(Mexiko-Stadt) Die Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus, ein politisches Manifest, zeitigt auch bereits politische Folgen. Von linker Seite wird sie gegen die Kirche in Stellung gebracht. Unterdessen werden immer neue, unangenehme Details des vatikanischen Finanzskandals bekannt.
Mexikos linker Staats- und Regierungschef, Andrés Manuel López Obrador, genannt AMLO, lobte die neue Enzyklika und attackierte die mexikanischen Bischöfe, noch nicht die darin enthaltene antikapitalistische und anti-neoliberale Haltung zu vertreten. AMLO erklärte gestern auf einer Pressekonferenz: „Ich weise darauf hin, daß das neoliberale Modell zur Verarmung vieler und zur Bereicherung weniger führte, weil sein Zweck die Bereicherung weniger auf Kosten der großen Mehrheit des Volkes ist.“ Was der Papst in seiner Enzyklika sagt, „ist wirklich wahr“.
„Es gefällt mir sehr, daß Papst Franziskus über diese Themen spricht.“ Insgesamt seien die Ansprachen des Papstes „eine Erneuerung der katholischen Kirche“. Alle Religionen „müssen den Humanismus in den Mittelpunkt stellen, die Menschen, die Sorge um die Armen. Das charakterisierte das Christentum von seinen Ursprüngen her.“
Darauf attackierte AMLO die mexikanischen Bischöfe:
„Ich höre nicht, daß man hier so spricht, wie es der Papst tut. Hören Sie, daß man in der Hierarchie [der Bischöfe] über den Neoliberalismus spricht und die Frage des Neoliberalismus aufwirft?“
Er verteidige den laizistischen Staat und die Bekenntnisfreiheit, doch Papst Franziskus sei nicht nur ein außergewöhnlicher Religionsführer, sondern auch „ein gutes Staatsoberhaupt, einer der besten Päpste in der Geschichte der Kirche.“
Dann betonte AMLO. daß es zwischen Papst Franziskus und Mexiko „gute Beziehungen“ gebe, denn in den „Phasen der Transformation“, die das Land in seiner Geschichte durchmachte, „standen die Päpste im allgemeinen nicht an der Seite des mexikanischen Volkes“.
Dazu führte der Staatspräsident aus, daß zu den „Vätern des Vaterlandes“ auch zwei Priester gehörten, die ihr Leben für die Unabhängigkeit Mexikos gaben. Doch die Kirche habe die Invasion Mexikos und das zweite mexikanische Kaiserreich unterstützt. „Und in der Revolution, was nicht vergessen werden darf“, habe der Papst die andere Seite anerkannt, „nachdem Francisco Madero, unser Apostel der Demokratie, ermordet worden war“.
Madero, ein Freimaurer, putschte sich 1911 an die Macht. 2013 wurde er vom Militär unter General Victoriano Huerta gestürzt und laut offizieller Darstellung bei einem Fluchtversuch erschossen. Die Freimaurer sprachen von Mord. Im selben Jahr kam es mit US-amerikanischer Unterstützung zur Revolution, die von den Freimaurern angeführt wurde. Nach einer US-Militärintervention gegen Huerta mußte dieser 1914 ins Exil gehen, zuerst nach Europa, dann in die USA, und wurde wegen seiner Versuche, nach Mexiko zurückzukehren, dort inhaftiert. In der Haft kam er ums Leben, weshalb es Spekulationen gibt, er sei im Auftrag der US-Regierung vergiftet worden. Nach dem Sieg der Revolution übernahmen die Freimaurer die Macht in Mexiko, was zu einer radikalen und blutigen Kirchenverfolgung führte. Erst nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks setzte eine Demokratisierung ein. Mit AMLO gewann 2018 ein linker Dissident der Partei der Freimaurerherrschaft, des Partido Revolucionario Institucional (PRI), die Präsidentschaftswahlen. Sein Parteienbündnis deckt große Teile des linken Spektrums von Linksliberalen bis zur radikalen Linken ab.
