(Rom) In den Ermittlungsakten von Kardinal Angelo Beccciu ist eine Zahlung von 700.000 Euro aufgetaucht. Das Geld sei an jene australischen Ankläger geflossen, die Kardinal George Pell, damals Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats und Mitglied des C9-Kardinalsrats, des sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger beschuldigten und damit vor Gericht brachten.
Kardinal Pell wurde 2017 unter Anklage gestellt und mußte seine Position im Vatikan aufgeben. Er mußte die Schmach eines Gerichtsverfahrens durch drei Instanzen auf sich nehmen, wurde dabei zu sechs Jahren Haft verurteilt, von denen er ein Jahr im Gefängnis verbrachte, bevor er in letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof freigesprochen wurde.
Schon vor dem Freispruch waren Gerüchte aufgetaucht, die Anklage gegen den Kardinal habe ihren Ausgangspunkt nicht in Australien, sondern im Vatikan gehabt. Dort hätten bestimmte Kreise ein dringendes Interesse gehabt, den Kardinal loszuwerden, weil er auf die Finanzgeschäfte dieser Kreise gestoßen sei und Aufklärung gefordert habe.
Es gab zwar eine Reihe von Indizien, aber keinen Beweis für eine solche Intrige. Dieser könnte nun der vatikanischen Staatsanwaltschaft in die Hände gefallen sein. Die Überweisung von Kardinal Becciu, der damals noch Titularerzbischof war und als Substitut des vatikanischen Staatssekretariats handelte, scheint die Behauptung zu bestätigen.
Demnach habe man von ganz hoher Stelle im Vatikan falsche Beweise fabrizieren lassen, um einen Kardinal der Kirche auszuschalten.
Ist so etwas denkbar? Diese Frage wurde von Alessandro Rico von der Tageszeitung La Verità dem bekannten Liturgiker Don Nicola Bux gestellt. Der Theologe ist nicht nur ein persönlicher Freund von Benedikt XVI., sondern auch mit der Römischen Kurie vertraut, wo er als Consultor der Glaubenskongregation, der Heiligsprechungskongregation und des Amtes für die liturgischen Feiern des Papstes tätig war.
Don Bux zeigte sich wegen der Enthüllung gar nicht überrascht:
„Solche Situationen hat die Kirche in ihrer zweitausendjährigen Geschichte schon durchgemacht. Da gibt es nicht viel, worüber man sich wundern könnte.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL