Von Giuseppe Nardi
Die römische Jesuitenzeitung macht es mit Druckerlaubnis von Papst Franziskus vor. Katholisch.de macht es mit Erlaubnis der Deutschen Bischofskonferenz eifrig nach. Es geht um Feindbestimmung, und der Feind steht für die derzeitige Kirchenführung „rechts“, was immer das auch heißen soll.
Mit medialen Attacken gegen jene Teile der katholischen Kirche, die sich dem kirchlichen Marsch ins Abseits nicht anschließen wollen, exerzieren kirchenamtliche Medien ihren speziellen „Kampf gegen rechts“. Den verantwortlichen Redakteuren wird es vielleicht sogar Freude machen, auch in diesem Bereich den Gleichschritt mit dem politisch-kulturellen Mainstream zu praktizieren. Originalität zählt heute wenig, Anpassung ist Trumpf. Die biegsamen Wendehälse, gerne Technokraten genannt, die es in diesen Redaktionen auch geben wird, hatten ohnehin noch nie Probleme mit Richtungswechseln.
Ideologisierung der Kirche
Soweit so schlecht, die Entwicklung bestätigt nämlich eine Politisierung der Kirche, die auf höchster Stufe mit Papst Franziskus einsetzte, und in erstaunlicher Eile ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Das wiederum bestätigt, in unseren Breiten allemal, das langjährige Einsickern kirchenfremden Denkens in den amtlichen Kirchenapparat. Der argentinische Philosoph Carlos Alberto Sacheri, um der Heimat des amtierenden Papstes Reverenz zu erweisen, bezahlte mit seinem Leben, in seinem Buch La Iglesia clandestina (Die heimliche Kirche) kommunistische Infiltrationen in die Kirche aufgezeigt und kritisiert zu haben. In Westeuropa waren es nicht Infiltrationen, hier ist es der Marsch durch die Institutionen, der auch in der Kirche stattfand, still und leise, neomarxistisch agil, und begünstigt durch die Verantwortungsträger, die seit mehr als 40 Jahren im Regelfall nach dem Muster vorgehen: für rechtgläubige Katholiken den Knüppel und für progressive die Karotte. Aber davon hat die Autorin Sonja Strube wahrscheinlich noch nie gehört.
Doch zurück: Es geht nicht nur um den Vorrang, den Franziskus der Politik einräumt. Es geht um eine Ideologisierung der Kirche. Jeder politische Schritt, den Franziskus setzt, weist in eine eindeutige Richtung – nach links. Das ist keine „Unterstellung“, es ist aber vor allem keine kirchliche, sondern eine politische Kategorie. Strube spricht von einem „frischeren Wind“, wo „lange Zeit nur bleiernes Schweigen herrschte“. Die katholische Lehre muß ihr eine unerträgliche Last sein, das „süße Joch“, von dem Jesus spricht, scheint sie noch nicht kennengelernt zu haben. Zum „Schweigen“ und dem „frischeren Wind“ aber noch später.
Franziskus ist kein Soziologe auf dem Papstthron, wie es einige Beobachter zunächst dachten und damit versuchten, sich ihr Staunen über das neue Phänomen auf dem Stuhl Petri zu erklären. Franziskus ist ein Politiker auf dem Papstthron. Er denkt in politischen Kategorien und hält sich einen hochintelligenten Mann zur Umsetzung seines politischen Programms, den argentinischen Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo. Ein Mann der argentinischen Oberschicht, der sich daher auf jedem Parkett zu bewegen weiß, dazu noch blitzgescheit. Ob und was er glaubt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Die Hinwendung des Papstes, ob zum globalistischen Establishment oder zur radikalen Linken, weiß er mit gekonnter Professionalität in die Tat umzusetzen. Da Franziskus kein Hans-Dampf- in-allen-Gassen ist, hat er ein großes Projekt, ein globales Projekt, das in den Details noch nicht bekannt ist. Was bisher davon bekannt wurde, ist allerdings aussagekräftig genug. Er will eine neue, weltumspannende Linksallianz schmieden. Das Spektrum reicht von den selbstverliebten und selbstherrlichen, linksliberalen Milliardären bis zur radikalen Linken. An die Seite der Vereinten Nationen sollen die Vereinten Religionen treten und der Papst ist ihr Sprecher. Im September 2015 exerzierte es Franziskus vor, als im Glaspalast in New York die Post-2015-Ziele der UNO beschlossen wurden. Zur Unterzeichnung des Migrationspaktes schickte er Kardinalstaatssekretär Parolin nach Marrakesch.
Der alte Traum: Sozialismus und Christentum
Dahinter steht für Franziskus eine alte Idee, die seit der Zwischenkriegszeit nicht wenige geträumt haben: ein Bündnis zwischen Sozialismus und Christentum. Läßt sich das vereinen? Man arbeitet daran. Den Weg hat der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks freigemacht. Die trotzkistischen Neokonservativen in den USA haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt, und wesentliche Schritte für das Überleben des Sozialismus gesetzt. Die am Boden liegende, politische Linke hat sich nach dem Scheitern des Sowjetimperiums schnell vom liberalen Kapitalismus einfangen lassen. Viele Alternativen waren ihr nicht geblieben. Die Liberalen, gesellschaftspolitisch links positioniert, wollten sich, nun, da die Bedrohung durch Moskau beseitigt war, der lästigen Verbündeten entledigen, auf die man im Kalten Krieg angewiesen war, und die bisher das Fußvolk stellten und die Stimmen lieferten: die Christdemokraten, die Konservativen, die Nationalen. Die geschlagene Linke wurde seit den 90er Jahren zur neuen Fußtruppe der Globalisten, anfangs nur die Sozialdemokraten, inzwischen sogar schon die extreme Linke. Dafür dürfen die linken Parteiführer die kapitalistischen Segnungen des Wohlstandes genießen. Und dafür finden sich Liberale und Linke in der staatlichen Bevormundung der Massen zusammen, um die grenzen- und bindungslose Kassengesellschaft abzusichern.
Die römische Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica leistet ihren Beitrag zum Kampf gegen US-Präsident Donald Trump, indem sie die „christliche Rechte“ attackiert. Das war der Auftakt. Der „christlichen Rechten“ wird die unverzeihliche „Sünde“ vorgeworfen, maßgeblich zum Wahlsieg des vom Establishment verachteten US-Präsidenten beigetragen zu haben und noch immer einen „Kulturkampf“ für Ehe und Familie und gegen Abtreibung und „Homo-Ehe“ zu führen, anstatt sich schmiegsam den „Lebenswirklichkeiten“ anzupassen. Das stimmt so zwar nicht, denn den Wahlsieg holte sich Trump in den Industriestaaten an den Großen Seen. Papst Franziskus scheint aber eine andere Rechnung zu machen: Er geht davon aus, daß eine Schwächung der „christlichen Rechten“ (ob protestantisch oder katholisch ist einerlei) bei knappen Mehrheiten über den Sieg entscheidet. Das Ziel sind „strukturelle Mehrheiten“ links der Mitte, von denen schon Barack Obama träumte.
Katholisch.de: „Der Feind steht rechts“
Katholisch.de attackiert die „Gegner von Papst Franziskus“. Der Feind steht rechts, das weiß in Deutschland jedes Kind, denn so hämmert es die Bundeszentrale für politische Bildung, dafür verschwenden Bundesregierung und Landesregierungen Steuergelder für staatliche oder staatlich finanzierte Kampagnen, das propagieren die Alt-Parteien, Grüne und Die Linke sowieso, und ein breites Medienkartell. Dafür gibt es – man staunt – sogar Forschungsprojekte und Lehrstühle an Theologischen Fakultäten. Die Autorin verdient ihr Geld damit.
„Rechts“ ist zum Synonym für Andersdenkende geworden. Darum bedient sich auch Katholisch.de erprobter Kampfbegriffe, und das gleich im Titel, wo von einer „Analyse rechtskatholischer Internetseiten“ die Rede ist. Um eine Analyse geht es freilich weniger, dafür um so mehr um Feindbestimmung.
Was treibt die Autorin und das Nachrichtenportal der Deutschen Bischofskonferenz an? Offenbar der Offene Brief einer Gruppe katholischer Intellektueller, die am 30. April Papst Franziskus der Häresie beschuldigt haben. Das Medienflaggschiff der deutschen Bischöfe bemüht sich aber nicht um Analyse, denn dazu hätte die Redaktion in den vergangenen Tagen viel Gelegenheit gehabt. Um Dialog schon gar nicht, jedenfalls keinen innerkirchlichen. Katholisch.de hätte den Offenen Brief veröffentlichen können, damit Deutschlands Katholiken – laut progressiver Diktion ja „mündige Christen“ – sich selbst eine Meinung bilden können. Doch wenn es darauf ankommt, glaubt man auf progressiver Seite selbst nicht den eigenen Konstrukten.
Katholisch.de hätte auch versuchen können, auf die Anschuldigungen zu antworten und sie zu entkräften. Dazu fehlen der nötige Wille und wahrscheinlich auch die Voraussetzungen. Und die Bischöfe, allen voran Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, werden sich hüten, das Thema aufzugreifen. Nicht weil es wegen der Angriffe gegen den Papst ein zu heißes Eisen wäre, sondern weil sie die Rechtfertigung des päpstlichen Handelns ins Schwitzen brächte. Die Diskreditierung der Kritiker ist noch immer der einfachste Weg, der argumentativen Auseinandersetzung auszuweichen.
Feindbestimmung
Das Mittel ist altbewährt: Die Meinung der Gegenseite wird ignoriert, diskreditiert und jene, die Dialogpartner sein müßten, werden zum Feindbild gestempelt. Bekanntlich ist die rote Linie dann überschritten, wenn man nicht mehr miteinander spricht. Die Gefährlichkeit des Weges, der derzeit vom Mainstream beschritten wird – und worin die amtlichen, katholischen Medien folgen – sollte den Verantwortlichen dabei aber bewußt sein. Die weltlichen Medien, besonders die grüngefärbten, überschreiten sie dennoch täglich, machttrunken, gleichgültig, arrogant. In der Kirche sollte es anders sein, sollte…
Noch gestern wurde von bekannter Seite das hohe Lied von Demokratie, Meinungsfreiheit, Mitbestimmung gesungen, schon heute praktiziert dieselbe Seite Despotie, Meinungsverbote, Dialogverweigerung. Es wäre dabei ein schlechter Politiker, wer ein solches Verhalten offen zugäbe. Darum verwendet man Chiffren und Zauberwörter, indem man jenen, die man bekämpft vorwirft, was man selbst praktiziert.
Katholisch.de erwähnt, nicht verlegen, Steve Bannon und die AfD, die man in einem unsauberen Sammelsurium in einen Topf mit der „extremen Rechten“ wirft. Allein damit haben sich Autorin und Redaktion disqualifiziert. Jedenfalls können sie nicht behaupten, daß die „Analyse“ von intellektueller Redlichkeit strotzt. Der demokratischen Rechten, um die geht es, wird vorgeworfen, die Gesellschaft zu spalten. Derzeit ein hochquotiertes Zauberwort. In Wirklichkeit will man andere Meinungen, die übrigens vor kurzem noch für die Mehrheit der Gesellschaft selbstverständlich waren, nicht hören. Da man ihre Wirkung fürchtet, sollen sie erst gar nicht Teil des öffentlichen Dialog werden. Das Gegenteil sollte in einer Demokratie selbstverständlich sein. Sollte…
Es ist wie mit dem Dieb, der am lautesten „Haltet den Dieb“ schreit, um von sich selbst abzulenken. So sind derzeit die wirklichen Spalter vor allem jene, die anderen die Spaltung der Gesellschaft vorwerfen. Ehrlichkeit sieht natürlich anders aus. Doch um Ehrlichkeit geht es ja auch gar nicht, sondern um Macht, um die Macht derer, die sie haben und behalten wollen. Ein altes Lied. In wenigen Tagen werden die 751 Sitze im EU-Parlament neu vergeben. Es geht um Ansehen und Einfluß, um Steigbügelhalter und um Platzhalter, denn die wirklich Mächtigen sitzen dort nicht und stellen sich auch keinen Wahlen.
Katholisch.de greift also tief in die Mottenkiste und holt die Rechtsextremismus-Keule heraus. Mit ihr sind inzwischen schon zwei Generationen aufgewachsen, die einen als Keulenschwinger, die anderen als deren Zielscheibe. In diesem Metier sind Deutschlands Journalisten vortrefflich geschult, wenn nicht gar gehirngewaschen. Wer was werden will, muß spuren. Der verstorbene Journalist Udo Ulfkotte war einmal so ehrlich, die unsichtbaren Abhängigkeiten, Anbiederungen bis hin zur Käuflichkeit von Zunftgenossen zu enthüllen. Ein Journalist schreibt für Geld. Die Geldgeber sind jene, die im Dunkeln sitzen. Dafür darf manch schreibender Bückling sich sogar moralisch aufspielen, natürlich immer aus sicherer Entfernung vom Schreibtisch eines Medienhauses aus.
Das Vokabular verrät die Intention
Welche Bedeutung hat also die Katholisch.de-Analyse? Wohl nur jene, den Beweis erbracht zu haben, daß man dort die Anti-rechts-Lektion verstanden hat und anzuwenden weiß. Das Vokabular verrät die Intention, und es kommt geballt:
„rechtskatholisch“, rigide Moralvorstellungen“, apokalyptische Rachefantasien“, „reaktionäre Gruppen“, „extreme Rechte“, „aggressiv“, „Verhöhnung“, „aggressive fundamentalistisch-autoritäre Unterströmung“, „Spalten“, „negative Sicht auf die Welt“, „starke verbale Abwertung Andersdenkender“, Verschwörungsrethorik“, „autoritäre Aggression“, „antidemokratische Persönlichkeit“, „Faschismus“, „Nationalsozialismus“, „Destruktivität“, „Triebimpulse“, „Ich- und Gewissensschwäche“, „rigide religiöse Vorstellungen“, „autoritäre Aggressionen“, „Wut“, „Autoritarismus“, „destruktive Dynamiken“, „rechtspopulistisch“, rechtsextrem“, „religiös autoritär“, „Rechtspopulismus“, rechtsextreme Menschenfeindlichkeit“.
Der „Kampf gegen rechts“ funktioniert schon wie einst die Selbstschußanlagen an der innerdeutschen Grenze. Das Sperrfeuer wird ohne Vorwarnung eröffnet auf jeden, der sich dem verordneten Einheitsdenken entzieht. Die katholische Kirche wußte in ihrer großen Weisheit, warum sie sich jedem Einheitsdenken aus gutem Grund und mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu entziehen trachtete. Diese Weisheit scheint derzeit in Rom allerdings keine besonders geschätzte Größe mehr.
Wer sich die Mühe gemacht hat, die politikwissenschaftliche Vorlesung eines linken Dozenten zu hören, kennt sich mit dem linken Diskurs aus. Der Text könnte von der Antonio-Amadeu-Stiftung produziert worden sein, oder – auf Österreich bezogen – vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Beide staatlich alimentierten Organisationen wurden von Kommunisten gegründet. Doch in den neuen Allianzen, die in den vergangenen Jahren geschmiedet wurden, klingeln keine Alarmglocken mehr.
Doch nein, die Autorin des Beitrages von Katholisch.de ist gar keine Politikwissenschaftlerin, sie arbeitet auch nicht für die Antonio-Amadeu-Stiftung. Sie ist habilitiert in Religionspädagogik und Theoretischer Theologie und arbeitet für eine Katholisch-Theologische Fakultät. Sie sollte sich also nicht unbedingt wundern, wenn es Vorbehalte gegen die „moderne, wissenschaftliche Theologie“ gibt.
Und tatsächlich: Wikimannia schreibt zu Strube:
„Die katholische Theologin Sonja Angelika Strube (*1968) verunglimpft seit Jahren solche Christen als ‚rechts‘, die sich für den Schutz des Lebens, der Ehe und der Familie und gegen die Gender-Ideologie einsetzen. In ihren Veröffentlichungen zählt sie bürgerliche Initiativen und engagierte Christen mit rechtsextremen Gruppierungen wie der NPD auf, um sie damit ins Zwielicht zu rücken.“
Katholisch.de hat sich einen Profi engagiert.
Entscheidend ist aber nicht links oder rechts, nicht „moderne“ oder „alte“ wissenschaftliche Theologie, entscheidend ist nur, ob jemand gläubig ist oder nicht. Glaubt jemand, was Christus der Kirche anvertraut hat? Kann jemand das Glaubensbekenntnis ohne Vorbehalte, Fußnoten und Mentalreserven bekennen? Kann das Sonja Strube? Ich hoffe es, denn das ist die einzig relevante Frage. Das ganze Negativvokabular, das sie akribisch aus dem Hut gezaubert hat, kann sie dann getrost wieder wegpacken. Auch sie merkt offenbar nicht, daß sie dem Objekt ihres Artikels „Negatives“ vorwirft, in Wirklichkeit selbst aber ihr Feindbild mit einer Kanonade negativer Vokabeln attackiert. Sie weiß als professionelle Kämpferin gegen rechts um die Codewörter der sozialen Ächtung, dennoch setzt sie sie bedenkenlos ein. Und Katholisch.de bietet ihr ein Forum.
Adorno als Kronzeuge
Ihr Artikel hat eine Mission, um das zu verstehen, muß nicht der Marxist Adorno bemüht werden. Die Autorin und die Redaktion von Katholisch.de merken gar nicht, geschweige denn stört es sie, welche Diskrepanz darin besteht, als Katholiken, oder zumindest als solche, „die sich selbst in der römisch-katholischen Kirche verorten“ – um Sonja Strube zu zitieren und ihr in Erinnerung zu rufen, daß die Kirchenzugehörigkeit nicht von irgendeiner steuergeldfinanzierten Hauptamtlichkeit abhängt –, Adorno als Maßstab zur Beurteilung der Wirklichkeit zu nehmen.
