
(Rom) Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der römischen Bischofskongregation, wird demnächst abgelöst werden. Als Nachfolger im Gespräch ist Kardinal Blase Cupich, der Anführer der progressiven Bischöfe in der US-amerikanischen Bischofskonferenz.
Der Frankokanadier Ouellet, Angehöriger des Sulpizianerordens (PSS), gilt als einer der wenigen in römischen Spitzenpositionen verbliebenen „Ratzingerianer“. Als Kardinalpräfekt ist er offiziell für die Bischofsernennungen zuständig. Obwohl nach dem Konklave zunächst mit seiner Ablöse gerechnet wurde, blieb Ouellet in Amt und Würden. Allerdings wurde schnell klar, daß sein Einfluß auf ein Minimum reduziert wurde. Papst Franziskus sucht die Kandidaten für Bischofsernennungen nach seinen eigenen Kriterien und über seine eigenen Kanäle und vor allem unter Umgehung des offiziellen Amtsweges aus. So wie Franziskus das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia unter völliger Umgehung des damaligen Glaubenspräfekten Gerhard Müller veröffentlichte und das Motu proprio Magnum principium ohne jeden Kontakt mit Kardinal Robert Sarah, dem zuständigen Präfekten der Gottesdienstkongregation, so geschieht es seit 2013 mit Kardinal Ouellet bei den Bischofsernennungen.
Ouellet spielte zuletzt im Zusammenhang mit den Anschuldigungen eine Rolle, die Erzbischof Carlo Maria Viganò, der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA, im Zusammenhang mit dem Fall McCarrick gegen Papst Franziskus erhob. Als der Heilige Stuhl im Herbst 2018 die Enthüllungen von Erzbischof Viganó bestritt und Papst Franziskus erklärte, sich nicht erinnern zu können, führte der Apostolische Nuntius Kardinal Ouellet als Zeugen der Anklage an.

Für Kardinal Ouellet, immerhin Minister des Papstes, entstand dadurch eine hochbrisante Situation. Der Kardinalpräfekt reagierte am 7. Oktober 2018 mit einem offenen Brief. Darin wählte er eine doppelte Strategie. Einerseits tadelte er Erzbischof Viganò energisch für die Art von dessen Vorgehen. Das klang nach einer entschiedenen Distanzierung und wurde auch so von Medien kommuniziert. Das war aber nur die eine Seite. Zugleich bestätigte der kanadische Purpurträger in der Sache nämlich viel von dem, was Erzbischof Viganò enthüllt hatte. Zum Rest schwieg er. Der ehemalige Nuntius hatte Kardinal Ouellet attestiert, nicht in den schmutzigen Fall McCarrick involviert zu sein, ihn aber zugleich aufgefordert, „Zeugnis für die Wahrheit zu geben“. Der Kardinal hatte im Juni 2013 durch Viganò selbst wichtige Informationen erhalten und verfügte über solche zum Fall McCarrick auch als Präfekt der Bischofskongregation.
Und Ouellet tat das wirklich: Er verteidigte in seinem offenen Brief zwar Papst Franziskus gegen die öffentlichen Anschuldigungen, bestätigte diese aber zugleich. Katholisches.info schrieb am 8. Oktober 2018:
„Kardinal Ouellet widersprach aber der Aussage Viganòs nicht, Papst Franziskus am 23. Juni 2013 über das ‚perverse und diabolische‘ Doppelleben von Kardinal McCarrick informiert zu haben. Im Gegenteil. Er nimmt diese Aussage des ehemaligen Nuntius als Tatsache an. Allerdings exkulpierte er den Papst, denn dieser habe an jenem Tag erstmals eine Reihe von Nuntien in Audienz empfangen und werde von ihnen ‚eine so große Menge an Informationen‘ erhalten haben, daß er sich beim besten Willen nicht alle Namen und Anliegen gemerkt haben werde können.“
Damit wirkte Ouellets Verteidigung für Franziskus wie eine Anklage. Als Papst mußte er sich aber nicht verantworten und dank der Schonung durch die Medien konnte er selbst einen Fall McCarrick aussitzen.
Am kommenden 28. Juni wird der aus dem Bistum Amos in Québec stammende Purpurträger sein 77. Lebensjahr vollenden. Papst Franziskus gewährte ihm stillschweigend über seinen 75. Geburtstag hinaus eine Verlängerung im Amt. Ein Zeichen des päpstlichen Wohlwollens. Das kanonisch vorgeschriebene Rücktrittsgesuch, das Ouellet im Juni 2019 einreichte, kann Franziskus jederzeit annehmen. Inzwischen verdichten sich die Stimmen, daß Franziskus den Kardinal durch einen getreuen Gefolgsmann ersetzen dürfte. Dafür wird neuerdings der Name von Kardinal Blase Cupich, dem Erzbischof von Chicago, genannt. Grund dafür ist, daß am 30. Januar am selben Tag sowohl Kardinal Ouellet als auch Kardinal Cupich in Audienz empfangen wurden. Ein direkter Zusammenhang läßt sich daraus nicht ablesen. Ein solcher wurde allerdings am 2. Februar von CNA hergestellt.
Mit Sicherheit diente die Audienz dazu, daß Cupich den Papst zehn Tage nach der Angelobung von Joe Biden über die aktuelle politische Lage in den USA informierte. Bezeichnend für das derzeitige Pontifikat ist, daß Franziskus nicht den Vorsitzenden der Bischofskonferenz dafür empfing, sondern seinen Vertrauten. Unmittelbar nach der Angelobung war es zu einem indirekten Schlagabtausch zwischen dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof José Horacio Gomez, und einer Gruppe progressiver Bischöfe um Kardinal Tobin gekommen. Msgr. Gomez hatte die Abtreibungsagenda Bidens als unvereinbar mit der katholischen Lehre kritisiert, während die progressive Gruppe mit einer Erklärung Bidens Homo-Agenda unterstützte.
Die Ernennung des „progressiven Außenseiters“ zum Bischof des bedeutendsten Bistums der USA sorgte im September 2014 für großes Aufsehen. Seither gilt Cupich als Anführer der von Franziskus durch Neuernennungen sukzessive gestärkten Gruppe progressiver Bischöfe in der Amerikanischen Bischofskonferenz.
Cupich gehört zu den Vertrauten von Papst Franziskus, was für seine Ernennung sprechen würde. Dagegen spricht, daß er seine Stellung innerhalb der US-Bischofskonferenz räumen müßte. Dort tat sich zuletzt der Redemptorist Joseph Kardinal Tobin als progressiver Wortführer hervor. Franziskus berief Tobin Ende 2016 auf den Erzbischofsstuhl von Newark und kreierte ihn noch im selben Jahr, noch vor der Amtseinführung in seinem neuen Bistum, zum Kardinal. Sowohl Cupich als auch Tobin sind Vertreter einer homophilen Agenda.

Die ungenannte vatikanische Quelle, auf die sich CNA beruft, nannte als weitere von Franziskus in Betracht gezogene Option den aus Chicago stammenden Msgr. Robert Francis Prevost. Prevost war zwölf Jahre Generaloberer des Augustinerordens (OSA). Seit 2014 leitet er als Bischof die peruanische Diözese Chiclayo und ist seit 2020 auch Apostolischer Administrator der Diözese Callao. Im November 2020 ernannte ihn Franziskus zu einem der wenigen purpurlosen Mitglieder der Bischofskongregation.
Insgesamt, so dieselbe von CNA zitierte Quelle, neige Franziskus allerdings mehr zur ersten Option: der Ernennung von Kardinal Cupich zum neuen Kardinalpräfekten der Bischofskongregation. Das habe nicht nur mit seinem Rang, sondern mehr noch mit dem damit verbundenen Signal zu tun, welchen Typus von Bischof sich Franziskus wünscht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Archchicago.org/Wikicommons (Screenshots)