AMLO vertritt die Legalisierung von Cannabis, der Homo-Ehe und der kostenlosen Abtreibung, während das Land in einer schweren Wirtschaftskrise steckt und in der Kriminalität versinkt. Im vergangenen Jahr gab es 35.000 Tötungsdelikte. Er werde die Diskussion nicht beginnen, aber die Abtreibungsbefürworter auch nicht daran hindern, so AMLO. Doch dann ließ er von seinem Gesundheitsminister einen Gesetzentwurf zur Abtreibungslegalisierung im Parlament einbringen. Der Oberste Gerichtshof von Mexiko setzte den Bestrebungen der Abtreibungsbefürworter Ende Juli jedoch mit vier Stimmen gegen eine einen Riegel vor. AMLO erklärte, das Urteil respektieren zu wollen. Wieviel diese Zusage wert ist, wird sich zeigen.
Vatikan spekulierte mit „unethischer“ CDS-Wette
Mit dem Inhalt der Enzyklika und dem daraus folgenden Lob Obradors für Papst Franziskus will der vatikanische Finanzskandal, zu dem immer neuere Details bekannt werden, ganz und gar nicht zusammenpassen.
Unterdessen berichtete die Financial Times, daß der Vatikan Gelder, die für die Armen und Bedürftigen bestimmt waren, dazu verwendete, um in einen hochspekulativen Vertrag mit dem Mietwagen-Unternehmen Hertz auf Kreditderivate zu setzen. Das US-amerikanische Unternehmen verzeichnete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 9,8 Milliarden Dollar, ein Vermögen von 24,6 Milliarden und 38.000 Mitarbeiter. Durch die von den Regierungen veranlaßten Corona-Maßnahmen geriet das Unternehmen wegen starker Umsatzrückgänge ins Strudeln. Im Mai mußten die Muttergesellschaft in den USA und die nordamerikanischen Tochtergesellschaften Insolvenzanträge stellen.
Obwohl Papst Franziskus sogenannte Credit Default Swaps (CDS) als „unethisch“ und als „Zeitbomben“ kritisierte, in denen außerhalb des regulierten Börsenmarktes Kreditrisiken gehandelt werden, ging der Vatikan selbst einen solchen Vertrag ein. 2015 wurde ein Teil eines 528 Millionen Euro schweren Gesamtvolumens in eine CDS-Wette investiert, die Schutz gegen Hertz-Zahlungsausfälle boten. CDS sind komplexe Finanzgeschäfte, die den Inhabern schweren finanziellen Schaden zufügen können, falls der Handel schiefgeht. Eine Reihe von öffentlichen Verwaltungen in Europa leiden noch nach Jahren an den teuren Folgen. Für den Heiligen Stuhl ist die Sache gerade noch gut ausgegangen, weil Hertz erst im Mai Insolvenz anmeldete.
Als die Investition erfolgte, war Kardinal Angelo Becciu als Substitut des Staatssekretariats für die Finanzen zuständig. Das Staatssekretariat verwaltet die Spenden und Schenkungen an den Heiligen Stuhl, vor allem den Peterspfennig. Aus den Rücklagen des Peterspfennigs stammte wahrscheinlich auch das Geld für die CDS-Wette.
Laut Financial Times gebe es keine Hinweise, daß Papst Franziskus direkt in die Finanzoperation involviert sei. Sie wurde für das Staatssekretariat von einem externen Finanzberater über eine Schweizer Bank abgewickelt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: El Universo/Financial Times (Screenshot)
Dass der Papst wieder Lob von einem ultra-linken Politiker bekommt, passt leider ins Bild. Obrador versucht es erneut mit der Opfertour und verlangt nach Entschuldigungen, statt für den Segen des Christentums dankbar zu sein, dieses Christentums, das vielleicht in seinem „failed state“ die einzige verbliebene Bastion vor der totalen Barbarei ist. (Im spanischsprachigen Raum heißt der Präsident übrigens auch „Cobrador“, also „der, der abkassiert“.) Der Papst trägt m.E. zu der positiven Wirkung des katholischen Glaubens eher wenig bei, er befördert vielmehr die Konfrontation und unterschlägt völlig die transzendente Komponente, ohne die das Christentum seinen Sinn verliert. Der Nobelpreisträger Octavio Paz hat in einem seiner Essays ausdrücklich gewürdigt, wie die katholische Kirche den Einwohnern der von den Spaniern eroberten Gebiete einen Platz in dem als universal verstandenen Volk Gottes geschaffen hat, ganz im Gegensatz zum inhumanen Menschenbild in den meisten indigenen Religionen und auch im Gegensatz zur Praxis der vielen protestantischen Sekten in Nordamerika.
Für die Linken und Kommunisten