Ich denke gerne, dass die Hölle nicht leer ist

Wenn die Hölle leer ist, dann ist die Kirche zu verurteilen und die Bibel zum schlechtesten Buch der Welt zu erklären


"Bischof und Papst in der Hölle", Darstellung aus dem späten 18. Jahrhundert in der Kirche del Señor del Llanito in Dolores Hidalgo im Staat Guanajuato rund 270 km nordwestlich von Mexiko-Stadt.
"Bischof und Papst in der Hölle", Darstellung aus dem späten 18. Jahrhundert in der Kirche del Señor del Llanito in Dolores Hidalgo im Staat Guanajuato rund 270 km nordwestlich von Mexiko-Stadt.

Von Ivan Poljaković*

Anzei­ge

Ich den­ke ger­ne, dass die Höl­le nicht leer ist, in erster Linie des­we­gen, weil Jesus Chri­stus so denkt, die hei­li­ge Jung­frau Maria so denkt, die katho­li­sche Kir­che so denkt, jeder Katho­lik so denkt. Und wenn er so denkt, so glaubt er dann.

Wenn Jesus über das Jüng­ste Gericht spricht, sagt er deut­lich, was mit denen auf der lin­ken Sei­te gesche­hen wird, die den Wil­len des Vaters nicht getan haben: „Geht mir aus den Augen, ihr Ver­fluch­ten, ins ewi­ge Feu­er, das für den Teu­fel und sei­ne Engel bestimmt ist!“ (Mt 25,41); „Nicht wer mich dau­ernd ‚Herr‘ nennt, wird in Got­tes himm­li­sches Reich kom­men, son­dern wer den Wil­len mei­nes Vaters im Him­mel tut.“ (Mt 7,21). Tat­säch­lich lässt sich aus der Rede Jesu nicht nur schlie­ßen, dass die Höl­le nicht leer ist, son­dern sogar, dass sie ziem­lich voll ist: „Geht durch das enge Tor! Denn das Tor zum Ver­der­ben ist breit und der Weg dort­hin bequem. Vie­le Men­schen gehen ihn [Her­vor­he­bung des Autors]. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dort­hin schmal! Des­halb fin­den ihn nur weni­ge.“ (Mt 7,13–14). Wenn es um das Jüng­ste Gericht geht, bestä­tigt die Geschich­te vom Unkraut den glei­chen Leit­fa­den: „Wie das Unkraut vom Wei­zen getrennt und ver­brannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Men­schen­sohn wird sei­ne Engel schicken, damit sie alle aus sei­nem Reich aus­son­dern, die ande­re zur Sün­de ver­führt und sich gegen Got­tes Gebo­te auf­ge­lehnt haben. Die Engel wer­den sie in den bren­nen­den Ofen wer­fen, wo es nur noch Heu­len und ohn­mäch­ti­ges Jam­mern gibt“ (Mt 13,40–42). Im zwei­ten Brief an die Thes­sa­lo­ni­cher warnt der hl. Pau­lus davor, dass die­je­ni­gen, die das Evan­ge­li­um ableh­nen, der Herr sie bestra­fen und dem ewi­gen Ver­der­ben aus­lie­fern wird (vgl. 2 Thess 1,9; 2 Petr 3,10; Mt 13,40–42; Mt 25,41; 30; Offb. 20,15; usw.). Aller­dings sind nicht nur Ungläu­bi­ge in gro­ßer Gefahr, auch wir Katho­li­ken müs­sen sehr vor­sich­tig sein, denn so der hl. Pau­lus: „Ihr habt immer befolgt, was ich euch wei­ter­ge­ge­ben habe. Hört aber nicht nur auf mich, wenn ich bei euch bin, son­dern erst recht wäh­rend mei­ner Abwe­sen­heit. Arbei­tet mit Furcht und Zit­tern an eurer Ret­tung“ (Phil 2,12).

Auch die hei­li­ge Jung­frau Maria glaubt, dass die Höl­le nicht leer ist. Sie zeig­te den Sehern in Fati­ma, dass vie­le Men­schen in die Höl­le kom­men: „Noch ein­mal öff­ne­te sie ihre Arme, wie sie es zuvor in den bei­den Mona­ten getan hat­te. Licht­strah­len schie­nen die Erde zu durch­drin­gen, und wir sahen sozu­sa­gen ein rie­si­ges Feu­er­meer. Ein­ge­taucht in die­ses Feu­er sahen wir Dämo­nen und See­len [der Ver­damm­ten]. Letz­te­re waren wie durch­sich­ti­ge bren­nen­de Glut, alle wie geschwärz­te oder brü­nier­te Bron­ze, sie hat­ten mensch­li­che For­men. Sie schweb­ten in die­sem Feu­er umher und wur­den nun von den Flam­men, die von ihnen aus­gin­gen, zusam­men mit gro­ßen Rauch­wol­ken in die Luft geho­ben. Jetzt fie­len sie nach allen Sei­ten wie Fun­ken in rie­si­gen Feu­ern, ohne Gewicht oder Gleich­ge­wicht, unter Schrei­en und Schluch­zen des Schmer­zes und der Ver­zweif­lung, die uns erschreck­ten und vor Angst zit­tern lie­ßen (die­ser Anblick muss mich zum Angst­ruf gebracht haben, wie die Leu­te sagen, die mich hör­ten) … Die­se Visi­on dau­er­te nur einen Moment, dank unse­rer guten himm­li­schen Mut­ter, die uns bei der ersten Erschei­nung ver­sprach, dass sie uns in den Him­mel brin­gen wür­de. Ohne dies, glau­be ich, wür­den wir vor Ent­set­zen und Angst ster­ben.1

