
(Rom) Morgen werden in Rom 50.000 Mitglieder von Comunione e Liberazione (Gemeinschaft und Befreiung) aus 60 Ländern der Erde erwartet. Anläßlich des 100. Geburtstages ihres Gründers trifft sich die Gemeinschaft nach sieben Jahren erstmals wieder mit Papst Franziskus, der eine „Reform“ der Laienorganisation durchsetzte.
Comunione e liberazione (CL), einst eine sehr einflußreiche und vielversprechende Bewegung unter den sogenannten „neuen Gemeinschaften“, um die es in den vergangenen Jahren stiller geworden ist, durchlebt unter Papst Franziskus, der keine besonderen Sympathien für sie hegt, eine heikle Phase. Morgen gedenkt sie ihres Gründers Don Luigi Giussani, der am 15. Oktober 1922 geboren wurde. Als er am 22. Februar 2005 verstarb, sandte Papst Johannes Paul II., der ihn schätzte und förderte, aber selbst schon dem Tode nahe war, den Glaubenspräfekten Joseph Kardinal Ratzinger als seinen Vertreter, um beim Requiem im Mailänder Dom die Predigt zu halten.
Als Paul VI. in den 70er Jahren die katholische Jugend Italiens aufforderte, sich um ihn zu scharen, blieb der Papst allein. Don Giussani war darüber so bestürzt, daß er es sich zum Ziel setzte, eines Tages notfalls mit Comunione e Liberazione allein den Petersplatz um den Papst zu füllen. So kam es dann auch. Besonders denkwürdig ist die von Don Giussani angeführte Begegnung von CL mit Johannes Paul II. am 30. Mai 1998 (siehe Bild).
Die jüngste Begegnung mit Papst Franziskus liegt inzwischen schon sieben Jahre zurück. Er hat im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern ganz eigene Vorstellungen von der Rolle der Laienorganisationen. Er erlegte ihnen einen „Weg der Erneuerung“ auf, der mehr einer Schwächung gleichkam und der für CL nicht ohne traumatische Folgen blieb. Im November 2021 trat ihr Vorsitzender Don Julián Carrón zurück. Don Giussani selbst hatte den spanischen Priester zu seinem Nachfolger bestimmt.
Ausgangspunkt war die Veröffentlichung eines Dokuments des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben, das von dem Franziskus sehr nahestehenden Kardinal Kevin Farrell geleitet wird. Franziskus ließ die Gemeinschaften wissen, daß deren Vorsitzende nur mehr maximal zehn Jahre hintereinander im Amt bleiben dürfen. Der päpstliche Hofstaat begründete den massiven Eingriff als notwendige Reform, um „Herrscher auf Lebenszeit“ zu verhindern. Es war allerdings auch eine andere Lesart möglich, nämlich einige große und etwas „zu eigenständige“ Gemeinschaften auf den bergoglianischen Kurs zu zwingen.
Don Carrón zögerte einige Wochen und fügte sich. Kurz darauf erfolgte die Entsendung eines Kommissars, der die Leitung über die Memores domini übernahm, eine weibliche Laienvereinigung von CL, deren Mitglieder sich zu einem Leben der evangelischen Räte verpflichten und den Haushalt von Benedikt XVI. führten. Diese hatten durch die faktische Absetzung von Don Carrón ihr Charisma gefährdet gesehen, was der Heilige Stuhl wiederum als unangemessenen „Personenkult“ behauptete und damit die kommissarische Leitung begründete.
Der Vatikan setzte mit Davide Prosperi erstmals einen Laien als Vorsitzenden von CL ein, der bis dahin Stellvertreter war. Allerdings ist Prosperi nur provisorisch im Amt und wurde mit einem Auftrag ausgestattet, der nur als Fortsetzung der vatikanischen Intervention gedeutet werden konnte: Das Verständnis von der „Weitergabe des Charismas“, wie es in den vergangenen zehn Jahren von CL praktiziert wurde, habe aufzuhören, denn es stehe in „schwerwiegendem Widerspruch zu den Lehren der Kirche“. Diese verbale Härte erstaunte, da sich der Vatikan in der Regel einer sehr diplomatischen Sprache bedient. Erst recht überraschte sie gegenüber einer Gemeinschaft wie CL, angesichts dessen, was der Heilige Stuhl unter Franziskus ansonsten alles duldet.
Dem Chemiker Prosperi fällt es morgen zu, CL auf den Petersplatz zu Papst Franziskus zu führen. In seinem Schreiben an die Mitglieder erinnerte er daran, wie Don Giussani den Daseinszweck der Gemeinschaft, die sich selbst als „Bruderschaft“ bezeichnet, beschrieb:
„Innerhalb des großen Rahmens der Kirche und in Treue zum Lehramt und zur Tradition haben wir immer versucht, die Menschen dazu zu bringen, die Gegenwart Christi zu entdecken oder leichter zu erkennen.“
Das gilt als „Erfolgsgeheimnis“ von Don Giussani, wie es sein Freund Giacomo Kardinal Biffi, der von 1984–2003 Erzbischof von Bologna war, 2005 formulierte:
„Als Giussani 1954 seine Lehrtätigkeit in Theologie aufgab, um sich ganz den Jugendlichen des Mailänder Berchet-Lyzeums zu widmen, war er nicht der Meinung, etwas Neues zu beginnen. Er wollte lediglich auf effizientere, kohärentere und überzeugendere Weise den Heranwachsenden das Christentum aller Zeiten vermitteln. Er erfand daher auch keine neuen Formen der Jugendpastoral. Er erfüllte einfach seinen Beruf, den des Priesters. Er war nur von einer Sorge beseelt, allen die Erfahrung des Christentums zu vermitteln.“
Don Giussani baute sein Wirken auf Glauben und Vernunft auf, nicht auf Gefühlen. Das war auch der Grund, weshalb aus CL auch eine ganze Reihe von politischen Initiativen hervorgingen. Don Giussani formulierte es so: „Wir glauben nicht an eine Trennung von Glauben und Politik, an einen Glauben, der keine Auswirkungen auf das Leben hat.“
Morgen wird man sehen, wieviel Beachtung und Wohlwollen Papst Franziskus CL nach den erfolgten Reformen, Umbauten und Demütigungen entgegenbringt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL