(Rom) Kardinal Marcello Semeraro, Präfekt des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, wird in einem gestern in der größten argentinischen Tageszeitung La Nacion veröffentlichten Interview als „bedingungsloser Anhänger von Franziskus“ vorgestellt. Und genau als solcher gab er sich auch zu erkennen, indem er Victor Manuel Fernández als „Spezialisten, kompetent in Theologie“ lobte.
Als Papst Franziskus gewählt wurde, war Msgr. Semeraro Bischof von Albano bei Rom. Als solcher gelangte er zwei Mal zu Bekanntheit über die Diözesangrenzen hinaus: einmal, indem er sich gegen die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) stellte, die in Albano Laziale ein Priorat unterhält, und dann, als er sich erneut gegen die Piusbruderschaft stellte, wegen der Begräbnisfeier für Erich Priebke, einen SS-Mann des SD-Rom während des Zweiten Weltkrieges, an dem man in Italien 50 Jahre nach Kriegsende ein Exempel statuiert hatte. Die von Papst Franziskus geleitete Diözese Rom hatte dem nach Kriegsende zur katholischen Kirche konvertierten Priebke 2013 eine öffentliche Begräbnisfeier verweigert. Wenige Monate zuvor war Semeraro von Papst Franziskus zum Sekretär des neuerrichteten C9-Kardinalsrats ernannt worden. Bis 2020 blieb Semeraro weiterhin auch Diözesanbischof, dann erfolgte seine Ernennung zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation und im selben Jahr seine Kreierung zum Kardinal.
Das Interview mit Kardinal Semeraro führte Elisabetta Piqué, eine persönliche Freundin von Franziskus, zum elften Jahrestag der Papstwahl: „11 Jahre nach der Wahl von Papst Franziskus relativiert der italienische Kardinal Marcello Semeraro die Welle der Kritik.“
Semeraro geht in dem Interview so weit, nicht nur Franziskus pflichtschuldig Lorbeeren zu streuen, sondern sich auch als bedingungsloser Anhänger von Kardinal Victor Manuel „Tucho“ Fernández, dem Präfekten des Glaubensdikasteriums und engsten Vertrauten von Franziskus, zu erkennen zu geben.
Semeraro bestreitet dabei, daß die Ernennung von „Tucho“ Fernández ein Erdbeben an der Römischen Kurie ausgelöst habe:
„Ich kenne Fernández seit der Wahl von Franziskus zum Papst, er war noch Rektor, ich schätze ihn, für mich ist er ein Kollege, ein Spezialist, kompetent in Theologie, den ich sogar gebeten habe, einen Kommentar zur Exhortatio Gaudete et Exsultate (über die Heiligkeit in der Welt von heute) zu schreiben, der berufen wurde, weil Kardinal Ladaria das Ende seiner Amtszeit erreicht hatte. Und daß [der Papst] eine befreundete, vertraute und bekannte Person berufen hat, nun ja, das machen wir alle.“
Während Kardinal Semeraro also Verwerfungen wegen der Ernennung von Fernández zum Glaubenspräfekten bestreitet, räumt er ein, daß durch die von „Tucho“ Fernández erarbeitete und herausgegebene Erklärung Fiducia supplicans zur Einführung von Homo-Segnungen „seismische Wellen“ ausgelöst wurden. Zugleich verteidigt Semeraro allerdings die Erklärung:
„Vielleicht ist die Sprache noch nicht angemessen, weil sie neu ist. Aber es ist eine Realität, in die der Heilige Stuhl bereits eingegriffen hat und die bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht, als er ebenfalls ein Dokument über die Seelsorge an Homosexuellen verfaßte. Ich bin nicht überrascht, daß es einige Schwierigkeiten gibt, obwohl dieses Dokument mehr als einmal sagt, daß es die Lehre nicht ändert und daß es diese Verbindungen nicht mit der Ehe gleichsetzt. Es geht darum, eine Sprache zu finden, die die Nähe zum Ausdruck bringt.“
Ein anderer Fernández, Bischof Daniel Fernández Torres, zeigt in seinen Gedanken zur Fastenzeit weniger Verständnis, indem er zu Fiducia supplicans schreibt:
„Jesus hat sein Leben am Kreuz hingegeben, um die Sünde zu besiegen, nicht um sie zu segnen.“
Der Unterschied zwischen den beiden Fernández und auch Semeraro besteht darin, daß „Tucho“ Fernández und Marcello Semeraro von Papst Franziskus zu Dikasterienleitern an der Römischen Kurie ernannt und zu Kardinälen kreiert wurden, während Bischof Fernández Torres als Bischof von Arecibo von Franziskus ohne Anhörung abgesetzt wurde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Nacion/MiL (Screenshot)