(Rom) Wegen der Corona-Panik finden keine Sitzungen des C6-Kardinalsrates (ehemaliger C9-Kardinalsrat) statt. Aus Angst, abgehört zu werden (Katholisches.info berichtete), erfolgen die Sitzungen auch nicht „virtuell“, also digital als Videokonferenzen, wie es derzeit zwangsweise „beliebt“ ist. Wegen des jüngsten Finanzskandals wird nun doch eine Dringlichkeitssitzung stattfinden.
Im April 2013 errichtete Papst Franziskus einen Kardinalsrat, der ihn bei der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche beraten soll. Dazu berief er neun Mitglieder: sieben als Vertreter der Erdteile sowie einen Vertreter der Römischen Kurie und den Kardinalstaatssekretär. Amerika, wo sich heute das zahlenmäßige Schwergewicht der katholischen Kirche befindet, berücksichtigte er besonders. Ende 2018 führten Skandale und Intrigen dazu, daß Franziskus die Mandate der Vertreter von Südamerika, Afrika und Ozeanien für verfallen erklärte. Damit schrumpfte der C9-Kardinalsrat zu einem C6-Rat. Bemerkenswert dabei ist, daß die südliche Hemisphäre, die mit der Wahl des Papstes, „der aus der Ferne kommt“, aufgewertet werden sollte, in dem Beratergremium nicht mehr vertreten ist. Neubesetzungen nahm Franziskus nicht vor und scheinen absehbar auch nicht beabsichtigt zu sein. Übriggeblieben sind mit entsprechend stärkerem Gewicht die Kardinäle O’Malley (Nordamerika), Maradiaga (Mittelamerika), Marx (Europa), Gracias (Asien), Bertello (Kurie) und Kardinalstaatssekretär Parolin. An den Sitzungen nehmen zudem ein Sekretär (Bischof Marcello Semeraro) und ein beigeordneter Sekretär (Msgr. Marco Mellino) teil.
Kardinal George Pell, der bis Juni 2017 Ozeanien vertrat, befindet sich nach fast dreieinhalb Jahren seit vergangenem Dienstag erstmals wieder in Rom, wurde aber von Papst Franziskus noch nicht empfangen. Kardinal Pell ist überzeugt, das Opfer einer Intrige im Vatikan geworden zu sein, bei der Kardinal Becciu eine zentrale Rolle gespielt haben könnte. Die falsche Anklage des sexuellen Mißbrauchs, die den Kardinal bis zum Freispruch im vergangenen April für ein Jahr ins Gefängnis gebrachte hatte, soll durch Bestechung vom Vatikan aus gesteuert worden sein, um ihn auszuschalten. Pell war damals Präfekt des Wirtschaftssekretariats und begann, zu viele Fragen zu Finanztransaktionen zu stellen (siehe Waren Anschuldigungen gegen Kardinal Pell gekauft?).
Corona-Panik und Spionageverdacht
Lähmte zunächst die Corona-Panik den Kardinalsrat und verhinderte seit Februar dessen Zusammentreten, wurde Anfang September bekannt, daß Sicherheitsbedenken davon Abstand nehmen ließen, die Sitzungen als Online-Konferenzen durchzuführen. Hintergrund dafür waren Berichte, die Niederlassung des Heiligen Stuhls in Hongkong und über diese auch das römische Staatssekretariat seien seit Mai Zielscheiben einer gezielten Abhöraktion der Volksrepublik China geworden. Der Spionageangriff durch das kommunistische Regime wurde vom Heiligen Stuhl nicht öffentlich thematisiert, um die Annäherung in den bilateralen Beziehungen im Zuge der neuen Ostpolitik nicht zu gefährden. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums dementierte die Berichte über eine angebliche Spionage als „haltlos“. Derzeit steht die vom Vatikan gewünschte Verlängerung des Geheimabkommens vom September 2018 in den Beziehungen zu Peking ganz oben auf der Tagesordnung.
Der Finanzskandal um Kardinal Angelo Becciu, zu dem immer wieder neue Details bekannt werden, erschüttert den Vatikan so stark, daß alle Sicherheitsbedenken in den Hintergrund getreten sind. Am morgigen Dienstag findet eine Dringlichkeitssitzung statt. Erstmals seit Februar wird sich der verkleinerte Kardinalsrat damit wieder versammeln – zumindest virtuell. Papst Franziskus wird wie gewohnt daran teilnehmen. Die Konferenzschaltung soll über eine eigene, gleiche Digitaltechnik erfolgen, die von allen Beteiligten verwendet wird. Bisher fanden alle Sitzungen physisch in Santa Marta statt, dauerten jeweils drei Tage mit insgesamt sechs Sitzungen. An fünf Sitzungen davon nahm Franziskus immer persönlich teil.
