Dringlichkeitssitzung zum Finanzskandal

Nach acht Monaten Corona-Unterbrechung tritt überraschend C6-Kardinalsrat zusammen


Der Kardinalsrat wieder mit sieben Mitglieder.
Der Kardinalsrat wieder mit sieben Mitgliedern. Nach wie vor nicht vertreten sind Ozeanien und Südamerika.

(Rom) Wegen der Coro­na-Panik fin­den kei­ne Sit­zun­gen des C6-Kar­di­nals­ra­tes (ehe­ma­li­ger C9-Kar­di­nals­rat) statt. Aus Angst, abge­hört zu wer­den (Katho​li​sches​.info berich­te­te), erfol­gen die Sit­zun­gen auch nicht „vir­tu­ell“, also digi­tal als Video­kon­fe­ren­zen, wie es der­zeit zwangs­wei­se „beliebt“ ist. Wegen des jüng­sten Finanz­skan­dals wird nun doch eine Dring­lich­keits­sit­zung stattfinden.

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Im April 2013 errich­te­te Papst Fran­zis­kus einen Kar­di­nals­rat, der ihn bei der Kuri­en­re­form und der Lei­tung der Welt­kir­che bera­ten soll. Dazu berief er neun Mit­glie­der: sie­ben als Ver­tre­ter der Erd­tei­le sowie einen Ver­tre­ter der Römi­schen Kurie und den Kar­di­nal­staats­se­kre­tär. Ame­ri­ka, wo sich heu­te das zah­len­mä­ßi­ge Schwer­ge­wicht der katho­li­schen Kir­che befin­det, berück­sich­tig­te er beson­ders. Ende 2018 führ­ten Skan­da­le und Intri­gen dazu, daß Fran­zis­kus die Man­da­te der Ver­tre­ter von Süd­ame­ri­ka, Afri­ka und Ozea­ni­en für ver­fal­len erklär­te. Damit schrumpf­te der C9-Kar­di­nals­rat zu einem C6-Rat. Bemer­kens­wert dabei ist, daß die süd­li­che Hemi­sphä­re, die mit der Wahl des Pap­stes, „der aus der Fer­ne kommt“, auf­ge­wer­tet wer­den soll­te, in dem Bera­ter­gre­mi­um nicht mehr ver­tre­ten ist. Neu­be­set­zun­gen nahm Fran­zis­kus nicht vor und schei­nen abseh­bar auch nicht beab­sich­tigt zu sein. Übrig­ge­blie­ben sind mit ent­spre­chend stär­ke­rem Gewicht die Kar­di­nä­le O’Malley (Nord­ame­ri­ka), Mara­dia­ga (Mit­tel­ame­ri­ka), Marx (Euro­pa), Gra­ci­as (Asi­en), Ber­tel­lo (Kurie) und Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin. An den Sit­zun­gen neh­men zudem ein Sekre­tär (Bischof Mar­cel­lo Semer­a­ro) und ein bei­geord­ne­ter Sekre­tär (Msgr. Mar­co Mel­li­no) teil.

Kar­di­nal Geor­ge Pell, der bis Juni 2017 Ozea­ni­en ver­trat, befin­det sich nach fast drei­ein­halb Jah­ren seit ver­gan­ge­nem Diens­tag erst­mals wie­der in Rom, wur­de aber von Papst Fran­zis­kus noch nicht emp­fan­gen. Kar­di­nal Pell ist über­zeugt, das Opfer einer Intri­ge im Vati­kan gewor­den zu sein, bei der Kar­di­nal Becciu eine zen­tra­le Rol­le gespielt haben könn­te. Die fal­sche Ankla­ge des sexu­el­len Miß­brauchs, die den Kar­di­nal bis zum Frei­spruch im ver­gan­ge­nen April für ein Jahr ins Gefäng­nis gebrach­te hat­te, soll durch Bestechung vom Vati­kan aus gesteu­ert wor­den sein, um ihn aus­zu­schal­ten. Pell war damals Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats und begann, zu vie­le Fra­gen zu Finanz­trans­ak­tio­nen zu stel­len (sie­he Waren Anschul­di­gun­gen gegen Kar­di­nal Pell gekauft?).

Corona-Panik und Spionageverdacht

Lähm­te zunächst die Coro­na-Panik den Kar­di­nals­rat und ver­hin­der­te seit Febru­ar des­sen Zusam­men­tre­ten, wur­de Anfang Sep­tem­ber bekannt, daß Sicher­heits­be­den­ken davon Abstand neh­men lie­ßen, die Sit­zun­gen als Online-Kon­fe­ren­zen durch­zu­füh­ren. Hin­ter­grund dafür waren Berich­te, die Nie­der­las­sung des Hei­li­gen Stuhls in Hong­kong und über die­se auch das römi­sche Staats­se­kre­ta­ri­at sei­en seit Mai Ziel­schei­ben einer geziel­ten Abhör­ak­ti­on der Volks­re­pu­blik Chi­na gewor­den. Der Spio­na­ge­an­griff durch das kom­mu­ni­sti­sche Regime wur­de vom Hei­li­gen Stuhl nicht öffent­lich the­ma­ti­siert, um die Annä­he­rung in den bila­te­ra­len Bezie­hun­gen im Zuge der neu­en Ost­po­li­tik nicht zu gefähr­den. Ein Spre­cher des chi­ne­si­schen Außen­mi­ni­ste­ri­ums demen­tier­te die Berich­te über eine angeb­li­che Spio­na­ge als „halt­los“. Der­zeit steht die vom Vati­kan gewünsch­te Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens vom Sep­tem­ber 2018 in den Bezie­hun­gen zu Peking ganz oben auf der Tagesordnung.

Der Finanz­skan­dal um Kar­di­nal Ange­lo Becciu, zu dem immer wie­der neue Details bekannt wer­den, erschüt­tert den Vati­kan so stark, daß alle Sicher­heits­be­den­ken in den Hin­ter­grund getre­ten sind. Am mor­gi­gen Diens­tag fin­det eine Dring­lich­keits­sit­zung statt. Erst­mals seit Febru­ar wird sich der ver­klei­ner­te Kar­di­nals­rat damit wie­der ver­sam­meln – zumin­dest vir­tu­ell. Papst Fran­zis­kus wird wie gewohnt dar­an teil­neh­men. Die Kon­fe­renz­schal­tung soll über eine eige­ne, glei­che Digi­tal­tech­nik erfol­gen, die von allen Betei­lig­ten ver­wen­det wird. Bis­her fan­den alle Sit­zun­gen phy­sisch in San­ta Mar­ta statt, dau­er­ten jeweils drei Tage mit ins­ge­samt sechs Sit­zun­gen. An fünf Sit­zun­gen davon nahm Fran­zis­kus immer per­sön­lich teil.

Kurienreform beschleunigen, um Handlungsfähigkeit zu beweisen?

Auf der Tages­ord­nung steht die Pro­mul­gie­rung der neu­en Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on für die Römi­sche Kurie noch wäh­rend der Coro­na-Pha­se. Kar­di­nal Marx hat­te die redi­gier­te und kor­ri­gier­te Fas­sung nach San­ta Mar­ta gebracht. Damit war es am Papst, mit den bei­den Kuri­en­ver­tre­tern Paro­lin und Ber­tel­lo die letz­te Fein­ab­stim­mung vorzunehmen.

Wahr­schein­lich wird aber der jüng­ste Finanz­skan­dal den Groß­teil der Zeit in Anspruch neh­men. Es wird nicht nur um den Skan­dal selbst gehen, son­dern auch um des­sen nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Gläu­bi­gen und nicht zuletzt um den dra­sti­schen Rück­gang des Peters­pfen­nigs. Wegen der Coro­na-Maß­nah­men war die dies­jäh­ri­ge Kol­lek­te von Juni auf Anfang Okto­ber ver­scho­ben wor­den. Die bis­her dazu vor­lie­gen­den Zah­len sor­gen für eini­ge Unruhe.

