ganz anderes. Im Krieg (um nichts anderes handelt es sich) gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump gibt es weder Skrupel noch Zurückhaltung. Was auch immer Trump schaden könnte, wird von seinen Gegnern aufgegriffen und eingesetzt. Die New York Times ist in diesem Krieg das Sprachrohr dieser Gegner.
Wenn also Papst Franziskus gegen US-Präsident Trump eingesetzt werden kann, dann wird er von Trumps Gegnern auch als solcher eingesetzt, ohne Rücksicht auf die katholische Kirche.
In der gestrigen Ausgabe der New York Times, in der Beilage Sunday Review – Ideas, Opinion, News Analysis brachte der Brite Austen Ivereigh Papst Franziskus gegen Donald Trump in Stellung.
Austen Ivereigh
Ivereigh spielte im derzeitigen Pontifikat bereits eine gewisse Rolle. Der ehemalige Pressesprecher von Kardinal Cormac Murphy‑O’Connor veröffentlichte Ende November 2014 das Buch „The Great Reformer: Francis and the Making of a Radical Pope“ (auf deutsch am ehesten und vielsagend: Der große Reformer. Franziskus oder wie man einen radikalen Papst installiert). Ivereigh, der früher stellvertretender Chefredakteur des modernistischen Wochenblattes The Tablet war, macht in dem Buch kein Hehl aus seiner Begeisterung für Papst Franziskus. Um so glaubwürdiger ist seine Enthüllung aus erster Hand, daß vier Kardinäle die Wahl von Papst Franziskus zielstrebig vorbereitet und organisiert hätten. Ivereigh nennt die vier Purpurträger Kasper, Lehmann, Danneels und Murphy‑O’Connor das Team Bergoglio. Der Pressesprecher eines der vier Akteure lieferte mehrere Details zu den Abläufen hinter den Kulissen.
Am 22. September 2015 wurde auf dem Koekelberg bei Brüssel ein anderes Buch vorgestellt, eine Biographie über Godfried Kardinal Danneels, der selbst anwesend war. Die beiden Autoren, Karim Schelkens und Jürgen Mettepenningen, enthüllten die Existenz eines Geheimzirkels in der katholischen Kirche, der 1996 zum ersten Mal zusammentrat und dem höchste Kirchenvertreter angehörten. Diesem progressiven Geheimzirkel, „Gruppe von Sankt Gallen“ genannt, gehörten die Kardinäle des Team Bergoglio an. Das Team war im Zusammenhang mit dem Konklave von 2013 das ausführende Organ der „Gruppe von Sankt Gallen“.
„Is the Pope the Opposition Party?“
Gestern macht Ivereigh Papst Franziskus zum „Anti-Trump“. Der Untertitel ist nicht weniger deutlich: „Is the Pope the Opposition Party?“ Die Fragezeichen sind journalistische Routine, aber nicht als inhaltliche Abschwächung gemeint. Der Papst als personifizierte Opposition gegen den amtierenden US-Präsidenten. Ivereighs Artikel ist indirekt illustriert mit einem Bild der schottischen Künstlerin Lynnie Z. (Zulu), das vier Chimären zeigt: Mann, Frau, verschiedener Rassen. Ist das Bild ein Teil der Botschaft?
Den Auftakt zur Stilisierung von Papst Franziskus als internationaler Widerpart zu US-Präsident Trump lieferte das Wallstreet Journal sinnigerweise am Heiligen Abend. In der Ausgabe vom 24./25. Dezember titelte das führende Wirtschaftsblatt unter einem Bild von Papst Franziskus: „The Leader of The Global Left“ (Der Anführer der globalen Linken), und das ganz ohne Fragezeichen. In der Online-Ausgabe lautete der Titel nicht minder eindeutig: „How Pope Francis Became the Leader of the Global Left“ (Wie Papst Franziskus der Anführer der globalen Linke wurde). Die Aussage war nicht als Frage, Mutmaßung oder Eventualität eines kommenden Ereignisses formuliert, sondern als eine Tatsachenfeststellung. Der Vorgang hatte sich bereits vollzogen.
Die Formulierung gibt Aufschluß darüber, was zwischen den Morgenstunden des 9. November 2016, als der Wahlsieg von Donald Trump zur Gewißheit geworden war, und dem 22. Dezember, dem Augenblick als der Artikel Online veröffentlicht wurde, geschehen war. Eine führungslose Linke hielt Ausschau nach einem neuen, sichtbaren Anführer. Sie fand das Aushängeschild in Papst Franziskus. Beobachter, die klassische politische Koordinaten gewohnt sind, schütteln seither ungläubig den Kopf. Was haben das linke US-Establishment und das Oberhaupt der katholischen Kirche gemeinsam? Waren sich diese beiden Seiten nicht vor kurzem noch spinnefeind, ja weltanschauliche Antagonisten schlechthin?
Oder ist Papst Franziskus das Opfer einer Vereinnahmung, die er gar nicht will und gutheißt?
Skizze einer Annäherung
Die Fakten erlauben es nicht, im Staunen zu verharren. Seit dem März 2013 hat sich die Welt rapide verändert. Indizien deuteten es an. Hinter den Kulissen fand eine Annäherung unglaublichen Ausmaßes statt. Die Annäherung betrifft den Papst, in der Person von Franziskus, und jenen maßgeblichen Teil des Establishments, der den Mainstream kontrolliert. Die Annäherung erfolgte in solcher Rapidität, daß manche eine Vernetzung von Kardinal Bergoglio mit diesen Kreisen bereits für die Zeit vor seiner Wahl annehmen, was derzeit aber Spekulation ist.
Das Jahr 2015 brachte den Durchbruch.
- Im April 2015 war UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon Gast von Papst Franziskus und nahm an einer Tagung über den Klimawandel teil. Das Einschwenken des Heiligen Stuhls auf die UNO-Klimawandelpolitik mit der damit zusammenhängenden Wirtschafts‑, Sozial‑, Migrations- und Bevölkerungspolitik war damit bereits beschlossene Sache. Ban Ki-moon erklärte damals, daß der Papst die UNO-Agenda zum Klimawandel unterstützt. Dafür sprach er dem Papst ein „spirituelle und moralische Leadership“ zu. Wörtlich sagte der UNO-Generalsekretär zum Dank über Franziskus: „Ich applaudiere seiner Leadership“.
- Im September 2015 besuchte Franziskus die damals noch von Barack Obama regierten USA und sprach vor dem in gemeinsamer Sitzung versammelten Kongreß. Eines solches Privileg war zuvor keinem katholischen Kirchenoberhaupt eingeräumt worden. Bis Ronald Reagan unterhielten die USA nicht einmal diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl.
- Im Rahmen desselben US-Besuches wurde Papst Franziskus ein weiteres nie dagewesenes Privileg eingeräumt. Er durfte im Glaspalast der Vereinten Nationen in New York vor der UNO-Konferenz für nachhaltige Entwicklung, auf der die Ziele der Weltpolitik für die kommenden 15 Jahre beschlossen wurden, als einziger Redner auftreten und die Festansprache halten. Mit seiner moralischen Autorität als Papst erteilte er den Post-Millenniums-Zielen den „Segen“ der Kirche. Papst Franziskus tat dies, ohne eine Kritik an umstrittenen Zieldefinitionen zu äußern, etwa der Abtreibung, gegen die sich seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. noch massiv gewehrt hatten.
Anerkennung als höchster Religionssprecher
In wieweit es sich um einen tatsächlichen Gleichschritt in den Ideen handelt oder um einen Teilgleichschritt, dem strategische und taktische Überlegungen zugrunde liegen, läßt sich im Detail nicht genau sagen. Tatsache ist der Gleichschritt, Tatsache ist, daß der Vatikan sich nicht davon distanziert. Der Gleichschritt verzeichnet nicht nur auf der Soll‑, sondern auch auf der Habenseite Verbuchungen. Im Gegenzug für das Mittragen der UNO-Agenda wird Papst Franziskus als primus inter pares und höchster Religionssprecher der Welt anerkannt, wie die aufgezeigte privilegierte Stellung verdeutlicht. Daß gemäß dem Säkularismus-Verständnis derselben Kreise Religion eigentlich keine Rolle spielen sollte, jedenfalls nicht im öffentlichen Raum, schon gar nicht in der Gesetzgebung, gibt der stattfindenden „Transformation“ erst die eigentliche Dimension.
Der Wahlsieg von Donald Trump versetzte das linke Establishment in Unruhe. Es fühlt sich gedemütigt und sinnt auf Rache. Es wird nichts unversucht gelassen werden, um Trump möglichst vorzeitig, spätestens aber 2020, aus dem Amt zu jagen. Bis dahin soll er systematisch vor der Weltöffentlichkeit lächerlich gemacht und in seiner Amtsführung behindert werden. Diesen Part erfüllen die Massenmedien bis hinunter zu den europäischen Provinzblättern und Gratiszeitungen mit erschreckender Uniformität. Wen wundert es da, wenn manche Beobachter geheime Strippenzieher am Werk sehen, jene, die „im Dunkeln sitzen“ und die Fäden der veröffentlichten Meinung ziehen.
Die beiden Zwischentitel, die Ivereigh in seinen Aufsatz eingebaut hat, liefern die nötigen Schlagwörter: „The world’s most famous populists face off“ und „Francis is a bridge maker in an age of wall building“.
Die New York Times ist nicht irgendein Blatt, sondern die einflußreichste Tageszeitung der Welt. Dennoch erhob das Staatssekretariat des Vatikans bisher keinen Protest gegen die hochpolitisch-brisante Vereinnahmung von Papst Franziskus. Dabei hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erst am 22. Februar mitgeteilt, das Image des Papstes schützen und den „Gebrauch von Bildern des Papstes überwachen“ zu wollen. Gilt das nur, wenn in Rom einige anonyme Plakate gegen die Amtsführung des Papstes auftauchen, aber nicht, wenn die unvergleichlich einflußreichere New York Times den Papst einseitig als „Anti-Trump“ vor den Karren einer durchsichtigen Kampagne spannt?
Ebensowenig gab es gegen den Artikel eine Intervention des Apostolischen Nuntius in den USA. Schon gar nicht gab es eine Richtigstellung von Vatikansprecher Greg Burke.
Interessiert es den Vatikan nicht, was die New York Times über den Papst schreibt? Oder hat dieses Schweigen damit zu tun, daß es vielleicht sogar stimmt, was die New York Times insinuiert?
Der vollständige Artikel der New York Times „Is the Pope the Anti-Trump?“ vom 5. März 2017.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: New York Times (Screenshots)
Wer die letzten Jahre ein bißchen aufgepasst und mitgedacht hat sieht doch die Trennlinien,die jetzt gezogen werden.