
(New York) Am 21. Juli reagierte Kardinal Blase Cupich, der Erzbischof von Chicago, der bedeutendsten Diözese in den USA, auf das restriktive Motu proprio Traditionis custodes von Papst Franziskus. Kardinal Cupich ist seit seiner Ernennung die Speerspitze von Franziskus in der Bischofskonferenz der USA. Dennoch fiel seine erste, provisorische Reaktion unerwartet wohlwollend gegenüber den Gemeinschaften und Gemeinden der Tradition aus. Das nährte Hoffnungen. Nun wurde die endgültige Reaktion angekündigt – und die klingt ganz anders.
Traditionis custodes ein Geschenk?
Am 1. November, Allerheiligen, veröffentlichte Kardinal Blase Cupich ein Schreiben auf PrayTell, einer Internetseite ohne liturgische Nähe zum überlieferten Ritus, mit dem er seine Erzdiözese auf eine harte, restriktive Umsetzung von Traditionis custodes vorbereitet. Die Daumenschraube soll enger gezogen werden. Die Botschaft findet sich bereits in der Überschrift, in der Traditionis custodes als „Geschenk“ bezeichnet wird.
Geschenk für wen?
Der Papstvertraute schildert bei einem von ihm einberufenen Priestertreffen seiner Diözese, auf das neue Motu proprio angesprochen worden zu sein.
„Sie waren neugierig, wie die Erzdiözese darauf reagieren würde und welche Erkenntnisse dieses Dokument uns allen über die Liturgie bieten kann.“
Eine „sorgfältige Lektüre“ offenbare „die Absicht des Heiligen Vaters“, so Cupich.
„Einfach ausgedrückt, geht es darum, in der gesamten Kirche des Römischen Ritus ein einziges und identisches Gebet wiederherzustellen, das ihre Einheit zum Ausdruck bringt, gemäß den liturgischen Büchern, die von den heiligen Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils verkündet wurden. Mit anderen Worten, es gibt keine zwei Formen des Römischen Ritus, denn das Wort ‚Reform‘ bedeutet etwas, nämlich daß wir eine frühere Form der Sakramentenfeier hinter uns lassen und eine neue Form annehmen.“
Als unpassenden Vergleich zieht Cupich das Inkrafttreten des neuen Codex Iuris Canonici im Jahr 1983 heran, mit dem jener von 1917 ersetzt wurde. In einer Rechtsordnung, die dem Gebot der Rechtssicherheit verpflichtet ist, kann es entweder auf die Rechtsperson oder den Rechtsbereich nur ein anzuwendendes Recht geben. Das schließt aber nicht aus, daß es parallel unterschiedliche Rechtsordnungen gibt. Dazu muß man nicht an das einstige Volksrecht der Germanen denken, wonach Personen, die am selben Ort lebten, je nach Volkszugehörigkeit unterschiedlichem Recht unterstanden: Langobarden dem langobardischen Recht, Franken dem fränkischen, Baiern dem bairischen und Romanen dem römischen Recht. So gilt es nämlich auch heute für die lateinische Kirche und die mit ihr verbundenen Ostkirchen.
Auch der Katechismus, so Cupich, sei 1993 „im Hinblick auf die theologischen Perspektiven des Konzils (aktualisiert)“ worden. Das seien jeweils „Reformen“ gewesen, die aufgrund des Zweiten Vatikanischen Konzils erfolgten und keine Parallelität geschaffen, sondern ersetzt haben. Auch in der Liturgie habe es eine „Reform“ gegeben, woraus zu folgern sei:
„Mit den Reformen des Gesetzbuchs und des Katechismus hat die Kirche ihre früheren Formen hinter sich gelassen. […] Dann muß es auch etwas im Hinblick auf die Liturgiereform bedeuten.“
Doch auch der Vergleich mit dem Katechismus hinkt, denn in der Glaubenslehre kann ein jüngerer Katechismus keinen anderen dahingehend ersetzen, daß der ältere keine Gültigkeit mehr hätte oder gar verboten wäre.
Der Erzbischof von Chicago hütet sich daher, zu sagen, daß der überlieferte Ritus von Papst Franziskus potenziell abgeschafft erklärt wurde, denn sowohl in Santa Marta als auch in Illinois weiß man, daß ein Verbot des überlieferten Ritus strenggenommen unmöglich ist. Als „Absicht des Heiligen Vaters“ entnimmt Cupich dem Motu proprio, daß vielleicht am Novus Ordo Missae einige kosmetische Veränderungen vorgenommen werden könnten, etwa ein stärkerer Einsatz von Weihrauch, Gregorianik und Stille.