Es gibt Hin­wei­se, daß Fran­zis­kus wegen des Skan­dals schnel­le­re Ergeb­nis­se bei der Kuri­en­re­form vor­le­gen will. Unter­des­sen schei­den die Kar­di­nä­le Paro­lin, Coll­ins und Boza­nic aus der Kon­troll­kom­mis­si­on der Vatik­an­bank IOR aus. Sie wer­den durch die Kar­di­nä­le Kra­jew­ski (Päpst­li­cher Almo­se­ni­er) und Tag­le (Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker) sowie Msgr. Giu­sep­pe Petroc­chi, Erz­bi­schof von L’Aquila, ersetzt. Kar­di­nal Tag­le gilt als Kron­prinz von Fran­zis­kus, den er als sei­nen Nach­fol­ger auf­baut. Kar­di­nal Schön­born (Erz­bi­schof von Wien) und Kuri­en­kar­di­nal Abril y Castel­lo blei­ben wei­ter­hin Mit­glie­der der Kontrollkommission.

Das Aus­schei­den von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin wur­de auf­merk­sam regi­striert und teils als Bestra­fung inter­pre­tiert, weil der Finanz­skan­dal in die Ver­ant­wor­tung des Staats­se­kre­ta­ri­ats fällt. Aller­dings war Papst Fran­zis­kus bekannt, daß Kar­di­nal Paro­lin und sein Sub­sti­tut Becciu mit­ein­an­der im Kon­flikt waren und jeder sei­nen Bereich ver­wal­te­te. San­ta Mar­ta ver­si­chert daher, daß kein Wech­sel an der Spit­ze des Staats­se­kre­ta­ri­ats beab­sich­tigt sei.

Auch Paro­lin gilt als poten­ti­el­ler Nach­fol­ger von Papst Fran­zis­kus. Ent­spre­chen­de Ambi­tio­nen wer­den dem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär nach­ge­sagt. 2020 ist aller­dings das Jahr von Kar­di­nal Tag­le. Inner­halb weni­ger Mona­te berief ihn Fran­zis­kus nach Rom und ernann­te ihn zum Prä­fek­ten der genann­ten Kon­gre­ga­ti­on, erhob ihn in den Rang eines Kar­di­nal­bi­schofs und berief ihn nun auch in die Kon­troll­kom­mis­si­on für die Vatik­an­bank IOR mit der Aus­sicht, von Kar­di­nal Abril y Castel­lo den Vor­sitz zu übernehmen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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1 Kommentar

  1. Wegen der Coro­na-Maß­nah­men war die dies­jäh­ri­ge Kol­lek­te des Peters­pfen­nig von Juni auf Anfang Okto­ber ver­scho­ben wor­den. Die bis­her dazu vor­lie­gen­den Zah­len sor­gen für eini­ge Unru­he. Dra­sti­scher Rück­gang des Peterspfennigs. 

    Na, das hoff­te ich doch, dass der Peters­pfen­nig 2020 dra­stisch zurück ging; und das liegt nicht an Coro­na. Der Peters­pfen­nig ist „die klei­ne Kir­chen­steu­er“, deren Höhe die Gläu­bi­gen auch ohne Kir­chen­aus­tritt in der Hand haben. Bis auf Null soll­te der Peters­pfen­nig zurück­ge­hen. War­um soll­ten die Armen und Klei­nen in der Kir­che Finanz­spe­ku­la­tio­nen mit Luxus­im­mo­bi­li­en bezah­len? Es gibt ande­re seriö­se Orga­ni­sa­tio­nen in der Kir­che, die das gespen­de­te Geld nicht verzocken.

    Eine Fra­ge an die Leser die­ses Blogs:
    Wie­vie­le Fra­tel­li aus Moria hat denn der Vati­kan auf­ge­nom­men? Da gibt es Platz und Papst Fran­zis­kus darf doch nach sei­nen eigens zuge­ar­bei­te­ten 20 Punk­ten zum Glo­bal Com­pact for Migra­ti­on nie­man­den zurück­wei­sen. Der Almo­sen­mei­ster bekommt auch kei­ne Mehr­ar­beit, denn die vati­ka­ni­sche Auf­nah­me­ge­sell­schaft darf ja kein Almo­sen anbie­ten, son­dern muss nach Fra­tel­li tut­ti das eige­ne Wohl­stands­ni­veau anbie­ten. Habe ich dazu irgend­wel­che Nach­rich­ten über­se­hen? Weiß das jemand?

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