Kardinal Cupich und Traditionis custodes

Die Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau


Will Kardinal Cupich in seinem Bistum Chicago das Motu proprio Traditionis custodes umsetzen, müßte er auch den jungen Orden der Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau zerschlagen.
Will Kardinal Cupich in seinem Bistum Chicago das Motu proprio Traditionis custodes umsetzen, müßte er auch den jungen Orden der Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau zerschlagen.

(Rom/​New York) Seit der Ver­öf­fent­li­chung des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des reagie­ren immer mehr Bischö­fe auf die dar­in ent­hal­te­ne Auf­for­de­rung, die Zele­bra­ti­ons­or­te des über­lie­fer­ten Ritus abzu­wür­gen und den Prie­stern, die bis­her im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten, kei­ne Zele­bra­ti­ons­er­laub­nis mehr zu ertei­len. Es gibt Bischö­fe, die ver­stan­den haben, was Papst Fran­zis­kus will, und bereits rund­weg die hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus ver­bo­ten haben. Es gibt aber auch Bischö­fe, die öffent­lich oder im enge­ren Kreis bekannt­ga­ben, daß sich trotz Tra­di­tio­nis cus­to­des in ihrem Bis­tum nichts ändern wer­de. Über die­se Bischö­fe zu berich­ten erscheint nicht klug. Je weni­ger in San­ta Mar­ta über die­se Bis­tü­mer bekannt ist, desto gesün­der ist das für die Bischö­fe, die dort wir­ken­den Prie­ster der Tra­di­ti­on und für die Welt­kir­che ins­ge­samt. Nicht zu die­sem Kreis von Bischö­fen zählt Kar­di­nal Bla­se Cupich, der Erz­bi­schof von Chicago. 

Anzei­ge

Cupich galt, als ihn Fran­zis­kus 2014 auf den bedeu­tend­sten Bischofs­stuhl der USA berief, als pro­gres­si­ver Außen­sei­ter. Seit­her zeig­te sich der Bischof aus der McCar­ri­ck-Cli­que als ver­läß­li­cher Berg­o­glia­ner. Kar­di­nal Cupich ist der ein­fluß­reich­ste Ver­tre­ter des amtie­ren­den Pap­stes in den USA. Aller­dings stellt die von Cupich ange­führ­te Grup­pe von Bischö­fen in der US-Bischofs­kon­fe­renz eine Min­der­heit dar.

Inner­halb der tra­di­ti­on­ver­bun­de­nen Welt spie­len die USA eine wich­ti­ge Rol­le: an Zahl, an Finan­zen und an Kampf­geist. Wäh­rend in West­eu­ro­pa ein kir­chen- und tra­di­ti­ons­fer­ner Geist sich aller Berei­che in Staat und Kir­che bemäch­tig­te, ist der Kampf um die The­men­füh­rer­schaft in den USA nicht ent­schie­den. Der kämp­fe­ri­sche Geist katho­li­scher Krei­se in den USA irri­tiert San­ta Mar­ta und war ein Grund, wes­halb Donald Trump und die soge­nann­te „reli­giö­se Rech­te“ glei­cher­ma­ßen nicht nur als Feind­bild wahr­ge­nom­men, son­dern auch glei­cher­ma­ßen bekämpft wurden.

Kar­di­nal Cupich, dem in die­sem Kampf, der wegen des US-ame­ri­ka­ni­schen Ein­flus­ses von welt­wei­ter Bedeu­tung ist, eine zen­tra­le Rol­le zukommt, mel­de­te sich gestern zu Tra­di­tio­nis cus­to­des zu Wort. Er ver­öf­fent­lich­te eine Erklä­rung zum neu­en Motu pro­prio, deren Kern lautet:

„Als Ant­wort auf den Brief wer­de ich mir Zeit neh­men, ihn zu stu­die­ren, dar­über nach­zu­den­ken und mich mit ande­ren zu bera­ten und zu gege­be­ner Zeit einen Weg anzu­bie­ten, um das umzu­set­zen, was der Hei­li­ge Vater uns, unter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes der Ein­heit und der ange­mes­se­nen Geneh­mi­gung, das Mis­sa­le von 1962 zu ver­wen­den, auf­ge­tra­gen hat. Unter­des­sen bleibt die gegen­wär­ti­ge Pra­xis bezüg­lich des Mis­sa­le von 1962 bestehen.“

Im Klar­text: Im Erz­bis­tum Chi­ca­go bleibt vor­erst alles, wie es ist. Bedeu­tet das Entwarnung?