Kurienreform beschleunigen, um Handlungsfähigkeit zu beweisen?
Auf der Tagesordnung steht die Promulgierung der neuen Apostolischen Konstitution für die Römische Kurie noch während der Corona-Phase. Kardinal Marx hatte die redigierte und korrigierte Fassung nach Santa Marta gebracht. Damit war es am Papst, mit den beiden Kurienvertretern Parolin und Bertello die letzte Feinabstimmung vorzunehmen.
Wahrscheinlich wird aber der jüngste Finanzskandal den Großteil der Zeit in Anspruch nehmen. Es wird nicht nur um den Skandal selbst gehen, sondern auch um dessen negative Auswirkungen auf die Gläubigen und nicht zuletzt um den drastischen Rückgang des Peterspfennigs. Wegen der Corona-Maßnahmen war die diesjährige Kollekte von Juni auf Anfang Oktober verschoben worden. Die bisher dazu vorliegenden Zahlen sorgen für einige Unruhe.
Es gibt Hinweise, daß Franziskus wegen des Skandals schnellere Ergebnisse bei der Kurienreform vorlegen will. Unterdessen scheiden die Kardinäle Parolin, Collins und Bozanic aus der Kontrollkommission der Vatikanbank IOR aus. Sie werden durch die Kardinäle Krajewski (Päpstlicher Almosenier) und Tagle (Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker) sowie Msgr. Giuseppe Petrocchi, Erzbischof von L’Aquila, ersetzt. Kardinal Tagle gilt als Kronprinz von Franziskus, den er als seinen Nachfolger aufbaut. Kardinal Schönborn (Erzbischof von Wien) und Kurienkardinal Abril y Castello bleiben weiterhin Mitglieder der Kontrollkommission.
Das Ausscheiden von Kardinalstaatssekretär Parolin wurde aufmerksam registriert und teils als Bestrafung interpretiert, weil der Finanzskandal in die Verantwortung des Staatssekretariats fällt. Allerdings war Papst Franziskus bekannt, daß Kardinal Parolin und sein Substitut Becciu miteinander im Konflikt waren und jeder seinen Bereich verwaltete. Santa Marta versichert daher, daß kein Wechsel an der Spitze des Staatssekretariats beabsichtigt sei.
Auch Parolin gilt als potentieller Nachfolger von Papst Franziskus. Entsprechende Ambitionen werden dem Kardinalstaatssekretär nachgesagt. 2020 ist allerdings das Jahr von Kardinal Tagle. Innerhalb weniger Monate berief ihn Franziskus nach Rom und ernannte ihn zum Präfekten der genannten Kongregation, erhob ihn in den Rang eines Kardinalbischofs und berief ihn nun auch in die Kontrollkommission für die Vatikanbank IOR mit der Aussicht, von Kardinal Abril y Castello den Vorsitz zu übernehmen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Wegen der Corona-Maßnahmen war die diesjährige Kollekte des Peterspfennig von Juni auf Anfang Oktober verschoben worden. Die bisher dazu vorliegenden Zahlen sorgen für einige Unruhe. Drastischer Rückgang des Peterspfennigs.
Na, das hoffte ich doch, dass der Peterspfennig 2020 drastisch zurück ging; und das liegt nicht an Corona. Der Peterspfennig ist „die kleine Kirchensteuer“, deren Höhe die Gläubigen auch ohne Kirchenaustritt in der Hand haben. Bis auf Null sollte der Peterspfennig zurückgehen. Warum sollten die Armen und Kleinen in der Kirche Finanzspekulationen mit Luxusimmobilien bezahlen? Es gibt andere seriöse Organisationen in der Kirche, die das gespendete Geld nicht verzocken.
Eine Frage an die Leser dieses Blogs:
Wieviele Fratelli aus Moria hat denn der Vatikan aufgenommen? Da gibt es Platz und Papst Franziskus darf doch nach seinen eigens zugearbeiteten 20 Punkten zum Global Compact for Migration niemanden zurückweisen. Der Almosenmeister bekommt auch keine Mehrarbeit, denn die vatikanische Aufnahmegesellschaft darf ja kein Almosen anbieten, sondern muss nach Fratelli tutti das eigene Wohlstandsniveau anbieten. Habe ich dazu irgendwelche Nachrichten übersehen? Weiß das jemand?