(Rom) In der aktuellen Ausgabe der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica geht ihr Chefredakteur, der Papstvertraute P. Antonio Spadaro SJ, der Frage nach, ob das Pontifikat von Papst Franziskus noch „Antriebskraft” hat. Dabei wird Papst Franziskus selbst zitiert, der Spadaro eine Notiz zu den „viri probati” zukommen ließ.
Die Überschrift des Leitartikels lautet:
„Die Regierung von Franziskus: Ist die Antriebskraft des Pontifikats noch aktiv?”
Die Frage ist rhetorisch gemeint, auf die es für den Autor nur eine denkbare Antwort geben kann, nämlich ja. Aus dem Artikel soll nur ein Thema herausgegriffen werden, die Zulassung von verheirateten Priestern, die durch eine Aufweichung des priesterlichen Zölibats erreicht werden soll. So lauteten die Hoffnungen auf progressiver Seite, die mit der Amazonassynode verbunden waren. Obwohl die Synode nach Plan verlief und die Forderung, wenn auch etwas verklausuliert, Eingang in das Schlußdokument fand, setzte Papst Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia nicht den erwarteten Schritt. Das Dokument enthält zwar zwei Stellen, die so formuliert sind, daß in einem zukünftigen Moment die Frage doch noch aufgegriffen werden könnte, woran sich progressive Autoren auch festklammern, doch Konkretes tat sich seither nicht.
Kurz vor der Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens war ein gemeinsam von Kardinal Robert Sarah und Benedikt XVI. verfaßtes Buch erschienen, das ein energisches Plädoyer für das sakramentale Priestertum und den priesterlichen Zölibat ist. Damit stellten sich der Kardinalpräfekt der Gottesdienstkongregation, immerhin ein „Papabile”, und der vormalige Papst allen Bestrebungen einer Zölibatsabschaffung in den Weg, wie sie vor allem von starken Kräften im deutschen Sprachraum unterstützt werden.
In einer Notiz an seinen Vertrauten Spadaro nahm Franziskus nun erstmals zur Frage Stellung, warum er den schon zum Greifen nahen Schritt der Zölibatsaufweichung doch nicht setzte. In der gestern erschienenen neuen Ausgabe der Civiltà Cattolica wurden Auszüge der Notiz abgedruckt.
„Es gab eine Diskussion… eine reiche Diskussion… eine fundierte Diskussion, aber keine Unterscheidung, was etwas anderes ist, als einen guten und gerechtfertigten Konsens oder relative Mehrheiten zu erreichen.”
„Wir müssen verstehen, daß die Synode mehr ist als ein Parlament; und in diesem speziellen Fall konnte es sich dieser Dynamik nicht entziehen. Zu diesem Thema war es ein reiches, produktives und sogar notwendiges Parlament; aber nicht mehr als das. Für mich war dies entscheidend in der endgültige Unterscheidung, als ich darüber nachdachte, wie ich das Apostolische Schreiben machen sollte.”
Der Vorschlag, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, wurde als Absatz 111 in das Schlußdokument der Amazonassynode eingeführt. Diesem Absatz stimmten 128 Synodalen zu, während ihn 41 Synodalen ablehnten. Das war die größte Ablehnung, die einer der zahlreichen Absätze fand.
Spadaro lenkt das Augenmerk weg vom Abstimmungsergebnis einerseits und der Letztentscheidung des Papstes andererseits. Es gehe, so der Jesuit, nicht darum an dieser Stelle die Frage „zu lösen”, welche Seite recht und welche unrecht habe. Es gehe vielmehr darum, „wie eine Entscheidung getroffen wird”. Es gehe um die „forma mentis“ und „die Notwendigkeit einer Unterscheidung, die wirklich frei ist“.
Dazu zitiert Spadaro erneut Franziskus:
„Einer der Reichtümer und die Originalität der Synodenpädagogik liegen gerade darin, die parlamentarische Logik zu verlassen, um das Zuhören in der Gemeinschaft zu lernen, also auf das zu hören, was der Heilige Geist der Kirche sagt. Deshalb schlage ich immer vor, nach einer bestimmten Anzahl von Wortmeldungen zu schweigen. Gemeinsam zu gehen bedeutet, Zeit für ein ehrliches Zuhören aufzuwenden, das in der Lage ist, die scheinbare Reinheit unserer Positionen aufzudecken und zu entlarven (oder zumindest aufrichtig zu sein) und uns dabei zu helfen, den Weizen zu erkennen, der – bis zur Parrhesie – immer inmitten des Unkrauts wächst. Wer diese evangelische Sicht der Realität nicht verwirklicht hat, setzt sich unnötiger Bitterkeit aus. Aufrichtiges und gebeterfülltes Zuhören zeigt uns die ‚verborgenen Agenden‘, die zur Bekehrung aufgerufen werden. Welchen Sinn hätte die Synodenversammlung, wenn sie nicht gemeinsam auf das hören würde, was der Geist der Kirche sagt?“
Laut Spadaro wurde von Franziskus daraus folgende Schlußfolgerung gezogen:
„Es gefällt mir, zu denken, daß die Synode in gewissem Sinne noch nicht vorbei ist. Diese Zeit der Aufnahme des gesamten Prozesses, den wir erlebt haben, fordert uns heraus, gemeinsam weiterzugehen und diese Erfahrung in die Praxis umzusetzen.“
Spadaro bemüht sich, die Worte des Papstes verständlich zu machen:
„Die Synode ist also ein Ort der Unterscheidung, an dem Vorschläge entstehen. Das päpstliche Lehramt, das mit den Apostolischen Schreiben daraus entspringt, besteht darin, den Vorschlägen zuzuhören, aber auch den Geist zu erkennen, der sie zum Ausdruck bringt, unabhängig von jeglichem Druck der Medien oder von Abstimmungsmehrheiten. Es bewertet auch, ob die Unterscheidung wirklich eine war oder eher ein Disput. Daher bewertet es, ob es in die Lage versetzt wurde, eine Entscheidung zu treffen oder nicht. Wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind, geht der Papst einfach nicht weiter, ohne jedoch die Gültigkeit der Vorschläge zu leugnen. Stattdessen bittet er darum, weiterhin kritisch zu sein, und läßt die Diskussion offen.”
