
(Rom) Steuert Erzbischof Carlo Maria Viganò auf ein Schisma zu? Diese Gefahr sieht der bekannte Vatikanist Sandro Magister. Nichts würde dem päpstlichen Umfeld und den Hard-Core-Progressisten in der Kirche mehr gefallen als ein solcher Schritt.
Erzbischof Viganò, Vatikandiplomat, seit 2016 außer Dienst, hatte zuletzt fünf Jahre als Apostolischer Nuntius in den USA gewirkt. Einen wichtigeren Posten gibt es im Diplomatischen Corps nicht. Papst Benedikt XVI. hatte ihn nach Washington entsandt. Internationale Bekanntheit, ohne je den Schritt ins große Rampenlicht zu setzen, erlangte er allerdings unter Papst Franziskus, als er dessen inzwischen bekanntester und radikalster Ankläger wurde. Der Spitzendiplomat war das Wirken im Hintergrund mit der wohlüberlegten und bedachten Sprache der Diplomatie gewohnt. Doch Ende August 2018 platzte ihm der Kragen.
Die erste Kritik 2018
Als die New York Times das homosexuelle Doppelleben von Theodore McCarrick, damals noch Kardinal, bloßstellte und Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen laut wurden, darunter auch die homosexuelle Korrumpierung seiner eigenen Seminaristen, reagierte Papst Franziskus schnell und entzog dem Kardinal seine Purpurwürde. Ein solcher Schritt war beispiellos in den vergangenen Jahrhunderten.
Zugleich beteuerte das Kirchenoberhaupt gegenüber der Öffentlichkeit, nichts von McCarricks Lastern gewußt zu haben, andernfalls hätte er sofort und viel früher gehandelt. Diese Selbstexkulpierung hatte Msgr. Viganò empört. In einem Dossier bezichtigte er Franziskus der Unwahrheit und enthüllte, den damals neugewählten Papst bereits im Juni 2013 detailliert über McCarricks Doppelleben informiert zu haben, der deswegen von Papst Benedikt XVI. mit Sanktionen belegt war, obwohl das ganze Ausmaß des Lasterlebens damals noch nicht einmal bekannt war. Franziskus hingegen rehabilitierte McCarrick und öffnete ihm den Zugang zur päpstlichen Macht, wie ihn der US-Kardinal zuvor nie hatte. McCarrick erhielt vor allem Einfluß auf die Bischofsernennungen in den USA. 2018 sollte das zum zusätzlichen Vorwurf führen, ein homophiles Netzwerk unterstützt und gestärkt zu haben.
Das Viganò-Dossier schlug wie eine Bombe ein. Die weltlichen Medien waren kurzzeitig irritiert. Zu sehr reizte sie die Sensation. Dem stand allerdings die verordnete Selbstdisziplinierung entgegen, die Papst Franziskus – im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern – schützt. Das päpstliche Umfeld geriet außer sich. Unter einer Schlammlawine schien Erzbischof Viganó verschüttet und fortgerissen zu werden, doch der Vatikandiplomat bewies bemerkenswerte Standhaftigkeit. Sicherheitshalber begann er allerdings seinen Aufenthaltsort geheimzuhalten. Er verteidigte seinen Schritt an die Öffentlichkeit auch gegenüber jenen nicht-progressiven Teilen der Kirche, die grundsätzlich Papstkritik für anrüchig halten. Die von ihm genannten Fakten bestätigten sich. In zwei Ergänzungen ließ Msgr. Viganò zum Beleg weitere Details folgen und nannte dabei auch genaue Daten und Namen. Vor allem enthüllte er einen Teil des episkopalen Homo-Netzwerkes in den USA und im Vatikan.
Dieser schwieg. Auch der große Angeklagte, Papst Franziskus, schwieg. Bis heute nahm er nicht oder nur ganz am Rande zu den schwerwiegenden Anschuldigungen seines einstigen Spitzendiplomaten Stellung. Beim Heiligen Stuhl registrierte man aufmerksam, daß die linksliberalen weltlichen Medien, die den Ton angeben, den Schutzdamm um Franziskus aufrecht hielten. Sobald das gesichert war, konnte man selbst problemlos die Angelegenheit ignorieren.
