Laudate Deum oder Laudate Gaia? Die Kapitulation der Kirche vor den Grünen

Wie die Daseinsberechtigung der Kirche aufs Spiel gesetzt wird


Papst Franziskus mit Luisa Neubauer anläßlich der Vorstellung des Apostolischen Schreibens Laudate Deum
Papst Franziskus mit Luisa Neubauer anläßlich der Vorstellung des Apostolischen Schreibens Laudate Deum

Mit dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Lau­da­te Deum begibt sich die Kir­che auf einen gefähr­li­chen Weg in Rich­tung Öko-Ideo­lo­gie. Ein Weg, der, wenn er wei­ter­ver­folgt und nicht kor­ri­giert wird, ver­hee­ren­de Fol­gen für die Exi­stenz­be­rech­ti­gung der Kir­che haben kann.

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Von Euge­nio Capozzi*

Das der „Kli­ma­kri­se“ gewid­me­te Apo­sto­li­sche Schrei­ben Lau­da­te Deum, mit dem Papst Fran­zis­kus bezeich­nen­der­wei­se die „Syn­ode über die Syn­oda­li­tät“ in Rom eröff­ne­te, reiht sich nicht nur in den bereits eta­blier­ten Trun­ken­heits-Sog der katho­li­schen Kir­che für die chi­lia­sti­sche Umwelt­ideo­lo­gie und deren Dog­men vom „men­schen­ge­mach­ten“ Kli­ma­wan­del ein, son­dern stellt den Wen­de­punkt dar, durch den die Katho­li­zi­tät auf ein Ter­rain gezo­gen wird, das mit dem christ­li­chen Huma­nis­mus unver­ein­bar ist und eine Ten­denz auf die Spit­ze treibt, die bereits in der Enzy­kli­ka Lau­da­to si’ und in vie­len ande­ren päpst­li­chen Ver­laut­ba­run­gen zum Aus­druck kam.

Es han­delt sich um ein sehr gefähr­li­ches Doku­ment, sowohl, was die Metho­de, als auch, was die Stich­hal­tig­keit der Argu­men­te betrifft. Was den ersten Aspekt anbe­langt, so rich­tet er sei­ne Auf­merk­sam­keit aus­schließ­lich auf poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che und wis­sen­schaft­lich-tech­ni­sche Fra­gen, wobei er sich auf die Ver­fol­gung eines prak­ti­schen und kon­kre­ten Ziels beruft und so den Ein­druck erweckt, daß er das bei­sei­te läßt, was die grund­le­gen­de Auf­ga­be der Kir­che wäre: die Ver­kün­di­gung des Keryg­ma, der Heils­bot­schaft für alle Men­schen, die das Leben sub spe­cie aeter­ni­ta­tis in den Blick nimmt und jedes ein­zel­ne The­ma der öffent­li­chen Debat­te in der Dimen­si­on der Geschich­te tran­szen­diert, ohne sich jedoch dafür zu interessieren.

Dar­über hin­aus behaup­tet der Pon­ti­fex in sei­nem Schrei­ben, unwi­der­leg­ba­re Argu­men­te im wis­sen­schaft­lich-tech­ni­schen Bereich vor­zu­tra­gen, ohne dazu befugt zu sein, und zitiert zu ihrer Unter­maue­rung völ­lig unkri­tisch für zuver­läs­sig erklär­te Quel­len wie die der Wis­sen­schaft­ler des IPCC-Gre­mi­ums der UNO (des­sen Exi­stenz von einer poli­ti­schen Annah­me, näm­lich der eines Kli­ma­not­stan­des, abhängt und nicht von einem frei­en Weg der Wahr­heits­su­che), wäh­rend er ande­re eben­so a prio­ri und unkri­tisch zurück­weist, näm­lich alle, die die The­se vom anthro­po­ge­nen Kli­ma­wan­del kritisieren.

