
(New York) Der ehemalige Kardinal Theodore McCarrick stand am Freitag, dem 3. September 2021, in Dedham (Boston) vor Gericht. Er hatte sich vor einem Distriktsgericht dafür zu verantworten, bei einer Hochzeitsfeier in diesem Staat einen 16jährigen sexuell mißbraucht zu haben.
Als die New York Times 2018 das homosexuelle Doppelleben McCarricks enthüllte und der Verdacht des homosexuellen Mißbrauchs Minderjähriger aufkam, verzichtete der einst einflußreiche Purpurträger auf die Kardinalswürde. Inzwischen wurde McCarrick aus dem Priesterstand entlassen und laisiert.
Der inzwischen 91 Jahre alte McCarrick bekannte sich nicht schuldig. Der Vorfall liegt fast 50 Jahre zurück. McCarrick war zuletzt, bis zu seiner altersbedingten Emeritierung im Jahr 2006, Erzbischof von Washington DC.
Das Gericht verhängte eine Kaution in der Höhe von 5000 Dollar und verordnete ihm, sich vom Opfer fernzuhalten und keinen Kontakt zu Minderjährigen zu haben. McCarrick ist der erste und bisher einzige Kardinal in der Geschichte der USA, der wegen eines Sexualverbrechens an Minderjährigen vor Gericht steht.
Der nächste Verhandlungstag ist für den 28. Oktober anberaumt.
Die Staatsanwaltschaft klagt McCarrick an, einen damals 16jährigen Jungen, während der Hochzeit des Bruders des Opfers, in Wellesley, Massachusetts, in einem Garderobenraum mißbraucht zu haben.
Mehrere Männer erstatten auch in den Staaten New York und New Jersey Anzeigen gegen den ehemaligen Kardinal wegen sexuellen Mißbrauchs, als sie Kinder waren. Nach den Gesetzen dieser Staaten sind die Fälle jedoch verjährt, nicht so in Massachusetts.
Die Staatsanwaltschaft konnte in diesem Staat Anklage erheben, weil McCarrick zum Zeitpunkt der Tat nicht Bürger von Massachusetts war. Nur für diese gilt eine Verjährungsfrist.
Die Entlassung aus dem Priesterstand und die Laisierung traten im Februar 2019 in Kraft, nachdem McCarrick von der Glaubenskongregation, die sich mit den Vorwürfen gegen ihn zu befassen hatte, für schuldig befunden wurde, Minderjährige homosexuell mißbraucht und Erwachsene homosexuell korrumpiert zu haben und dies unter erschwerenden Umständen, da er dafür seine Macht als Priester oder Bischof mißbraucht hatte.
Der Skandal McCarrick wurde Ende August 2018 zum Fall Franziskus, als der ehemalige Apostolische Nuntius für die USA, Msgr. Carlo Maria Viganò, enthüllte, den Papst bereits im Juni 2013 persönlich über McCarricks Doppelleben informiert zu haben. Franziskus hob aber die von Benedikt XVI. auferlegten Sanktion gegen McCarrick auf und machten ihn zu seinem Vertrauten. Wegen dieser Vertuschung forderte Msgr. Viganò den Rücktritt von Franziskus. Dieser distanzierte sich zwar von McCarrick, verhindert aber bis heute die umfassende Aufarbeitung der Frage, wie es möglich war, daß McCarrick eine so steile Karriere machen konnte und so lange unangetastet geblieben war. Vor allem müßte dann Franziskus selbst unangenehme Fragen beantworten. Der Großteil von McCarricks Protegés, bei deren Ernennung zu Bischöfen er tatkräftig mitgeholfen hatte – Erzbischof Viganò hatte teilweise ihre Namen veröffentlicht –, ist weiterhin im Amt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons