Von Arduinus Rex*
„Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet“ (Mt 5,11).
In den schwierigen Tagen der jüngsten Geschichte der Erzdiözese Paris, in denen Erzbischof Michel Aupetit auf das Amt des Diözesanbischofs verzichtete, wurde vom Heiligen Stuhl am 25. November beschlossen, das Martyrium in odium fidei [aus Haß gegen den Glauben] von fünf Priestern in der Zeit der sogenannten Pariser Kommune anzuerkennen.
Der Aufstand, der vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 in der französischen Hauptstadt tobte und unter dem Namen „La Commune de Paris“ bekannt wurde, wollte eine von der französischen Republik unabhängige Regierungsform und ein soziales Programm durchsetzen, das dem Rationalismus und libertären Sozialismus verpflichtet war. Die Kommunarden waren besessen vom Gedanken, daß die katholische Religion unterdrückt werden müsse, um das alte Regime zu beseitigen und eine neue Gesellschaftsform zu etablieren. Sie entfesselten sofort Gewalt und Verfolgung gegen die Kirche, plünderten viele Gotteshäuser und legten Hunderte von Klerikern und Ordensleuten in Ketten. Als die reguläre französische Armee am 21. Mai Paris belagerte, kam es durch die Kommunarden zu grausamen Taten, die als „Semaine sanglante“, als „Blutige Woche“, bekannt wurden. In diesen Tagen machten die Anführer des Aufstands ihren Plan wahr, jene hinzurichten, die sie als Gegner betrachteten. Zu den Opfern, die aus Liebe zu Christus und Seiner Kirche ihr Leben ließen, gehörten der erste Priester des Instituts der Religieux de Saint Vincent de Paul (Ordensleute des Heiligen Vinzenz von Paul), Henri Planchat, und vier Priester der Kongregation der Heiligsten Herzen Jesu und Mariens und der ewigen Anbetung des Allerheiligsten Altarsakraments (Arnsteiner Patres). Sie wurden am 26. Mai 1871 gewaltsam mit Gewehrschüssen und Blankwaffen getötet.
Mathieu Henri Planchat wurde am 8. November 1823 in La Roche-sur-Yon in der Vendée geboren und verbrachte eine wahrhaft fromme Kindheit und Jugend, zunächst in seiner Heimatstadt, dann in Chartres und Lille, wohin sein Vater, ein Richter, versetzt wurde. Im Jahr 1837 wurde der Junge als Internatsschüler am Collège Stanislas in Paris aufgenommen. Er blieb dort drei Jahre und setzte danach seine Studien am Collège de l’Immaculée-Conception von Abbé Ferdinand-Marie Poiloup in Vaugirard (damals ein Vorort von Paris) fort. Die Jahre, die er in Vaugirard verbrachte, waren entscheidend für den weiteren Verlauf seines Lebens. Er lernte die Vinzenzkonferenzen kennen, wurde von ihrer Idee überzeugt und wandte sich ihnen mit ganzer Begeisterung zu. In seiner Freizeit widmete er sich den Armen des Stadtviertels. Er betreute die von der Pfarrkonferenz eingerichtete Volksbücherei, kümmerte sich um die Kinder in den Schulen, verbrachte die Sonntage im Patronat, das die Brüder des heiligen Vinzenz von Paul (heute: Ordensleute des heiligen Vinzenz von Paul) vor kurzem in der Rue du Regard eröffnet hatten, und kümmerte sich um die Lehrlinge. Und jeden Sonntag beendete der junge Mann den Tag im Gebet zu Füßen Unserer Lieben Frau vom Sieg.
Planchat hatte eine glänzende Zukunft vor sich, die durch das Ansehen des Namens seines Vaters, seinen Reichtum, seine familiären Beziehungen, seine außergewöhnliche Intelligenz und sein brillantes Jurastudium sicher war. In seiner Seele wuchs jedoch die Berufung zum Priester und der Wunsch, sich im Institut der Brüder des heiligen Vinzenz von Paul, denen er in Vaugirard begegnet war, ganz in den Dienst der einfachsten Menschen zu stellen. Sobald er sich als Jurist qualifiziert hatte, trat er in das Priesterseminar von Issy ein. Der junge Seminarist machte keinen Hehl daraus, daß er sich für das Apostolat in den unteren Schichten interessierte. Einigen seiner Gefährten schien es unmöglich, daß ein junger Mann, dem der Weg zu einer glänzenden kirchlichen Karriere offenstand, von einem so bescheidenen Ideal träumen konnte. Noch weniger verstanden sie, wie er sich mit einer völlig schmucklosen Zelle und einem sehr bescheidenen äußeren Erscheinungsbild zufriedengeben konnte. Doch Henri gab ihnen eine Antwort, die den Geist verriet, mit dem er sich auf das Priesteramt vorbereitete: „Ce n’est pas à ceux qui ont de belles pendules et de beaux tapis dans leurs appartements que l’on va se confesser, quand on veut se convertir.“ (Man geht nicht zur Beichte, weil man schöne Uhren und luxuriöse Teppiche in der Wohnungen hat, sondern wenn man sich bekehren will).