Was den Inhalt betrifft, so stellt Lau­da­te Deum eine pein­li­che Rei­he von Behaup­tun­gen auf, eine unbe­grün­de­ter und wider­sprüch­li­cher als die ande­re. Zunächst wird so getan, als ob es sich um eine fest­ste­hen­de Tat­sa­che hand­le, ohne daß irgend­wel­che Quel­len zur Unter­maue­rung ange­führt wer­den, daß „die Welt, in der wir leben, zer­bröckelt und sich mög­li­cher­wei­se einer Bruch­stel­le nähert“ und daß der Kli­ma­wan­del welt­weit dra­ma­ti­sche sozia­le und wirt­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen haben wer­de, deren Anzei­chen „immer deut­li­cher zu erken­nen sind“, wobei man sich auf eine empi­ri­sche Beob­ach­tung stützt, die auto­ma­tisch und all­ge­mein akzep­tiert wer­de, und den fik­ti­ven Kli­ma­wan­del mit den viel kon­kre­te­ren und rea­le­ren Pro­ble­men der Umwelt­ver­schmut­zung in einen Topf wirft.

Anschlie­ßend wird ver­sucht, die Kri­ti­ker der Theo­rie des anthro­po­ge­nen Kli­ma­wan­dels zu wider­le­gen, indem behaup­tet wird, daß die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Wis­sen­schaft­ler die­se Theo­rie unter­stützt: eine abso­lut erfun­de­ne Behaup­tung, die bekannt­lich auf einer sta­ti­sti­schen Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on eines zehn Jah­re alten Auf­sat­zes beruht; und selbst wenn sie zuträ­fe, wür­de sie mit­nich­ten bewei­sen, daß die Mehr­heit Recht hat, son­dern allen­falls eine sorg­fäl­ti­ge Prü­fung der The­sen bei­der Sei­ten erzwingen.

Es wird auch behaup­tet, daß der Unter­schied zwi­schen den glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen ande­rer Epo­chen und dem Pro­zeß, der angeb­lich heu­te im Gan­ge ist, in der viel grö­ße­ren Geschwin­dig­keit des letz­te­ren besteht: eine Behaup­tung, die durch die Auf­zeich­nun­gen der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te wider­legt wird, in denen sich Peri­oden des Tem­pe­ra­tur­an­stiegs und sol­che der Sta­gna­ti­on abwech­sel­ten, und durch die Geschich­te, die in den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten Peri­oden mit noch grö­ße­ren Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen zeigte.

Auf der Grund­la­ge die­ser apo­dik­ti­schen und fal­schen Behaup­tun­gen for­dert der Papst schließ­lich und vor allem anläß­lich der bevor­ste­hen­den COP28 in Dubai auf, „ver­bind­li­che For­men der Ener­gie­wen­de“ ein­zu­füh­ren, „die drei Merk­ma­le auf­wei­sen soll­ten: daß sie effi­zi­ent sind, daß sie ver­pflich­tend sind und daß sie leicht über­wacht wer­den kön­nen“. Mit ande­ren Wor­ten, es wird eine Zen­tra­li­sie­rung poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen auf supra­na­tio­na­ler Ebe­ne gefor­dert, die eine dra­sti­sche Beschleu­ni­gung der Maß­nah­men zur Ver­rin­ge­rung der CO2-Emis­sio­nen vor­schreibt, in der Über­zeu­gung, daß die­se Maß­nah­men zu einer zumin­dest teil­wei­sen Ver­rin­ge­rung der glo­ba­len Tem­pe­ra­tur füh­ren wer­den, sowie stren­ge Vor­schrif­ten, die in den ein­zel­nen Län­dern die eta­blier­ten demo­kra­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­se im Namen einer glo­ba­len „Super­re­gie­rung“ aus wis­sen­schaft­li­chen und tech­ni­schen Grün­den außer Kraft set­zen. Eine For­de­rung, die genau das Gegen­teil des behaup­te­ten Vor­rangs des Men­schen vor der Tech­no­kra­tie ist, der angeb­lich das inspi­rie­ren­de Grund­prin­zip der poli­ti­schen Visi­on ist, die hin­ter die­ser Auf­for­de­rung ste­he. Und sie steht in ekla­tan­tem Wider­spruch zu dem Mul­ti­la­te­ra­lis­mus, der eini­ge Sei­ten zuvor ange­sichts einer struk­tu­rell mul­ti­po­la­ren Welt als not­wen­di­ger Leit­stern der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen bezeich­net wird.