Die drei Leitprinzipien von Traditionis custodes
Die zentrale Botschaft von Traditionis custodes, so der Kardinal, sei jedoch: In Zukunft soll es nur mehr den Novus Ordo geben.
Als Auftrag an die Bischöfe entnimmt er dem Motu proprio, daß die dem überlieferten Ritus verbundenen Gläubigen zu drängen sind, zum Novus Ordo zu wechseln.
Papst Franziskus habe sich in Traditionis custodes von drei Grundsätzen leiten lassen, so Cupich:
Leitprinzip 1: Schuld sind die Traditionalisten
Dem ersten „Leitprinzip“ folgend sucht auch Kardinal Cupich den „Schuldigen“ in den Gemeinschaften der Tradition. Schuld an Traditionis custodes seien die Gemeinschaften und Gläubigen der Tradition. Wer den Schaden hat, braucht sich um den Spott nicht zu sorgen, könnte man anmerken. Denn, so Cupich, trotz „Zugeständnissen“ durch Papst Franziskus sei es nicht erreicht worden, die Kluft zwischen der Piusbruderschaft und Rom zu überwinden. Vielmehr habe die Förderung des überlieferten Ritus – an dieser Stelle werden die andernorts im Schreiben genannten Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nicht erwähnt – eine:
„Bewegung innerhalb der Kirche selbst“ geschaffen, „die offensichtlich Spaltung sät, indem sie die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils untergräbt, indem sie die wichtigste von ihnen ablehnt: die Reform des Römischen Ritus“.
Hier zitiert Cupich aus einem Interview von Kurienerzbischof Augustine Di Noia, dem beigeordneten Sekretär der Glaubenskongregation, und macht sich die Aussage vollumfänglich zu eigen.
Leitprinzip 2: Der Novus Ordo ist exklusiv anzuerkennen
Als zweites „Leitprinzip“, das Papst Franziskus mit Traditionis custodes bewegt, sei eine „unmißverständliche Anerkennung durch alle Katholiken, daß das Zweite Vatikanische Konzil und seine Reformen nicht nur ein authentisches Wirken des Heiligen Geistes sind, sondern auch in Kontinuität mit der Tradition der Kirche stehen. Diese Anerkennung bedeutet insbesondere die volle Akzeptanz, daß ‚die von Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgierten liturgischen Bücher der einzige Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus sind‘.“
Cupich zitiert hier aus dem Artikel 1 den umstrittensten Teil des Motu proprio, auch in diesem Fall uneingeschränkt.
Leitprinzip 3: Die Bischöfe haben die exklusive Anerkennung durchzusetzen
Ein dritter Grundsatz sei „die Rolle des Bischofs als alleiniger Moderator, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens in seiner Diözese“. Papst Franziskus habe mit dem Erlaß von Traditionis custodes dem Ortsbischof die Zuständigkeit zurückgegeben, den Gebrauch „der früheren Liturgie als Ausnahmekonzession zu regeln“. Die „Rückgabe“ erfolgte mit einer einschneidenden Einschränkung: Die Erlaubnis zur Verwendung des überlieferten Ritus dürfe nur eine „Ausnahme“ sein. So stellt es Cupich auch gleich im nächsten Satz klar. Nur „ausnahmsweise“ sei „die Verwendung von Ritualen zuzulassen, die vor den Liturgiereformen des zweiten Vatikanischen Konzils (Missale Romanum von 1962 und Rituale Romanum von 1952) entstanden sind“.
