
(Rom) Im Juli enthüllte eine US-amerikanische Sicherheitsfirma, daß der Heilige Stuhl durch die Volksrepublik China ausspioniert wurde. Das Regime in Peking dementierte die Vorwürfe, während der Vatikan nicht dazu Stellung nahm. Dennoch scheinen Maßnahmen ergriffen worden zu sein.
Die Nachricht stammt von Elisabetta Piqué, Rom-Korrespondentin der argentinischen Tageszeitung La Nación und langjährige Freundin von Papst Franziskus noch aus der Zeit, als dieser Erzbischof von Buenos Aires war.
In ihrem jüngsten Artikel beschäftigt sie sich mit der Frage, ob das Pontifikat von Franziskus ins Stocken geraten sei. Zum selben Thema publizierte vor wenigen Tagen auch ein Papstvertrauter, P. Antonio Spadaro, der Schriftleiter der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica. Kein Zufall. Der Sand im Getriebe beschäftigt das päpstliche Umfeld und diesem nahestehende Journalisten.
Seit Querida Amazonia, dem nachsynodalen Schreiben zur Amazonassynode, wird aus jenen progressiven Kreisen Unzufriedenheit geäußert, die das Pontifikat bisher tatkräftig und mit Begeisterung unterstützten. Deren Erwartungen auf eine Zölibatsaufweichung und Zulassung von verheirateten Männern zum Priestertum waren von offizieller Seite solange genährt worden, daß zuletzt geradezu mit Gewissheit damit gerechnet wurde. Als es mit Querida Amazonia anders kam, war dies für manche ein Schock.
Anfangs versuchte das päpstliche Umfeld sie mit Verweisen auf Fußnoten und kryptische Formulierungen in dem nachsynodalen Schreiben zu beruhigen. Da in den Monaten seither, zumindest aus Rom, keine konkreten Anzeichen folgten, die eine „bergoglianische“ Auslegung wie bei Amoris laetitia annehmen ließen, wurde das Rumoren lauter. Die Brücken dieser Kreise zum Pontifikat sind noch intakt, weshalb der Unmut hinter verschlossenen Türen geäußert wird. Der Leitartikel von Antonio Spadaro in der Civiltà Cattolica will das Feuer löschen. Zugleich bestätigt er jedoch für alle sichtbar, daß der Druck groß ist und eine Abkehr bestimmter lateinamerikanischer Kreise vom Pontifikat, die Franziskus wichtig sind, befürchtet wird. Das Hauptproblem sind allerdings „die Deutschen”, denen Franziskus den Kamm scheren will.
Kardinal Kasper, der Baumeister des derzeitigen Pontifikats im Auftrag des Geheimzirkels von Sankt Gallen, hatte Jorge Mario Bergoglio als Kandidaten kontaktiert und dessen Wahl organisiert. Kasper ist auch das Bindeglied zur deutschen Mehrheitsfraktion. Durch ihn wurde das Pontifikat von Franziskus zu einem „deutschen” Pontifikat, mehr noch als jenes von Benedikt XVI. Allerdings mit Grenzen. Franziskus mag es nicht, ganz und gar nicht, genötigt zu werden. In Santa Marta wird daran getüftelt, wie „den Deutschen” Entgegenkommen signalisiert, aber zugleich dafür gesorgt werden kann, daß Marx, Bode & Bätzing der Kamm nicht noch mehr steigt.
Die Coronapandemie ist schuld
Elisabetta Piqué macht die Coronapandemie dafür verantwortlich, daß das Pontifikat von Franziskus ins Stottern geraten sei und der „Protagonismus” von Franziskus nicht mehr richtig zum Tragen komme.
In ihre Darstellung eingeflochten findet sich auch eine Kuriosität. Der C9-Kardinalsrat, den Franziskus einen Monat nach seiner Wahl errichtete und der ihn bei der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche berät, trat bisher im regelmäßigen Abstand von drei Monaten jeweils drei Tage zusammen. Zuletzt war der Kardinalsrat von neun auf sechs Mitglieder geschrumpft, da Franziskus keine Nachbesetzungen für die von ihm ausgesonderten Vertreter von Südamerika, Afrika und Ozeanien vornahm. Seither ist ausgerechnet die Südhalbkugel in diesem Beratergremium nicht mehr vertreten.
Hören wir, was Piqué schreibt:
„Obwohl vom Papst eine Task Force gegen die Pandemie geschaffen wurde und er während der Quarantäne mit der ganzen Welt durch die Meßübertragungen aus der Kapelle von Santa Marta im Internet verbunden war, kam es bei anderen entscheidenden Reformen zum Stillstand. Die letzte Versammlung des sogenannten C‑9, des Gremiums von Kardinälen aus verschiedenen Ländern, die den Papst beraten, fand im Februar statt. Auch wenn weltweit die Internetübertragungen zahlreiche neue Anhänger gefunden haben, scheut man in den höchsten Ebenen des Vatikans diese Form virtueller Sitzungen aus Angst vor Infiltrationen und aus Sicherheitsgründen.”
Aus Sicherheitsgründen, um Spionage zu verhindern, verzichtete Papst Franziskus bereits auf zwei Sitzungsperioden des Kardinalsrates. Unklar ist, ob wegen Corona oder weil die Kurienreform stockt.
„Gegner” des Pontifikats, so Piqué, würden zudem den Corona-Stillstand nutzen und bereits vom „Ende des Pontifikats” sprechen. Die Autorin hält mit gleichgesinnten Stimmen, konkret mit ihrer Kollegin Valentina Alazraki, der Vatikanistin von Televisa, entgegen, daß dies nicht zutreffe. Man sei vielmehr „mitten im Pontifikat”. Es gebe keinen „Rückgang” des Pontifikats, sondern nur eine Lücke bei dessen Übermittlung an die Menschen. Daran sei die Pandemie schuld, die Franziskus Bühne und Scheinwerfer entziehe. Allerdings, was nicht unerwähnt bleiben soll, war es Franziskus, der alle Auslandsreisen für die Jahre 2020 und auch schon 2021 gestrichen hat – wegen Corona.
Als Beleg für ihre These, daß das Pontifikat nach wie vor in vollem Schwung ist, führt Piqué die angekündigte dritte Enzyklika von Franziskus über die „Brüderlichkeit aller Menschen” an, die im Oktober veröffentlicht werden wird. Die Papst-Freundin spricht in diesem Zusammenhang von „Überraschungen”, und daß Franziskus nach wie vor imstande sei, die Welt zu überraschen.
Artikel wie jene von P. Antonio Spadaro und Elisabetta Piqué signalisieren allerdings eine Unruhe in Santa Marta. Piqué stellt, vielleicht unbeabsichtigt, einen Zusammenhang zwischen der dritten Enzyklika – über die „dritte freimaurerische Tugend“, wie es bereits heißt – und der Unruhe über den Corona-Stillstand her. Will die Autorin damit sagen, daß ein päpstlicher Drang, sich trotz Corona wieder ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit zu schieben, Pate bei seiner neuen Enzyklika steht, die sich wie eine „Revolution“ ankündigt?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Ich glaube trotz zahlreicher Schwächen des Papstes nicht daran, dass er aus taktischen Gründen in Querida Amazonia einen plötzlichen Rückzieher gemacht hat. Wir dürfen nicht vergessen, dass es die Verheißung gibt, dass die Pforten der Hölle die Kirche und ihren Felsen Petrus nicht überwinden werden.
Mir kommt da der Vergleich mit Paul dem VI, der ein Progressist war, dessen Enzyklika Humanae Vitae jedoch anders war!