Die Warnung vor einer neuen Weltordnung
Doch damit nicht genug. Erzbischof Viganò, als Jurist und Diplomat, präzises Denken gewohnt, meldete sich in den vergangenen 22 Monaten wiederholt zu Wort und unterstützte auch einige papstkritische Initiativen. Im vergangenen Januar nahm er überraschend in München an der Acies ordinata traditionsverbundener Kreise teil, um gegen den schismatisierenden und häretisierenden Synodalen Weg der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) zu protestieren. Im Mai initiierte er erstmals selbst eine Aktion, die unter dem Namen Veritas liberabit vos (Die Wahrheit wird euch frei machen) scharfe Kritik an den restriktiven Maßnahmen zahlreicher Regierungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus übte. Vor allem wurde davor gewarnt, daß es Kräfte gibt, die das Virus als Vorwand ausnützen wollen, um eine politische Agenda zur Errichtung einer neuen Weltordnung zu erreichen und das unter Umgehung der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung und der demokratischen Entscheidungsprozesse.
Auch in diesem Fall gab es in den großen Weltmedien ein erstauntes Aha-Erlebnis und erneut wurde die Viganò-Initiative schnell unter den Teppich gekehrt. Denn auch diesmal hatte der Diplomat mit seiner deutlichen Sprache offenbar einen viel zu „gefährlichen“ Text vorgelegt, um ihn ungefiltert oder überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Selten zeigte sich bei einem kirchlichen Thema in den vergangenen Jahren deutlicher, wie massiv und perfekt von den führenden Medien durch Filter und Schranken die Kontrolle der öffentlichen Meinung praktiziert wird. Dabei wurde der Aufruf Veritas liberabit vos auch von mehreren Kardinälen unterzeichnet, was per se bereits eine Sensation darstellt. In der Corona-Krise wurde jenseits medizinischer Wortmeldungen kein so wichtiges Dokument veröffentlicht als diese Kritik. Kein Wunder, daß es totgeschwiegen wird.
Im päpstlichen Umfeld und unter überzeugten Bergoglianern wird bereits seit dem Spätsommer 2018 das Gerücht gestreut, Erzbischof Viganò befinde sich gar nicht mehr in der Einheit mit dem Papst, er sei zum Schismatiker geworden. Das war nicht nur eine von manchen wirklich gehegte Überzeugung. Es hatte noch einen anderen Grund: Nichts wäre bequemer. Die Causa Viganò würde sich mit einem Schlag erledigen. Gegenüber einem Schismatiker müßte sich kein Progressist und auch nicht Rom mehr rechtfertigen. Die Angelegenheit könnte zu den Akten gelegt werden, ohne daß beispielsweise Papst Franziskus Stellung zu den vor zwei Jahren zu Papier gebrachten Anschuldigungen nehmen müßte. Dabei hatte Erzbischof Viganò am 26. August 2018 in seinem Dossier nichts weniger als den Rücktritt von Franziskus gefordert.
Die Feststellungen zu Benedikt XVI.
In der Tat formuliert Msgr. Viganò, ausgestattet mit seiner Autorität und seinem Rang, eine Position in der Kirche, die latent erheblich mehr Kreise im Klerus und im gläubigen Volk umfaßt, als manche meinen, aber in jüngerer Zeit kaum so offen und pointiert artikuliert wurde. Vor 20 Tagen beanstandete der Erzbischof auch einen zentralen Punkt des Pontifikats von Benedikt XVI.
Der deutsche Papst, der soeben einige Tage bei seinem Bruder in Regensburg verbrachte und dafür erstmals seit seinem Rückzug in das Kloster in den Vatikanischen Gärten den Vatikan verlassen hatte, versuchte in seiner Amtszeit eine Kurskorrektur größten Ausmaßes. Er wollte die seit 50 Jahren alles dominierende Lesart des Zweiten Vatikanischen Konzils korrigieren. Dieses Ziel artikulierte er 2005, gleich bei seinem ersten Weihnachtsempfang für die Römische Kurie, in einer großen Rede. Dabei geht es um die Liturgie, die Theologie und das Kirchenverständnis selbst. Letztlich um das gesamte Leben der Kirche jenseits der persönlichen Frömmigkeit.