Die von Franziskus erlassene Einschränkung folge einem klaren Auftrag an die Bischöfe:
„In seinem Begleitschreiben zu Traditionis custodes an die Bischöfe in aller Welt macht Papst Franziskus deutlich, dass der Ortsbischof die Pflicht hat, seine Entscheidung so zu treffen, dass in seiner Diözese die Rückkehr zu einer einheitlichen Feierform gefördert wird.“
Gläubige zum Novus Ordo drängen
Daraus folgert Kardinal Cupich:
„Die pastorale Verwirklichung der Ziele von Traditionis custodes erfordert, daß wir als Seelsorger die Menschen dabei begleiten, den Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie wir Gottesdienst feiern, und dem, was wir glauben, zu verstehen, wobei der Wunsch des Heiligen Vaters zu berücksichtigen ist, daß die Seelsorger die Gläubigen zum ausschließlichen Gebrauch der reformierten liturgischen Bücher führen.“
Was sich der Kardinal-Erzbischof von seinen Priestern und Seelsorgern erwartet, beschreibt er so:
„Die Begleitung kann in Form von Besuchen bei den Gläubigen erfolgen, die regelmäßig diese Messe besuchen und die Sakramente mit den früheren Ritualen gefeiert haben, um ihnen zu helfen, die wesentlichen Grundsätze der vom Zweiten Vatikanischen Konzil geforderten Erneuerung zu verstehen. Es sollte auch darum gehen, den Menschen zu zeigen, wie die reformierte Messe ihnen eine stärkere Verwendung von Schriften und Gebeten aus der römischen Tradition sowie einen aktualisierten liturgischen Festkalender bietet, der kürzlich heiliggesprochene Heilige enthält. Begleitung kann auch bedeuten, daß in die reformierte Messe des Konzils kreativ Elemente aufgenommen werden, die die Menschen bei der Feier der früheren Form der Messe als nährend empfunden haben und die bereits eine Option waren, z. B. ehrfürchtige Bewegungen und Gesten, die Verwendung des gregorianischen Gesangs, Latein und Weihrauch sowie längere Zeiten der Stille innerhalb der Liturgie.“
Cupich scheint allerdings nicht wahrzunehmen, daß die dem überlieferten Ritus verbundenen Gläubigen, allein schon altersbedingt, nicht mehr in erster Linie jene sind, die die Liturgiereform 1969 nicht mitgemacht haben, sondern vor allem Gläubige, die im Novus Ordo aufgewachsen und von diesem geprägt wurden und sich gerade deshalb der Tradition zugewandt haben. Sie kennen den Novus Ordo sehr gut und brauchen darüber weder Einführung noch Hinführung.
Der Kardinal sagt nichts darüber, wie er sich die Zukunft der Gemeinschaften des überlieferten Ritus vorstellt, die in seinem Erzbistum wirken, darunter die Petrusbruderschaft und vor allem die dort entstandenen Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau. Sollen auch sie zum Novus Ordo gedrängt werden? Der Erzbischof sagt aber soviel: Gläubige sollen diese Gemeinschaft keine mehr (zu betreuen) haben.
Der „Mann des Papstes“ im US-Episkopat schließt seine Ausführungen mit einem weiteren Euphemismus:
„Ich glaube, wir können diese Gelegenheit nutzen, um allen unseren Leuten zu helfen, das große Geschenk, das uns das Konzil mit der Reform unseres Gottesdienstes gemacht hat, besser zu verstehen. Ich nehme meine Verpflichtung ernst, in einer Weise voranzuschreiten, die eine Rückkehr zu einer einheitlichen Form der Feier im Einklang mit den Leitlinien von Traditionis custodes fördert, aber in der Zwischenzeit müssen wir alle beten, wie Jesus es in der Nacht vor seinem Tode tat, daß alle eins sein mögen.“
Das Schreiben legt nahe, daß Kardinal Cupich demnächst eine endgültige Entscheidung über die Umsetzung von Traditionis custodes in seinem Zuständigkeitsbereich treffen wird, eine Entscheidung, die keineswegs wohlwollend, sondern restriktiv sein wird. Wegen der Bedeutung seines Erzbistums in der kirchlichen Hierarchie wird seine Entscheidung für andere Bischöfe der USA tonangebend sein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Na, da schaun mer mal. Der wird sich an den Amis die Zähne ausbeißen.
Ich bin im neuen Ritus aufgewachsen und kenne diesen recht gut. Ich kann dem Firlefanz der in den Kirchen heute veranstaltet wird rein gar nichts mehr abgewinnen. Deshalb möchte ich ab sofort nichts mehr mit diesem zu tun haben. Sie betätigen sich als Zerstörer und möchten noch für ihr Tun gelobt werden, da kann ich nur Pfui sagen und mich angewidert von ihnen abwenden und auf andere Zeiten hoffen ..
Ich meine, man sollte Kardinal Blase Cupich für seine Ehrlichkeit dankbar sein.
Die Priestergemeinschaften der Tradition sollten jetzt aber ebenso ehrlich sein und das gesamte II. Vatikanische Konzil mitsamt allen daraus hervorgegangenen umstürzlerischen „Reformen“, einschließlich des Novus Ordo von Papst Paul VI., vollständig ablehnen und vom Papst die sofortige Annullierung fordern.
Diplomatie ist jetzt fehl am Platz.
