Die leere Hölle und das Ende der Kirche

Und natürlich alles im Fernsehen


Das Jüngste Gericht (Ausschnitt) in der Sixtinischen Kapelle
Das Jüngste Gericht (Ausschnitt) in der Sixtinischen Kapelle


Von Aldo Maria Valli*

Anzei­ge

Mit sei­nem Inter­view mit Fabio Fazio hat der Papst die Liqui­die­rung der katho­li­schen Kir­che ein­ge­läu­tet. Er sag­te, daß ihm die Vor­stel­lung gefällt, daß die Höl­le leer ist. „Eine per­sön­li­che Sache von mir, kein Dog­ma“, füg­te er hin­zu, als woll­te er die Aus­sa­ge damit weni­ger schwer­wie­gend machen. Aber er ist der Papst, der Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden. Jede sei­ner Äuße­run­gen, auch wenn sie auf per­sön­li­cher Ebe­ne erfolgt, hat ein beson­de­res Gewicht. Und er weiß genau, wie das funk­tio­niert: „Wenn der Papst es sagt…“.

War­um sage ich, daß der Papst mit sei­nen Wor­ten die Liqui­die­rung der Kir­che ein­ge­läu­tet hat? Ganz ein­fach. Wenn die Höl­le leer ist, bedeu­tet das, daß es kein Gericht gibt. Und wenn es kein Gericht gibt, bedeu­tet das, daß es kei­ne Sün­de gibt. Und wenn es kei­ne Sün­de gibt, dann bedeu­tet das, daß unser Herr umsonst in die Welt gekom­men ist, denn eine sünd­lo­se Welt hat kei­ne Erlö­sung nötig. Und wenn unser Herr Jesus umsonst gekom­men ist, bedeu­tet das, daß Er die Kir­che umsonst gegrün­det hat. Und wenn Er sie umsonst gegrün­det hat, bedeu­tet das, daß sie nicht gebraucht wird. Und wenn sie kei­nen Nut­zen hat, kann man sie getrost abschaf­fen. Und wenn sie abge­schafft wer­den kann, wozu braucht es dann einen Papst?

Aldo Maria Valli

Indem Berg­o­glio die Kir­che liqui­diert, hat er auch den Papst und damit sich selbst liqui­diert. Ein Selbst­mord. Ist er sich des­sen bewußt?

Um es mit den Wor­ten von Fran­zis­kus zu sagen, gefällt mir die Vor­stel­lung, daß er sich des­sen nicht bewußt ist und sei­ne gei­sti­gen Fähig­kei­ten nicht in Ord­nung sind. Lei­der ist dem nicht so. Wie mir argen­ti­ni­sche Freun­de, die ihn ken­nen, sagen und wie eini­ge aus dem Inne­ren der hei­li­gen Palä­ste bestä­ti­gen, geht es ihm nur um Macht um der Macht wil­len. Und sein Image. Après moi le délu­ge. [Nach mir die Sint­flut.] Also freut er sich, wenn die Fazi­os vom Dienst vor ihm knien. Stopp.

Der Rest inter­es­siert ihn nicht im gering­sten. Im Gegen­teil, es freut ihn, daß die Kir­che liqui­diert wird. Denn in Wirk­lich­keit ver­ach­tet er sie. Im Vati­kan wird das schon lan­ge geflü­stert. „Num­mer Eins“, wie sie ihn dort nen­nen, ver­ach­tet die Hier­ar­chie, er ver­ach­tet die Kar­di­nä­le, er ver­ach­tet die Bischö­fe, er ver­ach­tet die gan­ze kuria­le und kirch­li­che Maschi­ne­rie, eine Maschi­ne­rie, die für ihn nur inso­weit Sinn macht, als sie ihm erlaubt, Macht aus­zu­üben und sein Image zu pflegen.

Über den Ursprung die­ser Ver­ach­tung las­sen sich vie­le Hypo­the­sen und Über­le­gun­gen anstel­len. Der Kern ist, daß die Vor­stel­lung einer lee­ren Höl­le nicht Aus­druck eines barm­her­zi­gen Gei­stes, son­dern des Nihi­lis­mus ist. Ein lehr­mä­ßi­ger, theo­lo­gi­scher und lit­ur­gi­scher Nihi­lis­mus, der bereits in Hül­le und Fül­le vor­han­den war, nun aber nes­cit vox mis­sa rever­ti an die Öffent­lich­keit tritt [Das gespro­che­ne Wort kehrt nicht wie­der zurück.]. Der berg­o­glia­ni­sche Nihi­lis­mus, der in einen prak­ti­schen Pero­nis­mus geklei­det ist, bedeu­tet eine syste­ma­ti­sche Zwei­deu­tig­keit. Die­se nutzt er zu sei­nem übli­chen Zweck: um sich selbst zu erhö­hen und die Kir­che zu verunglimpfen.