Die Regularkanoniker vom heiligen Johannes von Krakau

In Cupichs Diö­ze­se gibt es eine beson­de­re Situa­ti­on. 1998 wur­den dort die Regu­lar Canons of St. John Can­ti­us (Regu­lar­ka­no­ni­ker des hei­li­gen Johan­nes von Kra­kau, SJC) kano­nisch errich­tet, die an der gleich­na­mi­gen Pfar­rei von Chi­ca­go gegrün­det wor­den waren. 2006 erhiel­ten sie den heu­ti­gen Namen. Sie leben nach der Regel des hei­li­gen Augu­sti­nus und zele­brie­ren im über­lie­fer­ten Ritus.

Die Pfar­rei geht auf pol­ni­sche Ein­wan­de­rer zurück, zu deren seel­sorg­li­cher Betreu­ung sie vor bald 130 Jah­ren errich­tet wur­de. Die monu­men­ta­le Pfarr­kir­che wur­de samt einem gro­ßen Pfarr­haus nach den Plä­nen des in Aschen­dorf bei Han­no­ver gebo­re­nen deut­schen Archi­tek­ten Adolp­hus Drui­ding (1838–1900) errich­tet, der den katho­li­schen Kir­chen­bau­stil in den USA vor dem Ersten Welt­krieg mitprägte.

Als Pfar­rer Frank Phil­lips die Pfar­rei über­nahm, führ­te er sie zu neu­er Blü­te und grün­de­te die neue Ordens­ge­mein­schaft. Dar­in wur­de er vom dama­li­gen Erz­bi­schof und Cupich-Vor­gän­ger Kar­di­nal Fran­cis Geor­ge unter­stützt. Kar­di­nal Geor­ge errich­te­te den jun­gen Orden kano­nisch nach diö­ze­sa­nem Recht. Die „pol­ni­sche Pfar­rei“ wur­de zu einem gro­ßen Zen­trum des über­lie­fer­ten Ritus und der Tra­di­ti­on im Erz­bis­tum. Ver­bin­dun­gen bestehen bis heu­te auch zu Polen. Meh­re­re pol­ni­sche Mini­ster­prä­si­den­ten haben seit dem Zusam­men­bruch der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur bei ihren USA-Besu­chen auch die Pfar­rei in Chi­ca­go aufgesucht.

In der Pfarr­seel­sor­ge zele­brie­ren die Regu­lar­ka­no­ni­ker in bei­den For­men des Römi­schen Ritus, wäh­rend sie selbst und in ihren Apo­sto­la­ten, wie dem von ihnen ins Leben geru­fe­nen Meß­bund, den über­lie­fer­ten Ritus bevor­zu­gen. Am ver­gan­ge­nen 23. Juni, dem Hoch­fest der Geburt Johan­nes‘ des Täu­fers und zugleich Geburts­tag des hei­li­gen Johan­nes von Kra­kau, des Patrons der nach ihm benann­ten Regu­lar­ka­no­ni­ker, konn­te ihr Gene­ral­obe­rer Joshua S. Cas­well SJC sechs Postu­lan­ten begrü­ßen, die an der „Wie­der­her­stel­lung des Hei­li­gen“ mit­wir­ken wol­len, einer Auf­ga­be, die der jun­ge Orden als Teil sei­nes beson­de­ren Cha­ris­mas betrach­tet. Im ver­gan­ge­nen Mai weih­te Kar­di­nal Cupich einen Regu­lar­ka­no­ni­ker zum Prie­ster und einen ande­ren zum Dia­kon. Die Wei­hen durch den Erz­bi­schof erfolg­ten für alle Kan­di­da­ten des Erz­bis­tums gemein­sam im neu­en Ritus.

Kar­di­nal Cupich besuch­te die Regu­lar­ka­no­ni­ker des hei­li­gen Johan­nes von Kra­kau in der Ver­gan­gen­heit bereits per­sön­lich. Er weiß, daß auf die jun­ge Ordens­ge­mein­schaft nichts von dem zutrifft, was Papst Fran­zis­kus in Tra­di­tio­nis cus­to­des als Grün­de anführt, wes­halb er sich – laut eige­ner Anga­be – „genö­tigt“ sieht, ent­schlos­sen einzugreifen.

Was wird im Erzbistum Chicago geschehen?