Was wir weitergeben, ist das Feuer, nicht die Asche!
Nulla Ecclesia extra Fraternitatem Sacerdotalis Sancti Pii X,
War aus dem heutigen Chicago etwas anderes zu erwarten?
Francis Kardinal George OMI (1997–2014)
Blase Joseph Kardinal Cupich (seit 2014)
Francis Kardinal George hat gesagt, dass er in seinem Bett sterben werde, sein Nachfolger im Gefängnis und dessen Nachfolger werde öffentlich hingerichtet. Der Kardinal ging sicher von Nachfolgern seines Glaubens aus.
Seit kurzem erhebt sich der Böse und drängt zu schwer defizitärem, ja zu schädlichem, sowohl in der Welt als auch in der Kirche – mit auffälligem schnellstem Gleichschritt – so, als ob nicht mehr viel Zeit sei.
Diktatur, Bevormundung und Drohungen haben in der Kirche Jesu Christi nichts verloren! Da heisst es: Durchhalten!!!
Lieber Herr Schellewald, Sie schreiben, dass wir heute so ehrlich sein sollten und das gesamte II. Vatikanische Konzil mitsamt allen daraus hervorgegangenen umstürzlerischen „Reformen“, einschließlich des Novus Ordo von Papst Paul VI., vom Papst der sofortigen Annullierung fordern sollten. Im Sinne dieser Forderung kenne ich zwei Josef Ratzinger nahestehende Menschen, welche unabhängig von einander diesen nach dessen Wahl konkret aufgefordert haben, jetzt endlich mit den Lügen des Konzils aufzuräumen. Benedikt XVI. gab keine Antwort, er ließ sie stehen. Dies war enttäuschend, denn sie forderten nichts Neues. Intern hatte man über diese Problematik mit Sicherheit ausreichend diskutiert. Inzwischen war durch die veröffentlichte Peccorelli Liste bekannt, dass wesentliche „Konzilsväter“, welche das Sagen hatten, Freimaurer waren. Benedikt konnte nicht. Die Beseitigung der Lügen (nicht Irrtümer!!!) hätte das Schisma zur Folge gehabt. Aber er gab später eine Antwort in seinen großen Reden, wie beispielhaft in Regensburg .
Das Bild rundet sich, wenn wir lesen, dass der größte Kritiker der Regensburger Rede der damalige Kardinal Bergoglio in Buenos Aires war.
Ein guter und wichtiger Beitrag, Danke.
2 Punkte:
Die Neuerer mögen ihre Bemühungen durch die Tradition untergraben sehen. Das ist sicher nicht falsch. Ich rede einmal politisch-soziologisch, weil sie wohl nur das verstehen: Sehr viel mehr als durch die Tradition haben die Neuerer allerdings an Boden verloren durch die Neuerungen selbst. Es ist einfach so, dass sehr große Teile der einstmals Gläubigen ihnen nicht gefolgt sind. Das ist ein Fakt. Ob es unter Wahrung der Tradition oder noch progressivistischeren Animationen anders gekommen wäre, bleibt Spekulation.
Allerdings nicht ganz, und damit komme ich zum 2. Punkt: Der Novus Ordo als Geschenk. Wenn ich mir die Genese des Novus Ordo anschauen, dann würde ich mich schämen, mir mit einem Geschenk so wenig Mühe gegeben zu haben. Ein Geschenk in Liebe bedient sich nicht auf den naheliegenden Wühltischen. Als Empfänger dieses Geschenkes weiß ich jedenfalls inzwischen, was ich davon zu halten habe. Und halte es auch nicht für Zufall, dass die Neuerer so viel Abkehr erfahren haben, denn das spüren auch andere. Und es zeigt eben auch auf, dass die Progressivisten falschen Zielen und falschen Mitteln aufsitzen. Mehr davon hätte noch weniger gebracht.
Und so ist die Aussicht zunehmend klar.
Gehen wir diesen Weg mit Christus und suchen wir wieder Seine Kirche zu sein.
Christus im Herzen, die Tradition im Rucksack, können wir zuversichtlich des Weges gehen, den Zeit und Ewigkeit uns weisen.
Ein Traum.
Die (Erz-)Bischöfe bzw. Kardinäle Pell, Viganó, Haas, Huonder, Schneider, Zhen, Cordileone und noch andere, die mir jetzt nicht einfallen, tun sich zusammen und weihen in Notlage würdige, jüngere Priester zu Bischöfen, möglichst viele, damit die apostolische Sukzession nicht vollständig abreißt.