Wer­den sich die katho­li­sche Kir­che und das Papst­tum jemals von dem Schlag erho­len, den Berg­o­glio ihnen zuge­fügt hat?

Mensch­lich gese­hen, ist das schwie­rig. Die Stim­me des Pap­stes ist auf die eines ober­fläch­li­chen und dem­ago­gi­schen Influen­cers redu­ziert. Die Kir­che als Insti­tu­ti­on ver­liert von Tag zu Tag an Glaub­wür­dig­keit. Und jetzt, mit der päpst­li­chen Erklä­rung zur lee­ren Höl­le, hat sie hoch­of­fi­zi­ell an Bedeu­tung verloren.

In den hei­li­gen Palä­sten ist man bestürzt. Nicht so sehr um den Glau­ben, son­dern um das Schick­sal der Insti­tu­ti­on. Als Beam­te einer gro­ßen Büro­kra­tie kön­nen die Kuria­len nicht zulas­sen, daß der Appa­rat an Bedeu­tung und Funk­ti­on ver­liert. Wenn der Appa­rat unter­geht, gehen auch sie unter.

Es geht also um Leben und Tod (natür­lich nicht den ewi­gen). Und mit jedem Tag, der ver­geht, wird die Situa­ti­on bela­sten­der, weil die Insti­tu­ti­on mehr und mehr ver­senkt wird.

Es gab eine Zeit, in der man in einem Fall wie die­sem mit einer schö­nen Palast­ver­schwö­rung vor­ge­gan­gen wäre, aber um ein Ver­schwö­rer zu sein, braucht man Intel­li­genz und Mut, und den gibt es hier nicht. Statt­des­sen gibt es eine Men­ge Angst, denn der Tyrann ist rach­süch­tig und hat über­all Spione.

Also navi­gie­ren wir auf Sicht, bis zum näch­sten Inter­view, bis zum näch­sten Motu pro­prio. Bis zum näch­sten Tucho-Non­sens. Der Ver­such, zu über­le­ben, indem man sich unsicht­bar macht.

Hoff­nun­gen auf den näch­sten Papst? In mei­nem Pam­phlet „Come la Chie­sa finì“ („Wie die Kir­che ende­te“) stel­le ich mir vor, daß nach einem Fran­zis­kus I. ein Fran­zis­kus II. kom­men wird und dann ein Fran­zis­kus III. und so wei­ter, eine gan­ze Wei­le lang. Die kle­ri­ka­le Heu­che­lei kann gren­zen­los sein (mög­li­cher­wei­se wer­den genau jene, die ihn has­sen, imstan­de sein, Berg­o­gli­os Selig­spre­chung zu for­dern), und der Neo-Moder­nis­mus besetzt alle Mäan­der der Institution.

Die Kir­che wur­de im Fern­se­hen liqui­diert, und der Papst beging live in einer abend­li­chen Talk­show Selbst­mord, um dem Volk zu gefal­len. Das ist nur rich­tig so. Rich­tig, daß es das Fern­se­hen war, das ihr Ende im Namen der Ein­schalt­quo­ten ver­ord­ne­te. Es konn­te gar nicht anders sein. Nach­dem sich die Kir­che an die Welt ver­kauft hat­te, konn­te es kein ande­res Ende geben, denn das Fern­se­hen ist Aus­druck und Syn­the­se des Den­kens der Welt.

Nur der lie­be Gott kann kom­men, wann und wie Er will, und die Tafel „The End“ ent­fer­nen, um ein neu­es Dreh­buch zu schrei­ben. Oder ist Er viel­leicht schon dabei, es zu schreiben?

*Aldo Maria Val­li, Stu­di­um der Poli­tik­wis­sen­schaf­ten an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Mai­land, seit 1978 Publi­zist, seit 1985 Berufs­jour­na­list, ab 1995 für die staat­li­che ita­lie­ni­sche Fern­seh­an­stalt RAI, von 2007 bis 2019 als deren Chef-Vati­ka­nist – als sol­cher ging er nach län­ge­rem inne­ren Rin­gen ab 2016 auch öffent­lich auf Distanz zur pasto­ra­len Linie von Papst Fran­zis­kus, die er als „kon­fus“ bezeich­ne­te –, 2019 wur­de er des­halb zu RAI Sport ver­setzt und 2020 pen­sio­niert. Er ist Buch­au­tor und betreibt den Blog Duc in altum.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Duc in Altum

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