In die­ser Per­spek­ti­ve geht der Papst sogar so weit, die pro­vo­kan­ten Hand­lun­gen der radi­ka­len Umwelt­be­we­gun­gen zu recht­fer­ti­gen, da sie „eine Leer­stel­le in der gesam­ten Gesell­schaft beset­zen, die einen gesun­den Druck aus­üben soll­te, denn es liegt an jeder Fami­lie, dar­an zu den­ken, daß die Zukunft ihrer Kin­der auf dem Spiel steht“; in Erman­ge­lung eines wirk­sa­men staat­li­chen Han­delns die öffent­li­che Mei­nung und die poli­ti­schen Klas­sen aufzuwecken.

Wir haben es ein­deu­tig mit einer tief­grei­fen­den Ver­zer­rung des­sen zu tun, was die Visi­on der katho­li­schen Kir­che von der Welt und von den sozia­len und poli­ti­schen Pro­ble­men sein soll­te, ange­fan­gen bei der For­mu­lie­rung ihrer Soziallehre.

Ange­sichts der Säku­la­ri­sie­rung und des radi­ka­len Rela­ti­vis­mus, die im gesam­ten Westen, der bis vor weni­gen Jahr­hun­der­ten oder Jahr­zehn­ten noch „die Chri­sten­heit“ war, um sich grei­fen, ent­schei­det sich die Kir­che von Papst Berg­o­glio nicht dafür, ihr tran­szen­den­tes Fun­da­ment zu festi­gen und neu zu bele­ben, son­dern wid­met sich im Gegen­teil einer rein imma­nen­ten Heils­idee und ver­wan­delt die Leh­re von der Bewah­rung der Schöp­fung in ein pas­si­ves Fest­hal­ten an einer der auto­ri­tär­sten Ideo­lo­gien, die aus dem säku­la­ren Rela­ti­vis­mus ent­stan­den sind: Jener apo­ka­lyp­ti­sche und mil­lena­ri­sti­sche Umwelt­schutz, der den Ego­is­mus und die Gier des Men­schen für eine kata­stro­pha­le Umge­stal­tung der Natur ver­ant­wort­lich macht, die zu sei­ner eige­nen Aus­lö­schung füh­ren wird, und von ihm ver­langt, die­se „Sün­de“ durch Süh­ne und Abtö­tung sei­nes Lebens­stils wiedergutzumachen.

Nach den Ver­füh­run­gen der „Befrei­ungs­theo­lo­gie“ in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten, die glück­li­cher­wei­se unter den Pon­ti­fi­ka­ten von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. ein­ge­dämmt und zurück­ge­wie­sen wur­den, ist der Katho­li­zis­mus, kurz gesagt, mit dem blin­den und extre­mi­sti­schen Öko­lo­gis­mus von Lau­da­te Deum in eine regel­rech­te „Emis­si­ons­theo­lo­gie“ gestürzt. Ein Weg, der, wenn er wei­ter­ver­folgt und nicht kor­ri­giert wird, ver­hee­ren­de Fol­gen für die Daseins­be­rech­ti­gung der Kir­che haben kann.

*Euge­nio Capoz­zi, ordent­li­cher Pro­fes­sor für Zeit­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät SOB in Nea­pel, Ko-Direk­tor der Zeit­schrift „Ven­tu­ne­si­mo Seco­lo“ („21. Jahr­hun­dert“) und Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Ricer­che di Sto­ria poli­ti­ca“ („For­schun­gen der Poli­tik­ge­schich­te“). Zu sei­nen jüng­sten Ver­öf­fent­li­chun­gen gehö­ren: Poli­ti­ca­men­te cor­ret­to. Sto­ria di un’ideo­lo­gia (Poli­ti­sche Kor­rekt­heit. Geschich­te einer Ideo­lo­gie, Mar­si­lio 2018); L’au­to­di­stru­zi­o­ne del­l’Oc­ci­den­te. Dal­l’u­ma­ne­si­mo cri­stia­no alla dit­ta­tu­ra del rela­ti­vis­mo (Die Selbst­zer­stö­rung des Westens. Vom christ­li­chen Huma­nis­mus zur Dik­ta­tur des Rela­ti­vis­mus, Histo­ri­ca Giu­bilei Regna­ni, 2021) und Sto­ria del mon­do post-occi­den­ta­le. Cosa rima­ne dell’epoca glo­ba­le? (Geschich­te der post-west­li­chen Welt. Was bleibt vom glo­ba­len Zeit­al­ter?, Rub­bet­ti­no 2023).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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