Da wird die Blindheit, von der die Evangelien sprechen, geradezu greifbar. Die entscheidenden Fragen stellt aber der Herr selbst: „Wird der Menschensohn, wenn er wiederkommt, Glauben finden auf Erden?“ (Lk 18,8).
Und weil es angekündigt wurde, noch ein Wort zur subjektiven Meinung von Frau Strube (und Katholisch.de), Papst Franziskus habe einen „frischeren Wind“ gebracht, nachdem anglich „lange Zeit nur bleiernes Schweigen herrschte“. Das kann man auch anders sehen.
Objektive Tatsache ist, daß die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nicht geschwiegen haben. Ein „bleiernes Schweigen“ ist ein Produkt des derzeitigen Pontifikats. Es belastet das Petrusamt schwer. Franziskus schweigt, wann immer ihm unangenehme Fragen gestellt werden.
Er schweigt seit zweieinhalb Jahren zu den Dubia mehrerer Kardinäle, obwohl es dabei um das Ehesakrament, das Bußsakrament und das Altarsakrament geht. Er schweigt seit anderthalb Jahren zur Correctio filialis, jener Warnung, mit der er aufmerksam gemacht wurde, möglicherweise unabsichtlich Häresien zu fördern. Er schweigt seit acht Monaten zu den Anschuldigungen des ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, von der notorischen Verletzung des Moralgesetzes und des Kirchenrechts durch Kardinal Theodore McCarrick gewußt zu haben, ebenso, daß der Kardinal die eigenen Seminaristen und Priester korrumpierte, aber tatenlos zusah und den Täter sogar rehabilitierte und förderte. Gleiches gilt im Fall Barros, im Fall Pineda, im Fall Zanchetta. Wie viele Fälle braucht es, um hinter dem Einzelfall ein System zu erkennen?
Und Franziskus schweigt zu den bisher heftigsten Anschuldigungen, die von katholischen Intellektuellen in einem Offenen Brief vorgebracht wurden. Auf 20 Seiten wird Franziskus detailliert dokumentiert der Häresie bezichtigt. Da genügt es nicht, festzustellen, daß der amtierende Papst „in einer Weise angegriffen“ werde, „die sprachlos macht“.
Ein Halbsatz, und das Thema ist vom Tisch?
So möchte es Katholisch.de. Das ist die Aufgabe des Artikels von Sonja Strube. Das ist aber eindeutig zu wenig. Viel zu wenig.
Die Katholiken haben das Recht zu wissen, ob ihr Papst noch die katholische Lehre vertritt, oder seine Privatmeinung. Auch die Welt hat das Recht, das zu wissen. Das Entsetzliche ist nicht, daß ihm vorgeworfen wird, „was seit Jahrhunderten keinem Papst vorgeworfen wurde“. Das ist ein bloßer Formalismus, man könnte auch von einer geheuchelten Empörung sprechen. Das Entsetzliche ist, daß katholische Intellektuelle einen Papst sehen, der ihrer Ansicht nach Häresien verbreitet und sich nach langem, innerem Ringen – Sonja Strube kann ein solches Ringen vielleicht nicht einmal erahnen – in ihrer Verzweiflung aufraffen, aus Liebe zu Christus, zur Kirche, zum Papst und vom Gewissen getrieben, einen Aufschrei loszulassen. Daß es durch das Handeln von Franziskus überhaupt zu so einer Situation kommen konnte, das ist das Entsetzliche an der Sache.
Die Unterzeichner des Offenen Briefes wenden sich an alle Bischöfe. Sie legen ihnen klare, dokumentierte Aussagen vor und bitten sie, alles zu prüfen und selbst Schlüsse zu ziehen. Für Katholisch.de ist das ein so schwerwiegendes Vergehen, daß man Sonja Strube mit ihrer Rechtsextremismuskeule ausschickt. Ein echtes Versagen, denn so handeln Ideologen.
Es tut vielleicht gut, sich an einen Satz des heiligen Kirchenvaters Vinzenz von Lérins zu erinnern:
„Einige Päpste schenkt Gott, andere duldet er, mit wieder anderen straft er.“
Das, Frau Strube, ist keine „negative Sicht der Welt“. Das ist nüchterner Realitätssinn.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Katholisch.de (Screenshot)