Die Nachkonzilszeit war von der Hermeneutik des Bruchs beherrscht. Benedikt XVI. versuchte ihr eine Hermeneutik der Kontinuität entgegenzusetzen. Durch eine Lesart der Konzilsdokumente im Licht der Tradition der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche sollten die Brüche und deren Mentalität überwunden werden. Dagegen wehrten sich nicht nur die Wächter der Hermeneutik des Bruchs und die kirchlichen 68er, indem sie das Pontifikat Benedikts boykottierten und sabotierten, wo es ihnen nur möglich war. Dagegen wurden auch von traditionsverbundener Seite Zweifel geäußert, ob tatsächlich alle Aussagen des Konzils, auch die umstrittensten, mit der Tradition in Einklang gebracht werden könnten. Auch diese Seite postulierte im Geist von Erzbischof Marcel Lefebvre eine Hermeneutik des Bruchs. Diese Kritik ging während des Pontifikats von Benedikt XVI. selten über die Artikulation von Bedenken hinaus, da die grundsätzliche Übereinstimmung mit dem deutschen Kirchenoberhaupt dominierend blieb. Unter Franziskus schwand dieser Konsens schnell dahin. Die traditionelle Scheu vor Papstkritik, die glaubenstreuen Kirchenkreisen eigen ist und als Auszeichnung verstanden wird, bekam einige Risse, je unberechenbarer sich das neue Kirchenoberhaupt aus Argentinien zeigte und je irritierender bestimmte Aussagen und Handlungen wirkten.
Erzbischof Viganò reagierte am 9. Juni auf eine Stellungnahme von Weihbischof Athanasius Schneider, die dieser auf LifeSiteNews veröffentlicht hatte, und sprach von einem „Monstrum“, das modernistische Kreise durch das Zweite Vatikanische Konzil erschaffen hätten. Dabei traf er auch einige Feststellungen, die das Pontifikat von Benedikt XVI. betreffen, der mit seiner Hermeneutik der Kontinuität die Kirche „betrogen“ habe. Der deutsche Papst habe durch seine Lesart sogar die These der Modernisten gestärkt, das Zweite Vatikanische Konzil sei immun gegen Häresien gewesen. Es genüge, das ist der Unterschied zu den Hermeneutikern des Bruchs, das Konzil „in perfekter Kontinuität mit der wahren Doktrin aller Zeiten zu lesen“, so Sandro Magister zusammenfassend. Dem hält Erzbischof Viganò entgegen, daß es Aussagen in Konzilsdokumenten gibt, die so zweideutig seien, daß sie mit der Überlieferung nicht in Einklang zu bringen sind. Daher greife die Hermeneutik der Kontinuität zu kurz.
„Dignitatis humanae in toto fallenlassen“
Die Stellungnahmen von Erzbischof Viganò wurden im Laufe der zurückliegenden Monate insgesamt akzentuierter. Immer deutlicher nannte er die Dinge beim Namen, wo sie bisher bestenfalls angedeutet wurden. Jüngst geschah das in einem öffentlichen Schlagabtausch mit Phil Lawler, Autor von Lost Shepherd, eines gegenüber dem Pontifikat von Franziskus kritischen Buches.
Die Kritik an umstrittenen Konzilstexten sei „zu zaghaft“, so Msgr. Viganò. Nicht alles könne durch Korrektur weniger Worte bereinigt werden. Das gelte vor allem für das Dokument Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit. Magister faßt die Forderungen des Erzbischofs wie folgt zusammen und zitiert ihn dabei:
„Um das zu tun, was ein für alle Mal zu tun ist, ist ‚es in toto fallenzulassen und zu vergessen‘.“
Konsequenterweise, so Msgr. Viganò, seien auch jene aus dem Amt zu jagen, die sich der falschen Theologie schuldig gemacht haben, sofern sie keine Einsicht zeigen und sich nicht bekehren.

Die Sache sei sehr ernst, so der Apostolische Nuntius in Ruhe, denn ab dem Konzil sei die Natur der Kirche entstellt worden, indem eine neue „Welteinheitsreligion“ angestrebt werde, deren Erfinder und ersten Theoretiker „die Freimaurerei“ ist. Der politische Arm dieser neuen Weltreligion sei eine „Weltregierung außer Kontrolle“, wie sie von mächtigen weltlichen Kräften angestrebt werde. Gegen diese Kräfte und ihre Ziele richtet sich der Aufruf Veritas liberabit vos und das Schreiben von Msgr. Viganò an US-Präsident Donald Trump, den er als Kämpfer des Lichts im Kampf gegen die Mächte der Finsternis bezeichnete. Trump antwortete begeistert mit einem Tweet, das in den sozialen Netzwerken weltweite Verbreitung fand.
Der jüngste Schritt des streitbaren Erzbischofs ist der Vorwurf gegen Benedikt XVI., mit seinen zu zaghaften Versuchen gescheitert zu sein, die notwendigen Korrekturen am Zweiten Vatikanischen Konzil durchzuführen. Seine These einer Hermeneutik der Kontinuität habe sich als zu wenig durchgreifend, aber auch in einigen Punkten als undurchführbar herausgestellt. Auch das sei ein Eingeständnis, das notwendig ist, wenn die notwendigen Weichenstellungen erfolgen sollen.