Am 21. Dezember 1850 wird er zum Priester geweiht und stellt sich drei Tage später Jean-Léon Le Prevost vor, ehemaliger Beamter des Kultusministeriums und Vorsitzender der Vinzenzkonferenz in der Pfarrei Saint-Sulpice, Oberer der kleinen Gemeinschaft der Brüder des Heiligen Vinzenz von Paul, die er zusammen mit Clément Myionnet, Maurice Maignen und Louis Paillé gegründet hatte. Er war somit der erste Priester, der in die junge Kongregation aufgenommen wurde. Von da an sollte sein ganzes Leben ein ständiger Akt der Aufopferung sein, schrecklich und großartig zugleich, für jenes Volk, das er so sehr liebte und aus dem auch seine Henker hervorgehen sollten.
Und so ging er Tag und Nacht durch die Straßen von Grenelle, einem Vorort von Paris, wo eine gleichgültige, religiös selbstvergessene und manchmal offen christus- und kirchenfeindliche Arbeiterbevölkerung lebte. Der „Seelenjäger“, mit seinen Taschen voller Medaillen, Bilder und guter Bücher, machte sich auf, diese Welt zu entdecken. Er drang in jede Gasse ein, ging in die verrufensten Winkel, betrat die schmutzigsten Hütten und die verseuchtesten Elendsviertel. Er schreckte auch vor Beleidigungen und Drohungen nicht zurück. Im Gegenteil, sie boten manchmal die Gelegenheit, ein Gespräch zu führen, das in einer Beichte endete. In kurzer Zeit gewöhnten sich alle daran, daß dieser Priester unermüdlich durch die Straßen des Viertels ging und jedes Haus betrat. Es änderte sich etwas. Bald begannen alle zu ihm zu kommen, um ihm ihre Sorgen und Nöte anzuvertrauen, ohne Angst zu haben, ihr von Elend und Leid beladenes Herz zu öffnen. Er ging zu allen und brachte ihnen den erhofften Trost und Hilfe. Von den ersten Monaten an waren die Ergebnisse bewundernswert: aufsehenerregende Bekehrungen, Menschen, die zum christlichen Glauben zurückkehrten, Bekehrungen im Angesicht des Todes, Legalisierung ziviler Eheschließung durch sakramentale Eheschließungen (bis zu fünfhundert pro Jahr). Ein solch intensives Apostolat konnte nicht verhindern, daß die Gesundheit von Planchat abgenutzt wurde. Nach einem Jahr wurde er krank, und es kamen quälende Nervenschmerzen hinzu. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Italien ermöglichte es ihm, die Kraft für die Fortsetzung seines Dienstes wiederzuerlangen. Im April 1853 kehrte er genesen nach Grenelle zurück. Mit neuem Eifer nahm er sein Apostolat wieder auf.
Auf einer seiner apostolischen Reisen kam er zufällig an einer Wäscherei vorbei. Der Anblick des Priesters, und noch dazu eines Priesters mit einem so ärmlichen Aussehen, schockierte die Arbeiterinnen, die ihn mit Sarkasmus bedachten. Ohne sich aufzuregen, betrat Planchat die Räumlichkeiten, verteilte Medaillen, Bilder und Rosenkränze an alle und hielt eine kleine Rede, die alle Anwesenden zutiefst erschütterte. Als er gehen wollte, gesellte sich die Hausherrin zu ihm, die ihn mit Tränen in den Augen bat, eine Gabe für eine Messe in ihren Anliegen und denen der Arbeiterinnen anzunehmen.