Der Leitartikel von P. Spadaro in der römischen Jesuitenzeitschrift, der im konkreten Fall aller Wahrscheinlichkeit nach von Papst Franziskus persönlich gelesen und genehmigt wurde, will zweierlei erreichen. Einerseits wird der ganzen Kirche erklärt, nach welcher Methode Franziskus bei seinen Entscheidungen vorgeht. Zugleich wird jedoch der nach der Amazonassynode mit den enttäuschten Progressiven entstandene „Bruch” zu bereinigen versucht. Ihnen wird ausführlich mit den Worten des Papstes erklärt und dann noch eigens von P. Spadaro „übersetzt”, daß ihr Vorschlag der Zulassung eines verheirateten Priestertums von Franziskus nicht verworfen wurde. Die Nichterwähnung dieser Synodenforderung in Querida Amazonia bedeutet nicht „die Gültigkeit des Vorschlags zu leugnen”. Die Zeit sei einfach nur noch nicht reif dafür gewesen. Das wichtigste Signal für die Verfechter der progressiven Agenda ist die Erklärung, daß die Diskussion dazu nicht beendet, sondern weiterhin offen sei, samt der Aufforderung, diese Diskussion fortzusetzen – bis die Zeit reif ist.
Im Kontext der Ereignisse im Vorfeld, während und nach der Amazonassynode könnte es sein, daß der Tod von Benedikt XVI. eine der „Bedingungen” ist, die erfüllt sein müssen, damit auch die römische Kirche den Schritt zur Aufgabe des priesterlichen Zölibats setzt. Die römisch-katholische Kirche ist die einzige christliche Realität, die den priesterlichen Zölibat seit 2000 Jahren bewahrt und verteidigt hat. Alle schismatischen und häretischen Abspaltungen und Neugründungen haben den priesterlichen Zölibat teilweise oder ganz fallengelassen oder ihn von vorneherein abgelehnt. Dazu gehören auch die mit Rom unierten Ostkirchen, die seit langem mit einem verheirateten Weltklerus und einem zölibatären Mönchstum leben. Ihre Bischöfe müssen auch heute noch zölibatär sein, weshalb sie ausnahmslos dem Mönchstum entstammen. Darin bewahren die Ostkirchen die Ahnung, von der ursprünglich zölibatären Disziplin, der höheren und angemesseneren Form für das sakramentale Priestertum, abgewichen zu sein.
Die ununterbrochene, von Christus herrührende Bewahrung des Zölibats durch zwei Jahrtausende wird auch von vielen Kirchenverantwortlichen nicht mehr als sichtbarer Beweis dafür gesehen, die wahre Kirche Jesu Christi zu sein. Auch von Papst Franziskus wurde bisher keine theologische Verteidigung des Zölibats vernommen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Civiltà Cattolica (Screenshot)
Ich sehe mich in meiner Meinung/Überzeugung bestätigt, daß der Rücktritt Benedikts für den Schutz des Zölibats notwendig war und ist. Vermutlich wäre er im Amt schon gestorben und Franziskus könnte skrupellos schalten und walten, wie es bei den Neukatholischen üblich ist.
Ohne eine große Bekehrungswelle wird es einfach so weiter gehen.
Zu dem Wort skrupellos stehe ich. Es gibt zuviele Zeichen.
So nett wie wir Papst Bendikt finden, muß aber leider gesagt werden, dass er immer das 2. Vatikanische Konzil glühend verteidigt hat.
Den Modernisten hat er auch in seinen Büchern nie abgelegt.
Er ist ein Konservativer, das heisst aber nur, dass er nicht möchte, dass alle machen, was sie wollen, denn dann bricht die Machtstruktur völlig zusammen.
Nein, so schmerzlich das ist, Benedikt kann man leider nicht aus der Verantwortung nehmen.