AP bestätigt: Der Grund für den Maulkorberlaß war ein Vorwand

US-Bischöfe haben sich für mehrere Tage zurückzogen


Originalbrief von Papst Franzikus an die Biischöfe der USA zu den Einkehrtagen in Mundelein.

(Rom/​Washington) Die Bischö­fe der USA haben sich zu Ein­kehr­ta­gen ins Semi­nar von Mun­de­lein außer­halb von Chi­ca­go zurück­ge­zo­gen. Dort wol­len sie bis zum kom­men­den Sonn­tag ver­blei­ben, um die Zei­chen der Zeit zu erken­nen, wie es auf der Inter­net­sei­te der Bischofs­kon­fe­renz heißt.

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Anlaß sind die Berich­te und Anschul­di­gun­gen über sexu­el­len Miß­brauch durch Kle­ri­ker und Bischö­fe und die mög­li­che Ver­tu­schung durch Bischö­fe, von denen die Kir­che in den USA seit August erschüt­tert wird. 

Wäh­rend der fünf Tage sind weder Pres­se­kon­fe­ren­zen noch Pres­se­er­klä­run­gen geplant.

Papst Fran­zis­kus über­mit­tel­te den Bischö­fen ein elf Sei­ten lan­ges Doku­ment, das von ihm unter­zeich­net ist und das Datum vom 1. Janu­ar trägt. Über die­sen päpst­li­chen Text sol­len sich die Bischö­fe Gedan­ken machen. 

Knappe Mitteilung zum Erhalt des Briefes
Knap­pe Mit­tei­lung zum Erhalt des Briefes

Im ver­gan­ge­nen Novem­ber hat­te Papst Fran­zis­kus den US-Bischö­fen unter­sagt, Ent­schei­dun­gen gegen den Miß­brauchs­skan­dal zu tref­fen. Die Bischö­fe wur­den durch die mas­si­ve Inter­ven­ti­on vor den Kopf gesto­ßen. Zu einer Rebel­li­on gegen das Kir­chen­ober­haupt konn­ten sie sich den­noch nicht ent­schlie­ßen. Ein ent­spre­chen­der Antrag, trotz des „insi­sten­ten Wun­sches“ des Pap­stes zur Abstim­mung zu schrei­ten, wur­de von der Mehr­heit der Bischö­fe abgelehnt.

Nico­le Win­field von Asso­cia­ted Press (AP) bestä­tig­te in ihrem Bericht vom Neu­jahrs­tag, was auf die­ser Sei­te im Novem­ber berich­tet wur­de: Die römi­sche Inter­ven­ti­on, mit der der Ame­ri­ka­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz ein Maul­korb ange­legt wur­de, erfolg­te unter einem wenig stich­hal­ti­gen Vorwand. 

Rom beton­te seit­her, daß allein der spä­te Zeit­punkt, mit dem die Vor­schlä­ge, über die abge­stimmt wer­den soll­te, in Rom ein­tra­fen, für die Inter­ven­ti­on aus­schlag­ge­bend gewe­sen sei. Die vor­be­rei­te­ten Anträ­ge sei­en erst vier Tage vor Beginn der Herbst­voll­ver­samm­lung der Bischofs­kon­fe­renz nach Rom gelangt. Das sei eine zu knap­pe Zeit gewe­sen, um die not­wen­di­ge Prü­fung durch die vati­ka­ni­schen Fach­leu­te durch­füh­ren zu können. 

Zudem wur­de von Papst Fran­zis­kus für die zwei­te Febru­ar-Hälf­te ein Gip­fel­tref­fen zum The­ma Miß­brauchs­prä­ven­ti­on einberufen.

Am Neu­jahrs­tag sprach Kar­di­nal Dani­el DiNar­do, der Vor­sit­zen­de der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, von einem „Miß­ver­ständ­nis“. Er beton­te, daß sich die Bischö­fe kei­ne Zustän­dig­kei­ten anma­ßen woll­ten, die dem Hei­li­gen Stuhl zukom­men. Das hat­te ihnen Kar­di­nal Marc Ouel­let, der Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on, im Namen des Pap­stes vor­ge­hal­ten, als er im Novem­ber das Abstim­mungs­ver­bot mitteilte. 

Gemäß Kir­chen­recht steht es allein dem Vati­kan zu, über Anschul­di­gun­gen gegen Bischö­fe zu ermit­teln und zu urtei­len. Das gilt somit auch für Erz­bi­schof Theo­do­re McCar­ri­ck, der im Juli 2018 sei­ne Kar­di­nals­wür­de ver­lor, weil sein homo­se­xu­el­les Dop­pel­le­ben bekannt wur­de. Inzwi­schen wur­den neue Details und neue Anschul­di­gun­gen gegen den ehe­ma­li­gen Kar­di­nal bekannt. Nach wie vor fehlt aber ein Urteil, das in sei­ner Sache Klar­heit schafft. Eine Klar­heit, die die Kir­che in den USA nach den mas­si­ven Miß­brauchs­vor­wür­fen drin­gend braucht. 