Wie also wird Kar­di­nal Cupich, der treue Statt­hal­ter von Papst Fran­zis­kus in den USA, reagie­ren? Vor­erst gar nicht. Er spielt momen­tan auf Zeit. Es gibt Stim­men, die besa­gen, daß der Kar­di­nal von Papst Fran­zis­kus an die Römi­sche Kurie beru­fen und mit der Lei­tung eines Dik­aste­ri­ums betraut wer­den soll. Damit könn­te er die Ent­schei­dung und auch die Ver­ant­wor­tung für die Zer­schla­gung der Tra­di­ti­on sei­nem Nach­fol­ger überlassen.

Am 23. Juni konn­te der Gene­ral­obe­re sechs Postu­lan­ten bei den Regu­lar­ka­no­ni­kern begrüßen.

Papst Fran­zis­kus, ein Getrie­be­ner sei­ner eige­nen Agen­da, will laut gut infor­mier­ten römi­schen Quel­len im kom­men­den Herbst die seit 2013 in Aus­sicht gestell­te und für pro­gres­si­ve Kir­chen­krei­se aus prin­zi­pi­el­len Grün­den wich­ti­ge Kuri­en­re­form umset­zen. Die ent­spre­chen­de apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on liegt bereits aus­for­mu­liert vor und soll die 1988 von Papst Johan­nes Paul II. erlas­se­ne Kon­sti­tu­ti­on Pastor Bonus erset­zen. Folgt man den genann­ten Quel­len, könn­te es zu weit­rei­chen­den per­so­nel­len Umstruk­tu­rie­run­gen kom­men. Man­che spre­chen sogar von einer Annul­lie­rung aller der­zei­ti­gen Man­da­te, ähn­lich wie es zum Jah­res­wech­sel 2016/​2017 an der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben der Fall war. Um die­se Aka­de­mie, die von Johan­nes Paul II. als Schutz­wall gegen die „Kul­tur des Todes“ gedacht war, von lästi­gen Lebens­schüt­zern zu säu­bern, die in der Ver­tei­di­gung der unge­bo­re­nen Kin­der gemein­sam mit Bene­dikt XVI. einen nicht ver­han­del­ba­ren Wert sehen, wur­den alle Aka­de­mie­mit­glie­der, obwohl auf Lebens­zeit ernannt, vor die Tür gesetzt.

Die­se Vor­ge­hens­wei­se hat unter Fran­zis­kus durch­aus System. Sie fin­det sich auch in Tra­di­tio­nis cus­to­des wie­der. Der Papst annul­lier­te am ver­gan­ge­nen Frei­tag jede Erlaub­nis, im über­lie­fer­ten Ritus zu zele­brie­ren – unter­schieds­los, aus­nahms­los, bedin­gungs­los. War­um soll­te er nicht auch die neue Kon­sti­tu­ti­on für die Römi­sche Kurie nüt­zen, alle Lei­tungs­man­da­te zurück­zu­neh­men, um mit einem Schlag – in der Kir­che völ­lig unüb­lich – sich eine neue Kurie nicht nur in den Struk­tu­ren, son­dern auch in den Per­so­nen zu schaffen?

Vor die­sem dop­pel­ten Hin­ter­grund der spe­zi­fi­schen Situa­ti­on im Erz­bis­tum Chi­ca­go und einer mög­li­chen Beru­fung nach Rom ist das der­zei­ti­ge Ver­hal­ten von Kar­di­nal Cupich zu sehen.

Wäre es denk­bar, daß Cupich in Chi­ca­go bleibt und zu einem spä­te­ren Zeit­punkt, nach Stu­di­um und Nach­den­ken, die Bei­be­hal­tung des Sta­tus quo mit sei­nen Meß­or­ten des über­lie­fer­ten Ritus und tra­di­tio­nel­len Prie­stern, dar­un­ter die Regu­lar­ka­no­ni­ker des hei­li­gen Johan­nes von Kra­kau, bestä­tigt?

Das hal­ten Beob­ach­ter für sehr unrea­li­stisch, denn der Auf­trag von Papst Fran­zis­kus an die Bischö­fe in Tra­di­tio­nis cus­to­des und dem dazu­ge­hö­ren­den Begleit­schrei­ben ist ein­deu­tig und lau­tet: den über­lie­fer­ten Ritus zer­schla­gen und die Prie­ster der Tra­di­ti­on zum Novus Ordo umer­zie­hen.

Jede ande­re Reak­ti­on auf das neue Motu pro­prio wür­de einen Bischof in San­ta Mar­ta ver­däch­tig machen. Eine Hal­tung, die für den wich­tig­sten Berg­o­glia­ner unter den Bischö­fen der USA undenk­bar scheint.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: canons​-regu​lar​.org (Screen­shots)

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