Argentinischer Tango mit päpstlicher Geschichtsklitterung

Die Zukunft von Msgr. Gänswein und des Erzbistums Buenos Aires


Papst Franziskus erwägt für 2024 einen Besuch in seiner Heimat Argentinien und sagte, was er für Msgr. Georg Gänswein und sein Heimatbistum Buenos Aires plant.
Papst Franziskus erwägt für 2024 einen Besuch in seiner Heimat Argentinien und sagte, was er für Msgr. Georg Gänswein und sein Heimatbistum Buenos Aires plant.

(Rom) Die Gerüch­te­kü­che am Tiber bro­delt immer. Der­zeit tut sie es im Tan­go-Schritt. Vor kur­zem hieß es, Erz­bi­schof Georg Gäns­wein wer­de als Apo­sto­li­scher Nun­ti­us nach Mit­tel­ame­ri­ka abge­scho­ben. Die Ernen­nung erfolg­te aber nicht. Statt­des­sen schickt Papst Fran­zis­kus via Medi­en ganz ande­re Signa­le an den ehe­ma­li­gen per­sön­li­chen Sekre­tär von Bene­dikt XVI. Zudem wird erst­mals die Mög­lich­keit eines Besu­ches von Fran­zis­kus in sei­ner Hei­mat Argen­ti­ni­en ins Auge gefaßt.

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In einem Arti­kel des Jour­na­li­sten Joa­quín Mora­les Solá in der Sonn­tags­aus­ga­be der argen­ti­ni­schen Zei­tung La Nación (23. April 2023) heißt es, Fran­zis­kus selbst habe ihm kate­go­risch gesagt: 

„Ich möch­te näch­stes Jahr in das Land reisen.“

Zunächst fällt auf, wem die Erst­ver­brei­tung der Sen­sa­ti­ons­nach­richt eines Papst-Besuchs in Argen­ti­ni­en zufiel. Es ist nicht Eli­sa­bet­ta Piqué, die Vati­ka­ni­stin von La Nación, die seit vie­len Jah­ren mit Fran­zis­kus per­sön­lich befreun­det ist, son­dern Joa­quín Mora­les Solá, einer der nam­haf­te­sten Jour­na­li­sten Argen­ti­ni­ens. An der kor­rek­ten Wie­der­ga­be der Papst-Aus­sa­gen soll­te kein Zwei­fel bestehen.

Gezwei­felt wird der­zeit in Rom vor allem, ob Fran­zis­kus 2024 noch imstan­de sein wird, die Stra­pa­zen einer Rei­se mit so gro­ßen Erwar­tun­gen bewäl­ti­gen zu kön­nen. Wur­de der von ihm bis­her abge­lehn­te Besuch in sei­ner Hei­mat so lan­ge hin­aus­ge­scho­ben, bis er unmög­lich wird?

Papst Fran­zis­kus nütz­te die Begeg­nung mit Mora­les Solá zudem, um eine indi­rek­te Bot­schaft an Erz­bi­schof Georg Gäns­wein zu schicken, der bis zum Tod von Bene­dikt XVI. des­sen per­sön­li­cher Sekre­tär war – und um etwas Geschichts­klit­te­rung zu betreiben. 

Keine Zukunft für Erzbischof Gänswein – unter Franziskus

Msgr. Gäns­wein ist offi­zi­ell nach wie vor Prä­fekt des Päpst­li­chen Hau­ses. Von der Aus­übung die­ses Amtes wur­de er aber von Fran­zis­kus seit dem Früh­jahr 2020 ent­bun­den. Damit brach­te der Papst sei­ne Miß­bil­li­gung zum Aus­druck, daß Bene­dikt XVI. zusam­men mit Kar­di­nal Robert Sarah die Absicht zur Zöli­bats­auf­wei­chung durch­kreuzt und ver­hin­dert hat­te. Hören wir nun Mora­les Solá:

„Fran­zis­kus ent­schied, daß Gäns­wein ent­schei­den kann, ob er in Ita­li­en bleibt oder nach Deutsch­land zurück­kehrt, aber bei­de Optio­nen müs­sen ihn außer­halb der vati­ka­ni­schen Mau­ern brin­gen. Er muß auch die Woh­nung, die er inner­halb des Vati­kans bewohnt, in ein paar Mona­ten ver­las­sen. Fran­zis­kus soll Gäns­wein dar­an erin­nert haben, daß alle Pri­vat­se­kre­tä­re der Päp­ste in ihre Diö­ze­sen zurück­kehr­ten, wenn der Pon­ti­fex starb. Er zitier­te den Fall des ehe­ma­li­gen Pri­vat­se­kre­tärs von Johan­nes Paul II., der nach dem Ende von Woj­ty­las Pon­ti­fi­kat nach Kra­kau in sei­nem Hei­mat­land Polen zurückkehrte.“

Aller­dings wur­de Sta­ni­sław Dzi­wisz, der per­sön­li­che Sekre­tär von Johan­nes Paul II., des­sen Sekre­tär er bereits als Erz­bi­schof von Kra­kau seit 1966 war, von Bene­dikt XVI. 2005 zum Erz­bi­schof von Kra­kau ernannt und 2006 zum Kar­di­nal kre­iert. Msgr. Gäns­wein hat von Fran­zis­kus weder die Ernen­nung zum Diö­ze­san­bi­schof und schon gar nicht die Erhe­bung in den Kar­di­nals­stand zu erwarten.

Fran­zis­kus hat, geht es nach dem Gespräch mit Mora­les Solá, über­haupt kei­ne Auf­ga­be für den schon seit drei Jah­ren beur­laub­ten Prä­fek­ten des Päpst­li­chen Hau­ses. Wor­um es geht, ist ein­zig nur mehr, Gäns­wein aus dem Vati­kan zu ent­fer­nen. Fran­zis­kus ent­ließ 2017 Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler als Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, ohne ihm seit­her eine neue Auf­ga­be zuzu­wei­sen. Das­sel­be mit Gäns­wein zu machen dürf­te Fran­zis­kus daher nicht schwerfallen.

Eine Geschichts­klit­te­rung ist es hin­ge­gen, wie Mora­les Solá die Epi­so­de wie­der­gibt, die zum Bruch zwi­schen Fran­zis­kus und Erz­bi­schof Gäns­wein geführt hat­te. Es wird eine Art Intri­ge des Pri­vat­se­kre­tärs behaup­tet, der Bene­dikts Namen ohne des­sen Wis­sen gleich­be­rech­tigt auf das Buch von Kar­di­nal Sarah gesetzt hät­te. Ein unbe­deu­ten­des Detail, das nichts am Inhalt des Buches und dem gemein­sa­men Plä­doy­er von Kar­di­nal Sarah und Bene­dikt XVI. zur Ver­tei­di­gung des Wei­he­sa­kra­ments und des prie­ster­li­chen Zöli­bats ändert. Die Behaup­tung, Bene­dikt habe dann sei­nen Namen zurück­ge­zo­gen, ist eine Ver­zer­rung der Tat­sa­chen. Man beach­te die Sub­ti­li­tät. Ein Neben­neben­schau­platz wird in den Fokus gerückt, um den unbe­streit­ba­ren Inhalt zu dis­kre­di­tie­ren. Ein sol­ches Vor­ge­hen kann als Mani­pu­la­ti­ons­ver­such bezeich­net wer­den. Auch in die­sem Fall kann kein begrün­de­ter Zwei­fel dar­an bestehen, daß Mora­les Solá wie­der­gibt, was ihm von Fran­zis­kus gesagt wurde.

Der nächste Primas von Argentinien

Für Argen­ti­ni­en von Bedeu­tung ist jener Teil des Gesprächs, in dem es um den näch­sten Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und Pri­mas von Argen­ti­ni­en geht. Der von Fran­zis­kus 2013 zu sei­nem Nach­fol­ger ernann­te Kar­di­nal Mario Aure­lio Poli voll­ende­te Ende Novem­ber 2022 sein 75. Lebens­jahr. Sein im Kir­chen­recht vor­ge­schrie­be­nes Rück­tritt­ge­such liegt seit­her auf dem Schreib­tisch des Pap­stes. Fran­zis­kus gab sich zugeknöpft:

„Ich kann nur sagen, daß es drei star­ke Kan­di­da­ten gibt.“

Mit sei­nen wei­te­ren Aus­sa­gen dazu zün­de­te er nur eine Nebel­ker­ze und ern­tet in Rom ein müdes Lächeln.

„Ich kann nie­man­den benen­nen, weil nur einer ernannt wer­den wird. Ich muß die Mei­nung der vati­ka­ni­schen Insti­tu­tio­nen und der Kar­di­nä­le, die für die­se Insti­tu­tio­nen ver­ant­wort­lich sind, berück­sich­ti­gen. Es ist nicht nur eine per­sön­li­che Entscheidung.“

Tat­sa­che ist, daß Fran­zis­kus seit Pon­ti­fi­kats­be­ginn Bischofs­er­nen­nun­gen, die ihm wich­tig sind, im Allein­gang und an den zustän­di­gen römi­schen Behör­den vor­bei trifft. Das gilt erst recht für sei­nen eige­nen ehe­ma­li­gen Bischofs­sitz Bue­nos Aires.

Fran­zis­kus will sich also nicht vor­zei­tig in die Kar­ten schau­en las­sen. Ein von Fran­zis­kus bekann­tes Ver­hal­tens­mu­ster, um mög­li­che Dis­kus­sio­nen und Wider­stän­de zu minimieren.

Es gilt als offe­nes Geheim­nis, daß Fran­zis­kus sei­nen Ghost­wri­ter und per­sön­li­chen Freund Víc­tor Manu­el „Tucho“ Fernán­dez als näch­sten Erz­bi­schof von Bue­nos Aires vor­ge­se­hen hat. Für Tucho Fernán­dez leg­te sich Jor­ge Mario Berg­o­glio, als er noch Erz­bi­schof von Bue­nos Aires war, mit der römi­schen Bil­dungs­kon­gre­ga­ti­on an – und setz­te sich durch. Als er Papst wur­de, wech­sel­te er zur Ver­gel­tung die Spit­ze der Bil­dungs­kon­gre­ga­ti­on, die sich ihm in den Weg gestellt hat­te, umge­hend aus. 2018 wur­de „Tucho“ von Fran­zis­kus zum Erz­bi­schof von La Pla­ta, dem zweit­wich­tig­sten Bischofs­sitz Argen­ti­ni­ens, ernannt. Auch dabei ging es um Rache, denn Fran­zis­kus ernann­te Fernán­dez zum Nach­fol­ger von Erz­bi­schof Héc­tor Rubén Aguer, der Berg­o­gli­os Gegen­spie­ler in der Argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz war. Ein Schlag ins Gesicht für den kon­ser­va­ti­ve­ren Teil der Kir­che in Argentinien.

Wäh­rend Kar­di­nal Poli die für Fran­zis­kus „ein­zig mög­li­che Inter­pre­ta­ti­on“ des umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia ver­öf­fent­lich­te, setz­te Tucho Fernán­dez kurz nach sei­ner Amts­ein­füh­rung als Erz­bi­schof von La Pla­ta das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. für sein Erz­bis­tum außer Kraft. Er nahm damit vor­weg, was Fran­zis­kus im Juli 2021 mit dem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des der Welt­kir­che auf­er­leg­te. In bei­den Fäl­len, in der Auf­wei­chung von Sakra­men­ten­ord­nung und Moral­leh­re und im Abwür­gen des über­lie­fer­ten Ritus, setz­ten bei­de Erz­bi­schö­fe ihre Maß­nah­men in enger vor­he­ri­ger Abspra­che mit San­ta Mar­ta um. In bei­den Fäl­len ging es um die Schaf­fung von Präzedenzfällen.

Tucho Fer­nan­déz war von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, damals noch Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, im Juni 2016 als „häre­tisch“ bezeich­net worden. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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