Eines Abends ging er in das Haus eines sterbenden Mannes, der weit von Gott entfernt war. Trotz seiner Bemühungen konnte er den kranken Mann nicht dem Erlöser annähern. Er wurde vielmehr mit Beleidigungen und Drohungen verjagt. Doch der gute Priester wollte diese Seele nicht im Stich lassen. Er ging auf die Straße hinunter, sah nicht weit entfernt einen Bordstein und setzte sich trotz des eisigen Windes, der unerbittlich blies, darauf und begann den Rosenkranz zu beten. Die Stunden vergingen und Planchat betete weiter den Rosenkranz. Um Mitternacht war er immer noch da und betete für den armen Sterbenden. Eine Frau kam aus dem Haus gelaufen und flehte ihn an, sofort zu dem Kranken hinaufzugehen. Der Priester kam rechtzeitig, um ihm die Beichte abzunehmen, ihm die Letzte Ölung zu erteilen und seinen letzten Atemzug zu empfangen.
Es war Winter und Pater Planchat war an das Ende der Issy-Ebene gegangen, um einer sterbenden Frau beizustehen. Es schneite, es war nach Mitternacht, und er war noch nicht nach Hause gekommen. Seine Mitbrüder waren bereits unruhig. Schließlich erschien Planchat schneebedeckt und halb erfroren. Er war nicht allein. Er hatte auf der Straße einen Soldaten, der sich in der Ebene verirrt hatte, und einen Obdachlosen aufgelesen.
In einer anderen Winternacht überraschte die Pförtnerin Planchat, wie er das Haus unbemerkt zu betreten versuchte. Er ging mit einer Gangart, die nicht seiner üblichen entsprach. Als die Portierin ihn fragte: „Was haben Sie denn an den Füßen, Hochwürden?“, antwortete er: „Nichts, nichts“, und versuchte, sich kleiner zu machen. Doch die aufmerksame Pförtnerin sah ihn genauer an und war erstaunt. Planchat war ohne Schuhe. Seine Socken waren naß und eisig. Er entschuldigte sich.
„Ich habe sie auf der Esplanade des Invalides einem armen Mann gegeben, der keine hatte. Was soll ich sagen? Er war älter als ich.“
Man könnte noch viele andere Anekdoten über ihn erzählen, Beispiele für heldenhafte Nächstenliebe. Man denke nur daran, wie er bei Kriegsausbruch einen wunderbaren Dienst der geistlichen und materiellen Hilfe für die Soldaten organisierte und wie er mit Abbé de Broglie auf das Schlachtfeld ging, um den Kämpfern die Erleichterungen der Sakramente und des geistlichen Dienstes zu bringen. Um sich eine Vorstellung von seinem apostolischen Wirken zu machen, sollte man bedenken, daß er allein im Patronat von Sainte-Anne von Juli bis Dezember 1870 zusätzlich zu seinem üblichen Apostolat unter den Jugendlichen und Armen der Umgebung viertausend Soldaten aufnahm, ihnen die Beichte abnahm und ihnen die Kommunion spendete. Im darauffolgenden Februar sollten es sogar achttausend sein!
Ladislas Radigue wurde am 8. Mai 1823 in Saint-Patrice-du-Désert geboren, nahm den Habit der Kongregation der Heiligsten Herzen und legte am 7. März 1845 die ewigen Gelübde ab. Am 22. April 1848 wurde er zum Priester geweiht. Zwanzig Jahre lang war er Novizenmeister, dann Generalvikar der Kongregation und schließlich Oberer des Mutterhauses im Pariser Stadtteil Picpus.
Polycarpe Tuffier wurde am 14. März 1807 in Le Malzieu geboren. Während seiner Jugend studierte er am Kolleg der Kongregation der Heiligsten Herzen, wo er seine Berufung empfing. Am 14. Mai 1823 legte er seine Ordensprofeß ab. Er wurde 1830 zum Priester geweiht und war als Pfarrer, Kaplan der Schwestern des Ordens und in verschiedenen Städten als Oberer des jeweiligen Kollegs tätig. Schließlich wurde er Prokurator und Generalrat der Kongregation. Er zeichnete sich durch die Tiefe seiner Predigten aus.
Marcellin Rouchouze wurde am 14. Dezember 1810 in Saint-Julien-en-Jarez geboren. Seine Ordensgelübde legte er am 2. Februar 1837 in die Hände des Dieners Gottes Marie Joseph Coudrin, des Gründers der Kongregation der Heiligsten Herzen, ab. Als Lehrer für Latein, Mathematik und Philosophie wurde er in belgische Kollegien der Kongregation entsandt. Obwohl er sich aus Bescheidenheit des Priesteramtes für unwürdig hielt, ließ er sich am 5. Juni 1852, im Alter von 42 Jahren, zum Wohl der Seelen doch zum Priester weihen. Ein Mann von ruhigem Charakter und reinem Herzen, wurde er als Generalsekretär der Kongregation nach Paris berufen.
