
Liebe Brüder und Schwestern,
die Zehn Gebote stehen in der Bibel nicht für sich allein, sondern sind Teil einer Beziehung, nämlich des Bundes Gottes mit seinem Volk. Deswegen nennt die Heilige Schrift sie Dekalog – zehn Worte.
Das Gebot ist eine bloße Mitteilung, das Wort hingegen das wesentliche Mittel der Beziehung als Dialog. Gott spricht zu seinem Volk, er will einen Dialog aus Liebe. Von jeher, wie auch die Erzählung vom Sündenfall im Buch Genesis deutlich macht, steht der Mensch vor diesem Scheideweg: Ist Gott jemand, der mir die Dinge auferlegt oder der für mich Sorge trägt? Sind seine Gebote allein Gesetz oder sein Wort für mich? Ist er Herrscher oder Vater, sind wir Untertanen oder Kinder? In diesem innerlichen und äußerlichen Ringen müssen wir uns unentwegt zwischen dem Denken als Sklaven oder als Kinder entscheiden. Der Heilige Geist ist ein Geist der Kindschaft. Ein Geist als Sklaven kann das Gesetz nur als Unterdrückung annehmen mit zwei gegensätzlichen Ergebnissen: ein Leben unter Pflichten und Zwängen oder eine gewaltsame Haltung der Ablehnung. Das Christentum als Ganzes ist hingegen der Übergang vom Buchstaben des Gesetzes zum Geist, der lebendig macht (vgl. 2 Kor 3,6).
Mit Freude begrüße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache. Der Dekalog der Zehn Gebote ist das Geschenk des Bundes Gottes mit uns Menschen. Wir wollen als seine Kinder unsere Beziehung mit dem Herrn leben, indem wir seinem Wort folgen und dem Heiligen Geist, der lebendig macht. Betet für mich und für meine ökumenische Pilgerreise morgen nach Genf. Der Herr behüte euch und eure Lieben.