Die katho­li­sche Kir­che lehrt, dass unmit­tel­bar nach dem Tod ein beson­de­res Gericht kommt und dass jeder Mensch im Moment des Todes in sei­ner unsterb­li­chen See­le die ewi­ge Ver­gel­tung erhält. Die See­len der­je­ni­gen, die im Stand der Tod­sün­de ster­ben, stei­gen in die Höl­le hin­ab, wo sie die Qua­len der Höl­le erlei­den. Es besteht kei­ne Mög­lich­keit mehr zur Reue oder Recht­fer­ti­gung (vgl. KKK 1022, 1035). „In Tod­sün­de ster­ben, ohne die­se bereut zu haben und ohne die barm­her­zi­ge Lie­be Got­tes anzu­neh­men, bedeu­tet, durch eige­nen frei­en Ent­schluß für immer von ihm getrennt zu blei­ben. Die­sen Zustand der end­gül­ti­gen Selbst­aus­schlie­ßung aus der Gemein­schaft mit Gott und den Seli­gen nennt man ‘Höl­le‘“ (KKK 1033). Also, das beson­de­re Urteil ist sicher, end­gül­tig und unum­kehr­bar. Daher sind „die Aus­sa­gen der Hei­li­gen Schrift und die Leh­ren der Kir­che über die Höl­le eine Mah­nung an den Men­schen, sei­ne Frei­heit im Blick auf sein ewi­ges Schick­sal ver­ant­wor­tungs­voll zu gebrau­chen“ (KKK 1036).

Aller­dings ver­tre­ten heu­te vie­le Men­schen die Idee einer lee­ren Höl­le. Die­se Idee setzt eines von drei Din­gen vor­aus: Ent­we­der lebt kei­ner der Men­schen in Tod­sün­de (Uto­pie), oder Jesus hat mit sei­nem Tod alle Men­schen erlöst und die Erlö­sung aller sicher­ge­stellt, egal wie sün­dig ihr Leben war (Uni­ver­sa­lis­mus),2 oder die Höl­le exi­stiert nicht,3 zumin­dest nicht für immer (Anni­hi­la­ti­on).4 Natür­lich ste­hen alle drei die­ser Über­zeu­gun­gen in kras­sem Gegen­satz zur katho­li­schen Lehre.

Die Vor­stel­lung, dass die Höl­le nicht exi­stiert oder im schlimm­sten Fall exi­stiert, aber nie­mand dar­in lan­den wird, steht im Wider­spruch zu dem, was Jesus uns gelehrt hat, sie steht im Wider­spruch zur Hei­li­gen Schrift, sie steht im Wider­spruch zur Hei­li­gen Tra­di­ti­on, es wider­spricht der Leh­re der Kir­che. Alle, die an das Mär­chen von der lee­ren Höl­le glau­ben, betrü­gen sich selbst, wäh­rend der Vater der Lüge sei­ne Hän­de anein­an­der reibt und eine gro­ße Über­ra­schung für sie vorbereitet.

Die Geschich­te, dass die Höl­le leer ist (oder nicht exi­stiert), wird, abge­se­hen von Athe­isten, auch von Zeu­gen Jeho­vas, Adven­ti­sten, Mor­mo­nen, Arm­strongs Welt­kir­che Got­tes, Chri­stadel­phia­nern, der Kir­che der Christ­li­chen Wis­sen­schaft, der New-Age-Bewe­gung und neu­er­dings auch von eini­gen Evan­ge­li­ka­len geglaubt. Der Glau­be an eine lee­re Höl­le ist kei­ne neue Häre­sie, aber heu­te ist sie weit verbreitet.

Lei­der gibt es heu­te sol­che, die sich selbst Katho­li­ken nen­nen, die „ger­ne den­ken, dass die Höl­le leer ist“. Die Mei­nung, die Höl­le sei leer, ist nicht nur unka­tho­lisch, son­dern bringt auch eine Rei­he sehr gefähr­li­cher und mit­ein­an­der ver­bun­de­ner Kon­se­quen­zen mit sich. Natür­lich soll­ten wir als Katho­li­ken Jesu in allem nach­fol­gen und als gute Gläu­bi­ge wol­len wir das Heil jeder See­le. Denn das Heil der See­len ist die erste und wich­tig­ste Auf­ga­be der Kir­che (Can. 1752). Aber den­ken Sie dar­über nach. Wenn die Höl­le leer ist, war­um dann die angeb­li­che Ret­tung von See­len, war­um die Kir­che? Dann ist es nichts mehr als eine Far­ce. Dann ist die Kir­che unnö­tig. Wenn die Höl­le leer ist, dann ist Jesus nicht nur ein Lüg­ner, son­dern auch ein Sadist, der Freu­de an Dro­hun­gen und der Ver­brei­tung von Angst hat. Folg­lich ist Jesus kein Gott, denn Gott ist die Güte und die Lie­be selbst. Gott kann kein Lüg­ner sein. Der Teu­fel ist ein Lügner.

Wenn die Höl­le leer ist, spielt es kei­ne Rol­le, ob es Sün­de gibt oder nicht. Wenn Sie ger­ne den­ken, dass die Höl­le leer ist, dann den­ken Sie wahr­schein­lich, dass Sün­de Gott nicht belei­digt oder dass Gott barm­her­zig, aber unge­recht ist, oder, schlim­mer noch, dass Sün­de über­haupt nicht exi­stiert. Dann ist der Unter­schied zwi­schen Gut und Böse nicht wich­tig, schlim­mer noch, dann ist alles gut. Denn wie das Sprich­wort sagt: Ende gut, alles gut. War­um soll­ten Sie dann nicht eine Bank aus­rau­ben, war­um soll­ten Sie zögern, jeman­den zu töten, der Ihnen im Weg steht, was ist dann falsch an Dieb­stahl, Betrug, Lügen, Unzucht, Sodo­mie und ande­ren sexu­el­len Per­ver­sio­nen, was ist dann falsch an Unge­rech­tig­keit, Miss­brauch – wenn alles sowie­so gut endet? Wir wer­den alle geret­tet werden.

Wenn die Höl­le leer ist, dann ist die katho­li­sche Kir­che eine der schreck­lich­sten Insti­tu­tio­nen der Welt, weil sie vom Men­schen ein hei­li­ges Leben vol­ler Ver­zicht und Opfer ver­langt. Wofür? Dann nutz­te die katho­li­sche Kir­che die fal­sche Vor­stel­lung von der Höl­le, um den Men­schen unter Kon­trol­le, unter dem Joch und als Skla­ve und Unter­tan zu hal­ten. Dann ist die Kir­che zu ver­ur­tei­len. Dann haben alle Recht, die die Ver­nich­tung der „Hure von Baby­lon“ fordern.

Wenn die Höl­le leer ist, soll­te die Bibel auf dem Schei­ter­hau­fen ver­brannt und zum schlech­te­sten Buch der Welt erklärt wer­den, weil sie die Men­schen in die Irre führt. Dann ist die Bibel wert­los, unzu­ver­läs­sig, dann reprä­sen­tiert sie nicht das Wort Got­tes, son­dern des Teu­fels. Wenn die Höl­le leer ist, dann spielt es kei­ne Rol­le, ob Sie ein Gläu­bi­ger oder ein Ungläu­bi­ger sind, ob Sie Katho­lik, Bud­dhist, Mus­lim oder Athe­ist sind, ob Sie ein Kri­mi­nel­ler oder ein Hei­li­ger sind. Dann leben Katho­li­ken in einer Illu­si­on, dann sind Katho­li­ken die elend­sten Menschen.

Wenn die Höl­le leer ist, dann hat die katho­li­sche Kir­che die größ­te mensch­li­che Gehirn­wä­sche-Ope­ra­ti­on aller Zei­ten durch­ge­führt. Wie dem auch sei, eines ist sicher: Wenn Sie glau­ben, die Höl­le sei leer, dann sind Sie kein Katholik.

*Ivan Pol­ja­ko­vić, gebo­ren 1956 in Subo­ti­ca, stu­dier­te Angli­stik und Ger­ma­ni­stik an den Uni­ver­si­tä­ten Inns­bruck, Cam­bridge, Zagreb, Rostock und Auck­land, wo er meh­re­re Jah­re leb­te und an einer katho­li­schen Schu­le unter­rich­te­te, er ist aus­ge­bil­de­ter Reli­gi­ons­leh­rer und war bis 2021 Assi­stenz­pro­fes­sor und Lei­ter des Fremd­spra­chen­zen­trums an der Uni­ver­si­tät Zadar.

Bild: Wikimedia/​Juan Car­los Fon­se­ca Mata


1 Schwe­ster Lucia von Fati­ma beschreibt die Visi­on der Höl­le | Das Fati­ma-Zen­trum  (05.02.2024)

2 Uni­ver­sa­lis­mus ist die Ansicht, dass alle Men­schen oder mög­li­cher­wei­se alle Krea­tu­ren, zu denen auch Dämo­nen gehö­ren kön­nen, geret­tet wer­den. Die­se Häre­sie wur­de im Jahr 553 auf dem Kon­zil in Kon­stan­ti­no­pel verurteilt.

3 Das ist vor allem die Hal­tung von Atheisten.

4 Nach dem Jüng­sten Tag kom­men die Geret­te­ten in den Him­mel, und die Sün­der wer­den ver­nich­tet, d. h. sie wer­den auf­hö­ren zu exi­stie­ren (ent­we­der sofort oder nach eini­ger Zeit, je nach Variante).


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