Frézal Tardieu wurde am 18. November 1814 in Chasseradès geboren und legte am 6. April 1839 seine Ordensprofeß in der Kongregation der Heiligsten Herzen ab. 1840 wurde er zum Priester geweiht. Nachdem er Novizenmeister in Vaugirard, im belgischen Löwen und in Issy gewesen war, zog er als Generalrat der Kongregation nach Paris, wo er weiterhin dogmatische Theologie lehrte. Begabt mit einem ausgezeichneten Intellekt, zeigte er immer wieder außergewöhnliche Nächstenliebe.
Pater Planchat wurde am 6. April 1871, Gründonnerstag, inhaftiert. Am 12. April desselben Jahres, einem Mittwoch in der Osteroktav, brachen die Kommunarden in das Mutterhaus der Kongregation der Heiligsten Herzen ein, raubten die kostbaren Kultgegenstände, entweihten das allerheiligste Altarsakrament und legten die anderen vier Diener Gottes in Ketten. Alle fünf blieben vierzig Tage lang in Einzelhaft im Gefängnis von Mazas und wurden dann mit vielen anderen Priestern in das Gefängnis für verurteilte Strafgefangene in La Grande Roquette verlegt. Am 26. Mai wurden sie vom Mob und den Soldaten, die vom odium fidei beseelt waren, aus dem Gefängnis geholt und in einer Villa in der Rue Haxo begann das Massaker. Die Priester wurden getötet und ihre Leichen geschändet.
Bevor sie verhaftet wurden, waren sich die Ordenspriester der Gefahr bewußt. Obwohl sie fliehen hätten können, blieben sie in Paris, um ihre priesterlichen Pflichten zu erfüllen. Auch Planchat, der vor seiner wahrscheinlichen Gefangennahme gewarnt worden war, blieb auf seinem Posten, um den Gläubigen im Hinblick auf Ostern die Beichte abzunehmen. Soweit möglich, nahmen sie auch noch während der Gefangenschaft die Beichte ab und erteilten die Absolution. Es gelang ihnen sogar, die heilige Kommunion zu empfangen, die ihnen fromme Frauen heimlich brachten.
Ihr Ruhm als Märtyrer verbreitete sich unmittelbar nach ihrer Ermordung und hat sich über die Jahre bis heute erhalten. Aus diesem Grund wurde die Seligsprechung bzw. die Anerkennung ihres Martyriums eingeleitet. Ein erster informativer Prozeß fand vom 8. März 1897 bis zum 8. August 1900 an der kirchlichen Kurie in Paris statt. Die diözesane Untersuchung erfolgte vom 29. Oktober 2015 bis zum 4. Mai 2016. Die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse erließ am 27. Oktober 2016 das Dekret über die Rechtsgültigkeit des Verfahrens. Nach der Ausarbeitung wurde die Positio am 20. Oktober 2020 den Historikern unter den Consultoren zur Beurteilung vorgelegt. Anschließend wurde nach dem üblichen kirchenrechtlichen Verfahren erörtert, ob die Diener Gottes wirklich Märtyrer waren. Am 11. Mai 2021 gaben die Theologen unter den Consultoren ihre zustimmende Stellungnahme ab. Durch die Kardinäle und Bischöfe der Kongregation, die am vergangenen 19. Oktober zu einer ordentlichen Sitzung zusammenkamen, erfolgte die Anerkennung, daß die Diener Gottes für ihre Treue zu Christus und der Kirche getötet worden waren.
Kardinalpräfekt Marcello Semeraro berichtete darauf das Ergebnis dieser Schritte Papst Franziskus. Der Papst akzeptierte das Votum der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und ordnete an, daß das Dekret veröffentlicht und in die offiziellen Verlautbarungen der Kongregation aufgenommen werden und damit Rechtsgültigkeit erlangen solle.
*Arduinus Rex, ein Pseudonym nach König Arduin von Italien, einem Neffen Berengars II., verwandt mit den fränkischen Unruochingern und Widonen, schreibt für die traditionsverbundene Online-Publikation Europa Cristiana, gegründet und geleitet von dem Juristen Carlo Manetti und der Historikerin Cristina Siccardi.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Europa Cristiana
Das Zitat „Ce n’est pas à ceux qui ont de belles pendules et de beaux tapis dans leurs appartements que l’on va se confesser, quand on veut se convertir.“ ist falsch übersetzt. Es muss richtig lauten: „Wenn man sich bekehren will, geht man nicht beichten bei denen, die schöne Uhren und schöne Teppiche in ihren Wohnungen haben.“
Vielen Dank.