Bleibt die Frage, ob Magisters Sensoren einen Fehlalarm meldeten oder sein Vorwarnsystem treffsicher ist und besonders fein reagiert, indem er in dieser jüngsten Kritik, die auch Benedikt XVI. trifft, den Weg von Erzbischof Viganò ins Schisma erkennen will. Tatsache bleibt, daß Santa Marta kaum Besseres passieren könnte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Voice of the Family/MiL (Screenshot)
Erzbischof Vigano soll von der Konzilskirche zur Bruderschaft St.Pius X wechseln.
Dort kann er segensreich weiter versuchen das Priestertum zu retten.
In seiner Situation hat er keine Chance gegen die Freimaurer Kirche von innen etwas zu bewirken.
Trotz menschlicher Symphatie für Papst Benedikt XVI. kommt man um die Feststellung nicht herum, das er zwar viele seiner Ansichten etwas relativiert hat, aber wie eh und je ein Modernist geblieben ist.
Das kann man leider nicht gutreden.
Die Schisma ist schon längst da. Die mutigen Konservativen wurden entlassen. Die Liberalen werden gefördert, die anderen
schweigen. Solche Kirche wollen wir Katholiken nicht. In seine NWO Agenda hoffen wir, dass Gott eingreift.
Das Schisma wird wohl von Santa Marta ausgehen (Amoris Laetitia, Ernennung homophiler Hierarchen wie Cupich, De Kesel, Tobin, Zuppi, Verfolgung Rechtgläubiger Gemeinschaften [Franziskaner der Immaculata, etc],Propagierung einer „Kirche mit amazonischem Antlitz“ und Synkretismen [Einheitsreligion], Sympathien für linke Regime.
„Eure Rede sei ja ja, nein nein.“, sagt der Herr.
Das 2. Vatikanum hat zweideutig „geredet“. Ist damit das Urteil nicht schon längst gefällt?
Kann man Papst Benedikt es vorwerfen, er hätte das Vatikanum fälschlicherweise nicht verworfen? Er ist der Hirte. Er hat auch Verantwortung für die Konzilsväter.
Schade. Wenn er versucht Papst Benedikt an zu greifen, dann folge ich ihn nicht mehr.
Leider kann ich hier der Diskussion und den daraus gezogenen Folgerungen nicht voll umfänglich zustimmen. Was hier in den Beiträgen so einfach erscheint, ist in Wirklichkeit sehr komplex und entfaltet seine Wirkung auch in nicht gewollte Richtungen.
ad Jan – Vigano solle zur Bruderschaft Pius X. wechseln: Nein, bei allem Respekt vor den Piussen und vor allem ihrem Gründer, Vigano soll schon im Hauptgebäude predigen und seine Bedenken äußern und bildlich gesprochen nicht in der Seitenkapelle, auch wenn diese noch so schön ist. Seine Predigt ist die Ermahnung aus der Kirche und für die Kirche selbst, auch wenn sein Weg der mühsamere Weg ist. Ob er keine Chance hat gegen die von Freimaureren infiltrierte Kirche, muss ich bezweifeln. Denn es geht ihm um die Wahrheit, und die wird sich immer durchsetzen. Wenn nicht heute, so morgen. Ich erinnere daran, dass man den, der gekommen ist, die Wahrheit zu verkünden, verurteilt, gemartert und am Kreuze getötet hat, dass er aber mit seiner Lehre am dritten Tage auferstanden ist. Dieser Glaube sollte uns die nötige Hoffnung geben. Ich muss Ihnen aber insofern recht geben, als heute bekannte Freimaurer (siehe Peccorelli-Liste) an maßgeblicher Stelle des Konzils die Texte vorformuliert oder mitformuliert haben. Ich kenne ein Dekret, in dem ich inhaltlich keinen katholischen Satz erkennen kann. Solche Texte mit freimaurerischen Hintergrund sprechen immer nur von einem allgemeinen Gott und nie – wie im christlichen – von dem personellen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist. Dies ist ein sehr wichtiges Unterscheidungsmerkmal.
Aber nun zu Benedikt. Er konnte das Problem der Fehler oder gar „Lügen“ des Konzils nicht direkt (mit Säbel) angehen. Aber er hat es indirekt mit dem Florett in seinen großartigen Reden getan und versucht, so die Diskussion anzuregen. Die politische Reaktion auf seine Regensburger Rede ist allen noch in Erinnerung.