Kar­di­nal DiNar­do sag­te gegen­über Asso­cia­ted Press (AP) am 1. Janu­ar aber auch, daß inzwi­schen „klar“ sei, daß es „unter­schied­li­che Erwar­tun­gen von Sei­ten der Bischofs­kon­fe­renz und von Sei­ten Roms“ gab. „Unse­re Per­spek­ti­ve war so gedacht, daß sie genau dort endet, wo die Auto­ri­tät des Hei­li­gen Stuhls beginnt.“

Die US-Bischö­fe woll­ten Hand­lungs­fä­hig­keit unter Beweis stel­len. Sie ste­hen unter beson­de­rem Druck, da nach den Miß­brauchs­skan­da­len von 2002 eine „Null­to­le­ranz“ ver­kün­det wor­den war. 16 Jahr danach sehen sich die Gläu­bi­gen und die US-Öffent­lich­keit aber dem­sel­ben Dilem­ma gegen­über. Die Glaub­wür­dig­keit der Kir­che ist dadurch schwer ange­schla­gen, auch des­halb, weil es heu­te auch um Bischö­fe geht wie McCar­ri­ck, die nicht nur Ver­bre­chen ver­tuscht zu haben schei­nen, son­dern mut­maß­lich selbst Täter waren. Ent­spre­chen­de Gerüch­te betref­fen nicht nur McCar­ri­ck, der bei Papst Fran­zis­kus bis zum ver­gan­ge­nen Som­mer in hohen Ehren stand.

Den Vor­wurf, Rom „zu spät“ infor­miert zu haben, läßt der Vor­sit­zen­de der Bischofs­kon­fe­renz aber nicht gel­ten. Die Aus­ar­bei­tung der Anträ­ge sei in Rom von Anfang an bekannt gewe­sen, und die Inhal­te mit „ver­schie­de­nen römi­schen Ämtern“ bespro­chen wor­den. Auf der Grund­la­ge die­ser Kon­tak­te sei die End­re­dak­ti­on erfolgt. Der Inhalt betraf die Ermitt­lun­gen gegen Bischö­fe die des Miß­brauchs oder der Ver­tu­schung beschul­digt wer­den. In Rom, so Kar­di­nal DiNar­do, habe es kei­ne Oppo­si­ti­on gegen die Anträ­ge gegeben. 

Kar­di­nal Ouel­let hat­te auch „recht­li­che Pro­ble­me“ gegen die Anträ­ge ins Feld geführt. Kar­di­nal DiNar­do sieht das nicht so, beton­te gegen­über AP aber, daß es in den Doku­men­ten „ein oder zwei“ Stel­len gebe, wo es im Kir­chen­recht „grö­ße­re Prä­zi­si­on“ bräuchte.

Er bestä­tig­te zudem, Kar­di­nal Ouel­let dar­auf auf­merk­sam gemacht zu haben, daß es für die Gläu­bi­gen eine „gro­ße Ent­täu­schung“ sein wer­de, wenn kei­ne Beschlüs­se gefaßt wer­den, denn die­se wür­den mit gro­ßer Span­nung erwartet. 

Der Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on beharr­te hin­ge­gen dar­auf, daß alle Doku­men­te sich an dem zu ori­en­tie­ren hät­ten, was beim Miß­brauchs-Gip­fel im Febru­ar „durch die Arbeit und die Unter­schei­dung“ der Vor­sit­zen­den der Bischofs­kon­fe­ren­zen beschlos­sen wird. 

Die Fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz, Win­field erwähnt sie nicht, konn­te fak­tisch zeit­gleich Beschlüs­se zur Miß­brauchs­prä­ven­ti­on ohne römi­sche Inter­ven­ti­on fas­sen, die sich von den Anträ­gen der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz nicht son­der­lich unter­schie­den. Dies erhöht seit­her bei Beob­ach­tern in den USA und in Rom den Ver­dacht, auch dar­über schreibt Win­field aller­dings nichts, daß es hin­ter den Kulis­sen um einen Macht­kampf zwi­schen der Papst Fran­zis­kus nahe­ste­hen­den Min­der­heit in der US-Bischofs­kon­fe­renz und der Mehr­heit geht. Die Rede ist auch davon, daß die­se Min­der­heit, die beson­ders stark mit McCar­ri­ck ver­bun­den ist, geschützt wer­den solle.

In den USA ver­weist man dar­auf, daß der für Febru­ar ein­be­ru­fe­ne, römi­sche Gip­fel bereits am 13. Sep­tem­ber bekannt­ge­ge­ben wur­de. „Wenn er der Haupt­grund für Ouel­let war, die Abstim­mun­gen zu annul­lie­ren, hät­te er es DiNar­do frü­her mit­tei­len kön­nen“, so Nico­le Win­field von AP, und nicht erst am Vor­abend des 12. Novem­ber, an dem die Herbst­voll­ver­samm­lung der Bischofs­kon­fe­renz eröff­net wurde. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: USCCB (Screen­shots)

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